Hintergrund
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Ulzburger Prominenz gedachte gefallenen Helden
 
Vollkommen ungestört waren die Ulzburger Reaktionäre dieses Jahr nicht gewesen, bei ihrer traditionellen Heldengedenkzeremonie. Wie jedes Jahr wollten sich die örtliche CDU, Ulzburgs Bürgermeister Dornquast, der Bürgervorsteher und der Baulöwe Volker Mahnke zur Kranzablage auf der ehemaligen Nazi-Kultstätte am Beckersberg treffen. Die Feuerwehr marschierte auf, der Schützenverein kam, Soldaten der Bundeswehr von Ulzburgs Patenkompanie gaben sich die Ehre, einige ältere Mitbürger hatten sich eingefunden und auch zwei zackig kurzbehaarte Jünglinge waren dabei. 
Der Spielmannszug zog auf, es wurde gesungen, es wurden Pressefotos geschossen, Hände geschüttelt und eigentlich hätte man so richtig schön, mit betroffenen Minen, den wackeren Männern Ulzburgs gedenken können, die bei der ehrenhaften Vaterlandsverteidigung für die deutsche Wehrmacht ihr Leben ließen. An die anderen Toten des Krieges und der „Gewaltherrschaft“ sollte auch gedacht werden. Es wäre alles mit aufrechter, würdevoller Volkstrauer abgelaufen, aber dieses Jahr war der Glanz dieser Feier getrübt worden. Der ganze Ort war voller Polizei, denn etwa 200 Antifa-schistInnen wollten bei der Zeremonie ihren  Protest lautstark zum Ausdruck bringen. 

Wie NS-Täter zu Opfern werden 
Ein breites antifaschistisches Bündnis aus Jusos, VVN, Sozialem Zentrum Norderstedt, PDS, DKP, der Gruppe Lami Lamfiesel aus Kaltenkirchen, unabhängigen Antifagrup-pen aus Hamburg und Norderstedt und Einzelpersonen hatte in diesem Jahr gegen die reaktionäre Gedenkveranstaltung mobilisiert. Mit dem Bündnis wollten wir der Geschichts-verdrehung und reaktionären und militaristischen Aktivitäten aus den Reihen der Offiziellen, der CDU und konservativer Verbände etwas entgegensetzen. 
Demo in UlzburgDaß hier NS-Täter als Opfer des Krieges dargestellt werden, kritisierten wir. Auf den Gedenksteinen ist von Helden die Rede, die für die Heimat ihr Leben ließen. Um die Soldaten wird in ihrer Funktion als  gehorsame Diener des deutschen Faschismus getrauert. Ihre Opfer werden nur am Rande erwähnt. Über die Verbrechen und die Rolle der deutschen Wehrmacht wird am Volkstrauertag im allgemeinen nichts gesagt. Der zweite Weltkrieg wird als ein trauriger Unfall dargestellt. Eine klare Auseinandersetzung mit der deutschen Kriegsschuld und den anderen Verbrechen des Faschismus  gibt es nicht. 
Der Volkstrauertag ist nach unserer Meinung in der Tradition des Heldengedenktages des Deutschen Reiches zu sehen, seit jeher ein Feiertag der Reaktionäre. Im Hinblick auf die immer stärkere Verdrängung eines bewußteren Umgangs mit der deutschen Vergangenheit in der öffentlichen Diskussion, ist die Form und Aussage des Volkstrauertages als eine Ergänzung zur allgemeinen Position der meisten Konservativen und anderer rechter Kräfte zu sehen: Deutschland hat sich lange genug mit der NS-Geschichte auseinandergesetzt und muß sich nun davon lösen. 
Gerade im Hinblick auf die Neuordnung Europas und die neue Machtverteilung in der gesamten Welt liegt eine weitere Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit nicht im Interesse deutscher Großmachtpolitik. Vielmehr sind deutsche Politgrößen dabei, eine Opferrolle Deutschlands herbeizureden. 

