Derzeit vergeht keine Woche, in der nicht rechtsextreme
Vorfälle aus der Bundeswehr bekannt werden. Im August
1997 wurden zwei Bundeswehrangehörige von der Polizei
als Brandstifter festgenommen, die zuvor in Dresden eine
Unterkunft ausländischer Bauarbeiter angezündet
hatten. Gegenüber der Polizei gaben sie als Grund
für die Tat rassistische Motive an.
Kurz darauf bestätigte ein Sprecher des
Bundesministeriums der Verteidigung, daß ein hoher
Reserveoffizier wegen völkerrechtswidriger Parolen
sofort vom Einsatz in Bosnien abgezogen worden sei. Im
März 1997 sorgte die von einer Gruppe zukünftiger
Sfor-Soldaten in Detmold organisierte Jagd auf Migranten
für Schlagzeilen. Im Sommer wurde ein
42-minütiges Videoband von sieben Bundeswehrsoldaten
öffentlich bekannt, die in einer Übungspause
Hinrichtungen, Folterungen und Vergewaltigungen simuliert
hatten. Einer der Akteure war der zwischenzeitlich aus der
Bundeswehr ausgeschiedene Stabsunteroffizier Tobias Lau,
der einem ultrarechten Gesprächszirkel in Dresden
angehörte. Im November und Dezember 1997 wurden eine
Reihe von ähnlichen Fällen bekannt, bei denen
z.B. in den Traditionsstuben von Bundeswehreinheiten ein
positiver Bezug auf die „Leistungen” der
Wehrmacht hergestellt wurde, Waffenlager von Faschisten in
Kasernen ausgehoben oder - mit Manfred Roeder - eine
zentrale Figur des bundesdeutschen Neofaschismus bei der
Führungsakademie der Bundeswehr referieren
konnte.
„Alles Einzelfälle“
Die vom zuständigen Bundesministerium der Verteidigung
und der militärischen Führung der Bundeswehr
abgegebenen Stellungnahmen liefen zusammengefaßt auf
folgendes Bild hinaus: „Rechtsextremismus in der
Bundeswehr” ist eine von außen hineingetragene
Einzelfallerscheinung, die durch konsequente Anwendung
disziplinarischer und erzieherischer Mittel durch die
Vorgesetzten sowie eine Stärkung der politischen
Bildung kontrollierbar ist.
Insbesondere seit Dezember 1997 wurde zudem die
Berichterstattung über die entsprechenden Ereignisse
und das Interesse an einer fundierten Analyse und Bewertung
als „kam-pagnenartige Vorwürfe”
(Schäuble) abgewertet, die nur der Demontage der
Institution Bundeswehr dienen sollten. Rühe und Bagger
warnten vor „Gerüchtemachern”,
„Provokateuren” und „anonymen
Denunzianten” und befanden sich dabei in Gesellschaft
von Faschisten, die hinter dem Bekanntwerden der Ereignisse
sogleich eine Kampagne gegen die Bundeswehr insgesamt
witterten.
Der Verteidigungsminister und die militärische Spitze
der Bundeswehr haben inzwischen eine Reihe von
Maßnahmen ergriffen, von denen insbesondere die
Ablösung von Kommandeuren, die zum Zeitpunkt
der bekanntgewordenen rassistischen
Aktivitäten noch andernorts Dienst taten, und die
allgemeine Überprüfung von Wehrpflichtigen
„in der Truppe” zu Kritik an Rühes und
Baggers Umgang mit den Ereignissen geführt
haben.
Die extreme Rechte versucht, daraus politischen Nutzen zu
ziehen. So schreibt Lothar Groppe, selbst zwischen 1963 und
1971 Militärpfarrer und Dozent an der
Führungsakademie der Bundeswehr, im
Ost-preußenblatt über Rühe: „In
Reichswehr und Wehrmacht gehörte es noch weitgehend
zum guten Ton, sich für seine Untergebenen
einzusetzen... wenn das Gesetz der Kameradschaft und
Fürsorge in der Bundeswehr nicht vollends vor die
Hunde gehen soll, nehmen Sie Ihren Hut!” Das
Parteiblatt der REP begrüßt gar den immer
offener und aggrssiver auftretenden Rassismus von Soldaten:
„Wer von Türken ... einmal zusammengeschlagen
wurde, glaubt nicht mehr an Multikulti... Ein neues
Selbstbewußtsein und
Zusammengehörigkeitsgefühl breitet sich unter den
jungen Soldaten aus...: Wir Deutsche müssen uns in
unserem eigenen Land gegenüber den Ausländern
behaupten.”
