Wehrmachtsausstellung 2000
Kassel. Die Ausstellung "Vernichtungskrieg, Verbrechen der Wehrmacht 1941 – 1944", die seit März 1995 in 18 deutschen und österreichischen Städten zu sehen war, wurde am 25. Mai '98 in der documenta-Halle in Kassel eröffnet.
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Die Republikanische Jugend (RJ) Hessen hatte für den 6. Juni eine Protestkundgebung mit 1.000 TeilnehmerInnen angekündigt, später erhöhte sie dann sogar auf 2.000 Personen. Die Nazis mobilisierten über verschiedene Internet-Seiten und riefen über Zeitschriften wie z.B. Nation und Europa zur Teilnahme auf. Später warben dann noch NPD, JN und die unabhängigen Kameradschaften über die Nationalen Infotelefone für den Aufmarsch. Der Treffpunkt für die Nazis war um 12.30 Uhr das Auestadion im Süden Kassels. Von dort aus wurden sie in Absprache mit der Polizei zum Rathausplatz eskortiert, um ihre Kundgebung um 14 Uhr abhalten zu können.
Tatsächlich marschierten dann nicht etwa 2.000 Nazis, wie von dem Anmelder angekündigt, sondern "nur" 300 Faschisten. Dafür waren es dann aber auch überwiegend militante Neonazis aus Hessen, Niedersachsen und Hamburg von den unabhängigen Kameradschaften, der verbotenen FAP und der Nationalen Liste. Die Republikaner stellten mit ihrem Bus aus Hannover höchstens ein Viertel des Aufmarsches.
So marschierten neben den Republikanern Christian Käs (stellvertr. REP-Bundesvorsitzender und Redner in Kassel) und Lehmann (REP/RJ und Anmelder des Aufmarsches) auch Friedhelm Busse (ehem. Bundesvorsitzender der verbotenen FAP) und Thorsten Heise (ehem. Landesvorsitzender der FAP Niedersachsen), Christian Hehl (Chef der Wehrsportgruppe Hehl und ehem. Betreiber eines Nazi-Ladens in Ludwigshafen), Thomas "Steiner" Wulff (1. Vorsitzender der verbotenen Nationalen Liste Hamburg, stellvertr. Vorsitzender der FAP und Redner in Kassel), sowie der Intimus von Manfred Roeder, Roy A. Godenau.
Durch die zahlenmäßige Stärke konnten die unabhängigen Kameradschaften auch den Ablauf des Aufmarsches dominieren. Dabei trat insbesondere auch Thorsten Heise als Koordinator und Stimmungsmacher mit Megaphon in Erscheinung. Ebenso wie am 1. Mai '98 in Leipzig tauchte Heise mit Mitgliedern seiner Kameradschaft Northeim auf. Diese setzt sich vor allem aus Nazis aus Northeim und Göttingen zusammen. Sie organisierte am 7. Februar '98 einen Bus für 70 Personen zur Fahrt zum NPD-Kongresses nach Passau. Auch am 9. Mai versuchten sie an einer Nazi-Demonstration in Hildesheim teilzunehmen, was allerdings von der Polizei verhindert wurde. Heise als führender Kopf der Northeimer Kameradschaft, organisiert regelmäßig kleinere Parties und Kameradschaftsabende in Northeim.
Nichts Neues sind auch die regen Kontakte zu Göttinger Nazis. In Leipzig führten die Nazis der Kameradschaft Northeim auch eine schwarz-weiß-rote Fahne mit dem Ortsnamen Göttingen mit sich.
An dem Aufmarsch in Kassel ist weiterhin auch die gute Zusammenarbeit zwischen den sich als demokratisch ausgebenden Republikanern und den offen faschistischen Neonazis der freien Kameradschaften bemerkenswert. So trug auch Thomas "Steiner" Wulff ein Transparent der Republikaner, um medienwirksam Geschlossenheit zu demonstrieren.
Diese 300 Nazis marschierten also, von gut 1.000 Bullen mit Wasserwerfern und Hubschraubern geschützt quer durch die Innenstadt zum Rathaus der Herkules-Stadt. Dort hielten sie dann eine Kundgebung ab und plazierten ihre Fahnenträger auf dem Aschrottbrunnen. Dieser Brunnen ist übrigens ein 1987 eingeweihtes jüdisches Mahnmal von Dr. Horst Hoheisel. Das Modell und der Entwurf sind gerade in diesem Jahr in die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem aufgenommen worden.
Nach der Kundgebung wurden die Nazis von den Bullen zu ihren Autos geleitet und aus der Stadt eskortiert. Später gab es noch eine kleinere Auseinandersetzung zwischen AntifaschistInnen und Nazis der NL aus Hamburg an der Raststätte Göttingen.
Alles in allem hört sich das ganz gut an – für die Nazis. Für uns AntifaschistInnen war es dann doch kein richtig erfolgreicher Tag. Anders als z.B. bei der Wehrmachtsausstellung in Marburg wurde von vorne herein ein relativ defensives Konzept verfolgt. Noch bevor die Nazis am Auestadion waren, nämlich um 12 Uhr begann die Antifa-Gegendemonstration mit ca. 1.000 TeilnehmerInnen. Diese war zwar ein richtiges öffentliches Signal, war aber zu sehr von den bürgerlichen Kräften dominiert. Anschließend sollte eigentlich der Rathausplatz besetzt werden. Dazu kam es allerdings nur ansatzweise. Die wünschenswerte Entschlossenheit, dem Aufmarsch der Nazis etwas entgegenzusetzten, ließ auf sich warten. Sicherlich, die Polizei konnte mit einem Aufgebot von 1.000 Bullen hart durchgreifen und tat dieses auch (17 Festnahmen von Antifas). Andererseits hätte man die Nazis auch am An- und Abfahrtsweg behindern können. Dies scheiterte aber an der geringen Teilnahme militanter AntifaschistInnen.
Da kann es beim nächsten Mal nur heißen: einiges anders machen. Und das nächste Mal kommt bestimmt. Spätestens, wenn im Jahre 2000 die Wehrmachtsausstellung in Göttingen gastiert.