ENGLAND,
ANNO 1976: Ein Land mit einer Jugendarbeitslosigkeit von weit über
50% ist zweigeteilt; zum einen gibt es die Juppies mit Kohle, die mit ihren
modischen Klamotten in den Discos zu langweiliger Musik tanzen, und zum
anderen die ohne Kohle, die mit umgerechnet 50 DM (Sozialhilfe) die Woche
auskommen müssen, und dementsprechend frustriert sind. Doch plötzlich
gibt es eine Veränderung im Straßenbild Londons: Leute mit bunten
Haaren und zerrissenen Klamotten sind zu sehen, die, statt sich ihrem Frust
hinzugeben, stolz auf ihre soziale Situation sind, und sowohl den Mode-Zombies
als auch dem unsozialen Staat den Kampf ansagen. PUNK ist geboren: bunte
Haare, Armee-Stiefel, zerrissene Hosen, Lederjacken und der aggressive
PUNK-ROCK sind die auffälligsten Merkmale der neuen Sub-Kultur. In
den Texten der „Sex Pistols“ wird die Queen verarscht und „The Clash“ rufen
zur Rebellion gegen das System auf, und die Konservativen sind empört
und geschockt. Ende der 70er gelangt PUNK auch nach Deutschland, wo er
zu großen Teilen in die Autonomen-Szene eingeht. So viel zur Historie!
Doch die 70er und 80er sind vorbei! Was ist PUNK heute? Tot? Gezähmt?
Oder einfach nur anders? ‘Ne definitive Antwort gibt’s nicht, doch das
„But Alive“ -Interview bringt hoffentlich Diskussions- und Denk-Anregungen
für die mit sich, die´s interessiert!
„Sind PUNX links?“, ist die Hauptfrage dieses Interviews mit
BUT ALIVE.
BASTA: Wie definiert ihr PUNK?
BUT ALIVE: PUNK ist in erster Linie nicht die Musik, sondern
eine Einstellung. Ein Lebensstil, der sich eigentlich nicht definieren
läßt.
BASTA: Meint ihr, daß PUNK ursprünglich politisch
war?
BUT ALIVE: PUNK war nie frei von Politik! Er war insofern politisch,
als daß es immer politische Leute und Bands gab. Da gab’s einerseits
viele unpolitische Gruppen wie die „Sex Pistols“ und „Damned“,
andererseits eben Gruppen wie „The Clash“ oder „Stranglers“,
die politisch waren. PUNK ist oft ein Ventil für Politik, stellt selbst
aber keine politische Richtung dar. Nur weil jemand ´ne Lederjacke
und einen Iro hat, bedeutet das noch lange nicht, daß er links ist.
BASTA: Die deutschen PUNK-Bands Anfang der 80er waren ja
größtenteils sehr politisch. Also Bands wie „Slime“, „Canalterror“
oder „Toxoplasma“. Wie sieht´s heute so aus?
BUT ALIVE: „Slime“ und die anderen haben den politischen PUNK
hochgebracht. Musik ist aber immer an die Gesellschaft und allgemeine Stimmung
gebunden. In den 80ern herrschte halt eine politische Aufbruchsstimmung,
die in den 90ern halt nicht mehr da ist. Es ist aber dennoch wichtig, PUNK
für heute zu machen, und nicht im Damals stehen zu bleiben. „Slime“
oder noch früher „Ton Steine Scherben“ haben die politische Einstellung
ja nicht gemacht, sondern waren nur ein Spiegel der Zeit.
BASTA: Warum bezeichneten sich früher soviel mehr PUNX als
links? War der linke Teil der PUNX damals attraktiver?
BUT ALIVE: Gerade durch Bands wie „Slime“ oder „Canalterror“
wurden und werden die Türen aufgestoßen. So ein Text wie „Gerechtigkeit“(...ich
glaube eher an die Unschuld einer Hure, als an die Gerechtigkeit der deutschen
Justiz...) haben viele beeinflußt. Die finden erst den Text
geil, und beginnen dann weiter zudenken. Aber wenn solche PC-Hardliner
schreien, daß der Text sexistisch sei, schreckt das viele ab! In
der heutigen Zeit herrscht Resignation und der Optimismus der 80er
ist weg. Durch oft übertriebene PC haben viele Kiddies Angst Fehler
zu machen, was sich halt viele zurück ziehen läßt.Weniger
PC und etwas mehr Spaß wären echt wichtig.
BASTA: Was haltet ihr von den heutigen PUNX?
BUT ALIVE: Viele haben zwar das Outfit, aber das macht
noch keinen PUNK. In Hamburg gibt es z.B. ein paar PUNX, die zwar mit Springerstiefeln,
Ketten und Lederjacken herumlaufen, mit PUNK aber ziemlich wenig
zu tun haben. Viele von denen sind Junkies, die dir, wenn sie dich
anschnorren, und du ‘ne dumme Antwort gibst, gleich eine reinhaun
.Oder wenn PUNX wie in Leipzig mit Faschos rumhängen, weil sie nicht
wissen, wie sie anders provozieren können, find ich das echt scheiße!
Auf solche Typen hab ich echt keinen Bock.
BASTA: Warum habt ihr euch eigentlich entschieden eine
POLIT-PUNK-BAND zu gründen?
BUT ALIVE: Haben wir gar nicht. Wir haben unter anderem Namen
als FUN-PUNK-Band angefangen. Früher wurden wir oft mit den alten
„Toten Hosen“ verglichen. Da hatten die Texte eher satirischen Charakter.
Daraus hat sich dann ein politischer, zynischer PUNK entwickelt.
Fun ist im Endeffekt doch sehr begrenzt. Auf der neuen LP sind die Texte
sehr zynisch, eigentlich oft schon lustig. Das ist oft der beste Weg eine
Aussage rüberzubringen. Wir wollen keine übertrieben ernste PC
(politisch korrekte) machen. Das wäre auch zu billig.
BASTA: Was haltet ihr von Bands wie „Green Day“, „Hosen“
oder „Offspring“?
BUT ALIVE: Die sollen die Musik machen, die sie für richtig
halten. Die Bands werden ja nicht nur aus eigenem Antrieb heraus zu Kommerz-Bands,
da gehören auch immer die entsprechenden Medien dazu. Die gehen halt
Kompromisse ein, und machen „PUNK“-Rock für die breite Masse. Wir
maßen uns da kein vernichtendes Urteil an.
BASTA: Schön’ Dank für das Interview!
PUNK in Lübeck?
In Lübeck hat ebenfalls eine Anti-Politik-Welle stattgefunden.
Während Anfang der 80er eine ziemlich große und aktive Szene
existierte, ist die Szene heute weitgehend entpolitisiert. Eigentlich sollte
ja so etwas wie SOLIDARITÄT zwischen Linken und Punks bestehen, doch
leider ist Lübeck wirklich sehr, sehr weit davon entfernt. Bis auf
eine Gruppe scheinen die meisten Punx eine ziemliche Aversion gegen die
Walli (und die dortigen „Rot-Faschisten“) zu haben, während auf der
Walli eine starke Abneigung gegenüber einem Großteil der Punks
(Junkies und Asseln) besteht. Na ja so viel zur gegenseitigen Toleranz......
Es ist eigentlich ziemlich schwer nachzuvollziehen, wenn Menschen,
die eigentlich gegen dasselbe ankämpfen, sich nicht untereinander
einigen können. Ein bißchen Nachsicht und Toleranz auf beiden
Seiten würde gar nicht schlecht sein, denn die Zeiten sind nicht gerade
besser geworden - und
EINIGKEIT MACHT STARK!