Faschistische Tradition?!
Die Erwartung, Rassismus, Nationalismus und Neofaschismus
würden sich durch Disziplinarmaßnahmen und die
Ausweitung der politischen Bildung aus der Bundeswehr
raushalten lassen, ist irrig. Die Bundeswehr hat eine lange
Tradition entsprechender Ereignisse und Tendenzen. Davon
zeugten in der Vergangenheit antisemitische Gelage an den
Bundeswehrhochschulen, etliche
„Generalsaffären” und
selbstverständlich der maßgebliche
Einfluß, den Offiziere der Nazi-Wehrmacht beim Aufbau
der Bundeswehr hatten.
Wenn bei der Verabschiedung eines Obristenjahrgangs
unkritisch Bezug auf die Nazi-Wehrmacht genommen wird, wenn
der Generalinspekteur Hartmut Bagger in einer
militaristischen und extrem rechten Zeitschrift den
Kameraden „viel Erfolg für Ihre weitere
Arbeit” wünscht, wenn in offiziösen
Bundeswehrpublikationen ein Loblied auf die
„militärischen Leistungen” der
Nazi-Wehrmacht gesungen wird, und wenn der frühere
Generalinspekteur Naumann die „Weinerlichkeit und
Verzagtheit” der Truppe kritisiert, dann ist -
gemessen am Ziel der Stärkung
bürgerlich-demokratischer Verhaltensweisen - mit einem
Ausbau der politischen Bildung in der Bundeswehr nichts
gewonnen.
Die Behauptung der politischen Leitung und der
militärischen Führung der Bundeswehr, diese sei
hinsichtlich der Verbreitung extrem rechten Gedankengutes
(nur) der „Spiegel der Gesellschaft”, gibt nur
einen Teil der Realität wieder.
Selbstverständlich schlagen sich die Zunahme,
Vertiefung und gewalttätige Ausübung von
Rassismus auch in der Bundeswehr nieder. Rühe &
Co. geht es aber nicht um echte Ursachenforschung, oder gar
Bekämpfung dieser von ihnen mit verursachten
Entwicklung; der Verweis auf die Gesellschaft soll vielmehr
entschuldigen und Verantwortlichkeit außerhalb der
herrschenden Klasse dingfest machen. Denn:
„Gesellschaft” - das sind wir doch irgendwie
alle. Vor allem aber soll diese Argumentationsfigur
ablenken von den Strukturen der Bundeswehr, die als
„Verstärker” rassistischer,
nationalistischer und patriarchaler Verhaltensweisen
wirken.
Und nicht zuletzt fürchtet Rühe, daß die
„Skandale” sich negativ auf die
Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr als
imperialistisches Machtmittel auswirken könnten. Die
ist bei der „Regermanisierung” ehemals
deutscher Gebiete derzeit nicht mit Panzern und Kanonen
gefragt; gerne gibt sie aber „privaten
Initiativen” wie Roeders „Deutsch-Russischem
Gemeinschaftswerk” Lastkraftwagen und
Ausrüstung, die im Einklang mit ähnlichen
Aktivitäten der in großem Umfang staatlich
geförderten „Landsmannschaften” stehen, an
der Unterhöhlung des russischen Einflusses arbeiten
und der Germanisierung „Ostpreußens” den
Weg bahnen wollen. Dem „Skandal” um Roeders
Auftritt in der Führungsakademie der Bundeswehr in
Hamburg steht so die wenig beachtete Wühlarbeit
staatlich geförderter Verbände gegenüber,
die alljährlich bei ihren bundesweiten Treffen die
Grußworte von Spitzenpolitikern aus CDU/CSU, FDP und
SPD einsammeln dürfen.
VF