Aus der schwarz-braunen Provinz 
Das Beckersberg-Gelände, auf dem das alljährliche Heldengedenken stattfindet, wurde als Heldenhain und Aufmarschplatz von NSDAP-Bürgermeister Petersen errichtet. Auf dem Platz befinden sich noch heute Gedenksteine mit Sprüchen wie „Es wirkt das Blut als heilge Saat, aus Gräbern wächst die Kraft zur Tat“. Nur die Rune und das Hakenkreuz, die früher auf dem Stein waren, sind nach dem Krieg entfernt worden. Eine Pyramide, die an die „deutsche Schicksalswende“ erinnern sollte, wurde abgerissen. Ansonsten blieb der Platz bis heute unkommentiert so erhalten, wie er von den Nazis errichtet wurde. Zu ihrem Erhalt tragen neben der Gemeindeverwaltung die Bundeswehrsoldaten aus  Henstedt-Ulzburgs Patenkompanie durch kräftiges Abschrubben der Gedenksteine bei. Vor dem diesjährigen Volkstrauertag wurde dies so sorgfältig betrieben, daß eine alte Odalsruhne wieder zum Vorschein kam. 
Wir fordern, daß das Beckersberg-Gelände zu einer antifaschistischen Gedenkstätte umgestaltet wird, die den faschistischen Massenkult dokumentiert. 

Die Heinrich-Petersen-Straße und der Krumpeterweg 
Seit 1965 ist in Henstedt-Ulzburg eine Straße nach NS-Bürgermeister Heinrich Petersen benannt. „Bürgermeister von 33-45“ steht unter dem Schild zu lesen. Petersen, der die NSDAP in Ulzburg maßgeblich mitaufbaute, sollte mit der Benennung für die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen geehrt werden. Wir fordern die Umbenennung in Joseph-Tichy-Weg. Joseph Tichy war ein KZ-Häftling, der bei einem Transport zum Arbeitseinsatz nahe bei Henstedt-Ulzburg erschossen wurde. 
Zum anderen forderten wir die Umbenennung des Krumpeterweges in Gustav-Lange-Straße. Emil Krumpeter war beteiligt bei der Entwaffnung von Arbeitern, die sich gegen den Kapp-Putsch zur Wehr setzen wollten. Gustav Lange erwirkte durch sein Einschreiten, den Abzug von SA-Truppen aus Henstedt-Ulzburg, die hier Polizeiaufgaben übernommen hatten. Lange war damit der einzige, der sich in der Öffentlichkeit gegen die Nazis einsetzte. 

Patenkompanie bei der Bundeswehr, Bundeswehr-ausstellung,    Führungsakademie, NPD-Parteitag    
Auch in anderen Fällen war Henstedt- Ulzburg kein Beispiel für fortschrittliche Gesinnung. So unterhält Bürgermeister Dornquast die Patenschaft zu einer Kompanie der Bundeswehr. Um den guten Kontakt zwischen dem Volk und seinem Heer zu verfestigen, wurde 1992 eine Bundeswehrausstellung mit schwerem Kriegsgerät zum Anfassen organisiert. 
Auch die Führungsakademie für Offiziere aus aller Welt, unter ihnen waren bereits einige Putschisten, gehört zu den alljährlichen Gepflogenheiten Dornquasts. Er war es auch, der vor einigen Jahren eine Veranstaltung der örtlichen Antifa beendete, weil diese die Überwachung durch zwei Zivilfahnder nicht dulden wollte. 
Sein Amtsvorgänger Glück tat sich dadurch hervor, daß er zu seiner Amtszeit einen Parteitag der NPD dadurch ermöglichte, daß er Räume im Bürgerhaus für die Faschisten anmietete, um eine Belegung durch Gegenveranstaltungen zu verhindern. Bei der NPD handele es sich um eine demokratische Partei wie jede andere, gab der bekennende SS-Mann zu bedenken. 

Naziaktivitäten am Volkstrauertag 
In den vergangenen beiden Jahren legten Faschisten, um den Ulzburger Nazikader Andre Schwelling , am Volkstrauertag Kränze auf dem Henstedter Friedhof nieder. 1995 geschah dies unter dem Namen Patriotische Jugend, 1996 trat Schwelling als  zweiter Landesvorsitzender des Bundes für Gesamtdeutschland auf. In beiden Jahren waren etwa 20 Nazis daran beteiligt. 
Schwelling, ehemals NL-Ortsgruppe Henstedt-Ulzburg, gehört mit Stefan Kallweit zu den Köpfen der Patriotischen Jugend, die auch das Skinhead-Fanzine „Hamburger Sturm“ herausgibt. In letzter Zeit häuften sich die Auftritte der PJ bei öffentlichen Veranstaltungen.  Schwelling ist dabei  teilweise um seriöses Auftreten seiner Gruppe bemüht. Am Todestag von Rudolph Hess  legte die Patriotische Jugend gemeinsam mit Ingo Stawitz (Bündnis Rechts für Deutschland) bei einer Kundgebung in Ulzburg einen Kranz nieder. 
Zu den erwarteten Störungen bei den Veranstaltungen der Kampagne kam es aufgrund hoher Antifa-präsenz nicht. Am Volkstrauertag  wurde ein Aufmarschversuch von der Polizei verhindert. Weitere Aktionen waren durch hohe Antifa- und damit verbundene Polizeipräsenz  unmöglich. So beschränkten die Nazis sich auf fotografieren und umherfahren. Ein anderer Teil blieb unter Polizeischutz in ihrer Stammkneipe „Tralala“, in der Beckersbergstraße und wurde dort von den Bewachern nicht wieder  herausgelassen. 

