Im Gedenken an Mörder - Die Pfingsttreffen alter Gebirgsjäger
von Thies Marsen
Auch dieses Jahr trafen sich zu Pfingsten in Mittenwald alte Kameraden, um der Gebirgsjäger zu gedenken. Dabei hat gerade diese Einheit der Wehrmacht besonders brutal gewütet.
Spätestens seit der Wehrmachtsausstellung ist allgemein bekannt, dass der Mythos von der sauberen Wehrmacht eine Lüge ist. Nicht nur SS und Einsatzkommandos, auch die reguläre deutsche Armee war an Kriegsverbrechen und Völkermord beteiligt. Jahrzehntelang jedoch wurde in der Bundesrepublik die Legende der sauberen Wehrmacht gepflegt. Die deutsche Armee und ihre Soldaten haben anständig gekämpft, so lautete nach 1945 die allgemeine Lesart.
So wurde kaum ein Wehrmachts-Offizier wegen Kriegsverbrechen verurteilt, viele durften ihre Karriere in der Bundeswehr fortsetzen, noch bis vor wenigen Jahren trugen zahlreiche Bundeswehr-Kasernen die Namen von NS-Kriegsverbrechern - die Karwendel-Kaserne in Mittenwald, in der bis heute die Gebirgsjäger untergebracht sind, hieß zum Beispiel bis 1995 Kübler-Kaserne - nach dem Generalmajor der Wehrmacht Ludwig Kübler. In Jugoslawien wurde der Gebirgsjäger-General nach dem Krieg zum Tode verurteilt, denn Kübler war ein brutaler Partisanenjäger, bekannt geworden unter dem Namen "Bluthund von Lemberg". Gerade die Gebirgsjäger haben im Zweiten Weltkrieg eine besonders schlimme Rolle gespielt. Zahlreiche Massaker gehen auf das Konto dieser Wehrmachts-Einheit.
Der Zweite Weltkrieg war ein deutscher Vernichtungskrieg - vor allem in Osteuropa und auf dem Balkan. Besonders grausam verfuhr die Wehrmacht in der sogenannten Bandenbekämpfung - dem Krieg gegen Partisanen und Widerstandskämpfer - gegen jene Menschen, die sich dem deutschen Überfall auf ihr eigenes Land mit der Waffe und mit Sabotage-Aktionen entgegenstellten. Aus Rache und zur Abschreckung wurden ganze Dörfer ausgerottet und dem Erdboden gleich gemacht.
Die Wehrmacht und insbesondere die Gebirgsjäger hinterließen eine Blutspur quer durch Europa. Von Finnland bis Griechenland haben Historiker bis heute über 50 Massaker der Gebirgsjäger nachgewiesen. Allein in Griechenland ermordeten die Einheiten mit dem Edelweiß-Zeichen auf der Mütze über 1000 Menschen.
Eines der schlimmsten Verbrechen der Gebirgsjäger war der Massenmord an 317 Frauen, Männern und Kindern im nordgriechischen Kommeno. Am 16. August 1943 marschierte das Gebirgsjäger-Regiment 98 im Rahmen der sogenannten "Bandenbekämpfung" in Kommeno ein, erschoss ohne Vorwarnung den Priester, metzelte eine komplette Hochzeitsgesellschaft nieder, warf Handgranaten in die Häuser, die Soldaten massakrierten alles was sich bewegte und brannten das Dorf nieder. Kristina Dimou überlebt als junges Mädchen schwerverletzt das Massaker.
Dimou: "Ich bin zu meiner Mutter gegangen, da kam ein Soldat mit einem Maschinengewehr. Er hat auf uns gezielt. Meine Mutter hat er erschossen, er hat sie ins Ohr geschossen und die Kugel durchbohrte den Kopf. Ich bekam eine Salve in den Rücken und wurde schwer verletzt. Dann bin ich in Ohnmacht gefallen. Meine Brüder haben sich in einem Maisfeld versteckt, doch die deutsche Soldaten haben nach ihnen gesucht, haben sie gefunden und dann erschossen. Zwei von meinen Brüdern und fünf Cousins haben sie umgebracht."
