Proteste gegen Gebirgsjäger
von Magnus Bosch, 10.06.2003
Mittenwald: Antifaschisten fordern Entschädigungen für Opfer von Kriegsverbrechen
Mittenwald konfrontiert. Mehrere hundert Antifaschisten waren ins Werdenfelser Land gefahren, um auf die Verbrechen der Gebirgstruppe im Zweiten Weltkrieg aufmerksam zu machen und Entschädigungen für die Opfer zu fordern. Nachdem am Samstag ein Hearing mit anschließender Demonstration stattfand, versuchten die Gegner der Feier am Sonntag die Veteranen an der Zufahrt zum Ehrenmal direkt mit ihren Untaten zu konfrontieren. Verhindert werden konnte die Traditionsfeier allerdings nicht. Auf dem Hohen Brendten wurde wie gewohnt eine Messe zelebriert und der gefallenen Kameraden gedacht. Mit von der Partie waren wie üblich Ritterkreuzträger, die Bundeswehr, CSU-Landtagsabgeordnete und mehrere tausend Besucher. Dennoch werteten die Organisatoren die Proteste als Erfolg. »Wir haben in Mittenwald eine Debatte angestoßen«, sagte Stephan Stracke vom AK Angreifbare Traditionspflege, neben der VVN/BdA Mitveranstalter der Aktionen, gegenüber jW.
Bereits vor einigen Tagen hatten Gegner des Treffens die Parole »Gegen die Traditionspflege der Gebirgsjäger« auf das Ehrenmal gesprüht. Die Stimmung war dementsprechend aufgeheizt in der Marktgemeinde. »Schleicht euch!« oder »Haut ab!« bekamen die Antifaschisten auf der Demo von Bürgern zu hören. Die Demonstranten ließen sich jedoch nicht beirren und zogen mit ihren Transparenten durch Mittenwald, dem traditionellen Stationierungsort der nunmehr aufgelösten 1. Gebirgsjägerdivison.
Während des Hearings kamen griechische und italienische Überlebende von Greueln zu Wort. So hatten die Veranstalter Christina Dimou eingeladen, die 1943 das Massaker im Kommeno überlebte. Gebirgsjäger hatten damals in dem griechischen Dorf 317 Bewohner ermordet. »Die Trauer war so groß, daß ich beinahe verrückt geworden wäre«, erzählte Dimou, die zum Zeitpunkt des Massakers 13 Jahre alt.
Argyris N. Sfountouris ist Überlebender von Distomo, wo die SS 1944 wütete und 218 Menschen auf bestialische Art und Weise ermordete. »Die Berichte der Opfer sind nicht genügend zur Kenntnis genommen worden«, betonte er. Am 12. Juni verhandelt der Bundesgerichtshof in dieser Sache.
Der Florentiner Amos Pampaloni kam nach Oberbayern, um über die Geschehnisse in Kephallonia zu berichten. Dort erschossen Gebirgsjäger 5000 italienische Soldaten, die sich bereits ergeben hatten. »Die deutschen Soldaten sind singend abgezogen«, erinnerte sich der heute 93jährige, dem ein deutscher Landser einen Genickschuß verpaßte. Er überlebte und kämpfte anschließend an der Seite griechischer Partisanen.
Was die Verbrechen betrifft, kam in Mittenwald nur die Spitze des Eisbergs ans Licht: Stracke spricht von 60 Massakern, die man den Gebirgsjägern nachweisen könne. Dabei sind die Täter nicht anonym: »Man kann die Namen der Offiziere direkt zuordnen.« Darunter befänden sich auch Mittenwalder Veteranen. Die Veranstalter übergaben daher der Polizei, die mit einigen Hundertschaften angerückt war, eine Liste mit 163 an Greueln beteiligten Soldaten und forderten sie auf, die Veteranen zu kontrollieren. Natürlich ohne Erfolg.