Über den Verlauf der Kampagne 
Unsere Veranstaltungsreihe  bestand aus drei Informationsveranstaltungen, einer Podiumsdiskussion, drei Vorführungen des Films „Als Soldaten Mörder wurden“ , Pressearbeit und der Demonstration am Volkstrauertag. Die BesucherInnenzahlen bewegten sich zwischen 20 und 70 und waren damit für uns zufriedenstellend. Allerdings war der überwiegende Teil Szenepublikum. Eine größere Resonanz von außerhalb der Szene wäre erfreulich gewesen. Positiv in diesem Zusammenhang war es, daß der Film „Als Soldaten Mörder wurden“ im Norderstedter Pallette-Kino an zwei Abenden gezeigt werden konnte. Im Film werden die Verbrechen der deutschen Wehrmacht  durch Zeitzeugen und Beweismaterial dargestellt. Eine der beiden Vorstellungen war fast ausverkauft. 
In der Lokalpresse sowie der „taz-Hamburg“, dem „Gegenwind“ und der „jungen Welt“ wurde über die Kampagne berichtet. Für die Lokalpresse standen dabei zunächst die Straßennamen und das Beckers-berg-Gelände im Vordergrund. So konnte sich die Ulzburger CDU gleich mehrmals in der Öffentlichkeit mit den Äußerungen ihres Fraktionsvorsitzenden Horst Otto (56) disqualifizieren: „Vergangenheitsbewäl-tigung ist die Aufgabe unserer Eltern, nicht aber die meiner Generation“ . Gegenüber der Norderstedter Zeitung brachte er als Argument gegen eine Straßenumbenennung, er kenne viele Leute in der H.Petersen-Straße und diese fühlten sich dort sehr wohl. Auch über die Demonstration wurde ausführlich berichtet. Das  Vorgehen der Polizei wurde dabei kaum kritisiert. Bei der Pressearbeit gelang es uns allerdings nicht, Inhalte über die Kritik an der Gedenkveranstaltung hinaus zu übermittelln. Teilweise wurden auch nur die Jusos, nicht aber die anderen Gruppen erwähnt. 