Keiner der Täter von Kommeno ist bis heute bestraft worden. Das gleiche gilt für die meisten Mörder von Kephalonia. Am 13. September 1943 war die griechische Insel Schauplatz eines der "abscheulichsten Kriegsverbrechen in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges", so Historiker. Gebirgsjäger erschossen hier mindestens 4.000 italienische Soldaten, nachdem die italienische Regierung die Seite gewechselt und einen Waffenstillstand mit den Alliierten geschlossen hatte. Die italienischen Soldaten hatten sich ergeben, dennoch wurden sie hingemetzelt. Amos Pampaloni war damals italienischer Offizier:
Pampaloni: "Der deutsche Hauptmann ist einen Schritt zurückgetreten und hat mir einen Genickschuss verpasst, ich habe einen Halsschuss bekommen. weder die Halsschlagader noch mein Rückgrad wurden jedoch so verletzt, dass ich starb, sondern ich wurde von dem Schuss auf den Boden geworfen. Ich wusste nicht mehr ob ich lebendig oder tot war. Die Deutschen hatten Maschinengewehre und haben meine beiden Offiziere und meine 80 Soldaten allesamt hingerichtet. Die deutschen Soldaten sind dann singend abgezogen. Ich hatte keine tödlichen Verletzungen und bin von der griechischen Bevölkerung aufgenommen und gepflegt worden und konnte so überleben. Ich bin dann in den griechischen Widerstand gegangen und habe noch 14 Monate bei den Partisanen gekämpft für die Freiheit des griechischen Volkes."
Viele der Mörder von Kephallonia machten in der Bundesrepublik Karriere - in Bundeswehr, Polizei oder Politik. General Hubert Lanz, der das Oberkommando in Kephallonia hatte, wurde wehrpolitischer Berater der FDP. Der Kommandant des Gebirgsjäger-Regiments, das Kommeno auslöschte, Reinhold Klebe, wurde nach dem Krieg Stabsoffizier der Bundeswehr.
Cover der Zeitschrift für die Mitglieder
des Kameradenkreises der Gebirgstruppe
Und schon bald durften sich die Edelweiß-Veteranen auch wieder öffentlich ihrer Taten rühmen: 1952 lud der "Kameradenkreis der Gebirgstruppe" erstmals zum Pfingsttreffen. Seitdem versammeln sich die einstigen Gebirgsjäger alljährlich zum Gedenken an die gefallenen Kameraden - anfangs in München vor der Feldherrnhalle, später am Ehrenmal auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald. Früher waren es bis zu 20.000, heute kommen immer noch rund 2.000 zum Festgottesdienst mit Totengedenken.
Heute wie damals gehört es dazu, dass stolz die Orden zur Schau gestellt werden, auch wenn manche davon mit dem Hakenkreuz versehen sind. Nach dem Pfingsttreffen im vergangenen Jahr ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen zwei Hakenkreuz-Ordensträger - das Verfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Im letzten Jahr gab es zum ersten Mal aber auch Proteste gegen das Pfingsttreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald. 60 Antifaschisten störten damals den Kameradschaftsabend am Tag vor den Feierlichkeiten. Damals kamen 60 Demonstranten, heuer 400. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und der Arbeitskreis "Angreifbare Traditionspflege" - ein Zusammenschluss von Historikern - meldeten eine Demonstration und eine Mahnwache an, außerdem veranstalteten sie ein ganztägiges Hearing mit Zeitzeugen aus Griechenland und Italien, auf dem die Verbrechen der Wehrmacht und der Gebirgsjäger ausführlich zur Sprache kamen - auch die Namen von Tätern, von denen einige noch in Mittenwald und Umgebung wohnen.
Die Staatsanwaltschaft Dortmund ermittelt übrigens seit kurzem wieder in den Fällen Kommeno und Kephalonia. Nicht zum ersten Mal, bereits in den 60er Jahren gab es ein Verfahren gegen die Beteiligten an den Massakern, es verlief im Sande.