Die Demonstration: Über 70 Festnahmen, Zivis zogen den Revolver 
Mit der Demo sollte unser Protest gegen das Heldengedenken den UlzburgerInnen vermittelt werden, und wir wollten die Zeremonie am Beckersberg lautstark stören. Eine Woche zuvor wurde die gesamte Demonstration vom Landrat verboten. Begründet wurde dies mit dem Gesetz zum Schutz von Sonn- und Feiertagen, welches seit März ‘97 jegliche Versammlungen verbietet, die kein Gottesdienst sind oder nicht der Kranzablage dienen. Außerdem gefährde unsere Demo die öffentliche Sicherheit und Ordnung. 
Ein Kessel BuntesAuch den Jusos, die einen Trauermarsch zum Beckersberg und dem Ort, wo Joseph Tichy ermordet wurde, veranstalten wollten, wurde dies untersagt. Das Verbot wurde in der Presse  vom Landrat verbreitet. Ein Widerspruch vor Gericht erschien zwecklos. Zwei Tage vor dem Volkstrauertag wurden die Demos, scheinbar auf Drängen des Innenministeriums  unter nicht akzeptablen Auflagen wieder erlaubt: Es war verboten, Transparente zu zeigen und Lautsprecher zu benutzen. Die Route wurde völlig verändert und verlief fernab des eigentlichen Geschehens und innerhalb von einer Stunde sollten wir damit fertig sein. Kundgebungen waren untersagt. 
Trotz des  Zeitungsberichtes  über das Verbot der Demo versammelten sich fast 200 Menschen morgens am Ulzburger Bahnhof.  Über 200 Polizisten wurden in Henstedt-Ulzburg zusammengezogen, um die Heldengedenkveranstaltung auf dem Beckersberg und die örtlichen Faschos, die die meiste Zeit in ihrer Stammkneipe festsaßen, zu schützen.  Nach einer Auseinandersetzung mit zwei Nazis, die aus einem Hochhaus die Demo eifrig fotografierten, setzte sich der Zug in Bewegung. Im Verlauf der Demo, die die vorgeschriebene Route einhielt, wurde ein Transparent entrollt mit der Aufschrift: „NS-Täter sind keine Opfer - Kein reaktionäres Heldengenken in Henstedt-Ulzburg“. Dies wurde von der Polizei unter Androhung einer Anzeige gegen den Demoanmelder hingenommen. Nach etwa eineinhalb Stunden löste sich die Menge auf. Der Versuch nach dem Ende einen Redebeitrag zu halten, wurde von heraneilenden Polizisten verhindert. Über die Hälfte der Demon-strantInnen verharrte in kleinen Gruppen im Ort, um der Gedenkveranstaltung unter lautstarkem Protest beiwohnen zu können. Als sie sich in der Nähe des Beckers-berggeländes wieder zu sammeln begannen, gab es sogleich die Aufforderung von der Polizei in Richtung Bahnhof abzuziehen. Die Polizei versperrte allerdings den Weg in diese Richtung und kesselte die Menge  ein, die dabei  war in die andere Richtung abzuziehen. Die 68 Festgenommenen wurden daraufhin in Gefangenentransportern in die Polizeiwache Norderstedt gebracht. Andere ProtestlerInnen, die beim Aufmarsch der Veranstaltungs-teilnehmerInnen Parolen zu skandieren begannen, wurden verjagt. Am Abend versammelten sich etwa 30 Mitdemon-strantInnen und Angehörige der Festgenommenen, um diese von der Wache abzuholen. Die Polizei sah dies offensichtlich als so bedrohlich an, daß sie bei einem Richter  eine Verfügung erwirkte, die Menge jederzeit auflösen, bzw. festsetzen zu können. Als alle Gefangenen aus dem Kessel  entlassen waren, löste sich die Menge  in verschiedene Richtungen auf. Eine Gruppe von fünf Leuten wurde gleich neben dem Polizeirevier von Zivilfahndern, die teilweise Fascho-outfit trugen, angehalten und gegen eine Wand geschubst. Als andere Leute , die davon ausgingen, daß es tatsächlich Nazis waren, herbeieilten, zogen zwei der Zivis ihre Dienstwaffen und richteten sie gegen die Herankommenden. Dabei gaben sie sich nicht als Polizei zu erkennen. Wenige Augenblicke später stürmte ein Trupp Behelmter heran und jagte  alle, die noch auf der Straße standen. Auch dabei kam es zu zwei Festnahmen. Mehreren droht nun eine Anzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. 

Was die Kampagne gebracht hat, wie es weitergeht 
Mit dem „Bündnis gegen die Verdrehung der Geschichte“ hatte sich nach dem Bündnis gegen  die öffentliche Rekrutenvereidigung  im März 97 wieder ein breiter linker Zusammenschluß im südlichen Kreis Segeberg gebildet. Das Thema  NS-Vergangenheit und der heutige Umgang damit wurde wieder an die Öffentlichkeit gebracht. Auch wenn das Heldengedenken nicht verhindert wurde, so wurde doch bei vielen Menschen ein bitterer Nach-geschmack erzeugt, der zumindest die Kritischeren zum Nachdenken anregt. Die recht große Aufmerksamkeit der Medien ist für uns auf jeden Fall ein Erfolg. Traurig ist es, daß für so eine Kampagne  nicht noch weitere Kreise, z.B. Gewerkschaften, zu mobilisieren waren. Die vielen Festnahmen sind sicherlich auch ein Ausdruck dafür, wie empfindlich  hierzulande auf antifaschistischen Protest  reagiert  wird. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Verhalten der Polizei  wird an das Innenministerium geschickt. 
Nachdem es zunächst so aussah, als würden die Straßenumbenen-nungen von den politischen Gremien ausgeführt, haben die örtliche Wählervereinigung und die SPD davon wieder Abstand genommen. Der SPD geht es dabei um wahltaktische Gründe. Sie möchte ihre Wähler in der H.-Petersen Straße nicht verärgern. 
Das Bündnis selber hat sich nach der Kampagne aufgelöst. Die Forderungen bleiben aber  weiter bestehen und einige der Gruppen werden den PolitikerInnen bei deren Umsetzung mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf die Sprünge helfen und sich weiterhin mit der Nazivergangenheit der Region beschäftigen. 
Kein Vergeben! Kein Vergessen! 
tüdl

 
 
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