Antirassismus
 
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Zast ist Knast

Es ist nicht das erste Mal, daß ich auf das eingezäunte Kasernengelände der schleswig-holsteinischen Erstaufnahmestelle für Asylbewerber (ZAST) kam. Bereits im Sommer 1996 hatte das Lübecker  Flüchtlingsforum eine Begehung dort veranstaltet. Damals wurden viele Mängel festgestellt, und ich war gespannt, ob wir bei einem erneuten Besuch dort die selben Zustände vorfinden würden. Der Einladung zu der Begehung am 24.11.97 waren neben Flüchtlingsinitiativen, auch Kommunalpolitiker und die schleswig-holsteinische Frauen- und Jugendministerin Angelika Birk gefolgt. 

Wir wurden von VertreterInnen des betreuenden Arbeiter-Samariter-Bundes und vom Landes- und Bundesamt für Asyl- und Ausländerangelegenheiten begrüßt. Im einleitenden Gespräch versuchte man uns zu erklären, wie korrekt und gut man hier in der ZAST die Flüchtlinge betreuen würden. So gab es neben der Information, daß Lübeck seit dem ersten Oktober in Schleswig-Holstein die einzige Erstaufnahmestelle sei und sich hier zur Zeit 287 Personen aufhalten würde, die Neuigkeiten, daß z.B. die Schilder zur Kennzeichnung der Männer- und Frauentoiletten jeden Morgen nach Bedarf erneuert würden, und es nun eine Teeküche gäbe. Uns kam das als etwas Selbstverständliches, nicht Hervorhebenswertes vor. Wichtiger fanden wir die Auskunft, daß  alle Flüchtlinge die Möglichkeit hätten, vor ihrer Anhörung beim Bundesamt zum Beratungsgespräch beim Verfahrensberater zu gehen; denn diese Anhörung entscheidet über das Asylverfahren. Rosige Bedingungen? Nun, wir waren gekommen, um uns selbst ein Bild zu machen. Aufgeteilt in zwei Gruppen durchliefen wir die Stationen, die auch die neu ankommenden Flüchtlinge durchlaufen. So ging es zur Aufnahmestelle des Landesamtes für Asyl- und Ausländerangelegenheiten. Per Computer wird dort überprüft, wer in dieser Aufnah-mestelle bleiben darf. Dies richtet sich nach Herkunftsländern und Aufnahmeschlüssel. Bei der Außenstelle des Bundesamtes wird danach eine erkennungsdienstliche Behandlung mit Fingerabdruck und Foto und eine Datenerfassung gemacht. Hier wird von den Flüchtlingen der eigentliche Asylantrag gestellt und hier findet wenige Tage später auch die sogenannte Anhörung sowie die spätere Entscheidung über den Asylantrag Waschraum der Zaststatt.  Der Auf-nahmeraum ist gekachelt wie die Duschräume. Die Gänge sind leer und ohne Sitzgelegenheiten. Der Eingang ist wie im Knast mit Gitterstäben versehen. Die offizielle Begründung dafür ist, daß es eine Vorschrift vom BKA wäre, zum Schutz vor Anschlägen. Warum gerade das Bundesamt auf dem Kasernengelände noch gesondert gesichert werden muß, kann niemand so richtig erklären. Anstatt daß gerade hier versucht wird, eine vertrauenserweckende Atmosphäre zu schaffen, sehen die Räume aus wie im Gefängnis. Es sind rassistische Maßnahmen, wenn gezielt ein Umfeld geschaffen wird, das die Flüchtlinge vielfach an vergangene schlimme Erlebnisse erinnern muß und sie damit noch weiter einschüchtert. 
Uns wurde der Ablauf einer Anhörung erklärt: Ein Einzelentscheider spricht mit drei bis vier Flüchtlingen am Tag. Es gibt 7 Einzelentscheider, davon ist nur eine Person weiblich. Nur auf speziellen Wunsch oder wenn ein männlicher Einzelent-scheider feststellt, daß Frauen nichts weiter über Folterungen erzählen wollen, wird eine Frau auch von der weiblichen Entscheiderin angehört. Die Flüchtlinge bekommen die Anhörung mündlich rückübersetzt. Sie müssen unterschreiben, daß sie alles wichtige und notwendige gesagt haben, noch bevor sie das schriftliche Protokoll in deutscher Sprache zu sehen bekommen. Später erzählten uns die Flüchtlinge, daß sie oft kein Vertrauen zu den Dolmetschern des Bundesamtes haben und die Anhö-rungsprotokolle unvollständig bzw. falsch übersetzt worden seien. So ist es dann auch eine Forderung des Lübecker Flüchtlingsforums, daß jeder Flüchtling mit einem Dolmetscher seiner Wahl das Protokoll in einem angemessenen Zeitraum prüfen kann, bevor es als Grundlage für eine Entscheidung des Asylantrages durch den Entscheider verwendet wird. Ebenso muß es in Zukunft möglich sein, daß alle Frauen grundsätzlich von Dolmetscherinnen und Anhörerinnen interviewt werden. Unser nächstes Ziel ist die Verfah-rensberatung. Hier sollen die Flüchtlinge über den Ablauf ihres Asylverfahrens und die Bedeutung der Anhörung informiert werden. Zum Berater kommen 10  bis 20 Leute täglich, jedoch kommen nur 20% der Flüchtlinge vor ihrer Anhörung zum Verfahrensberater, weitere 20% kommen in ihrem Asylverfahren zu ihm. Bei Urlaub und Krankheit des Beraters gibt es keine Vertretung. Zwar erzählt man uns, daß jeder neu ankommende Flüchtling ein Flugblatt mit der Information über diese Be-ratungsmöglichkeit erhält, aber es war uns allen sofort klar, daß die Flüchtlinge nach einer oft vieltägigen, schweren Flucht die Bedeutung eines sofortigen Beratungsgespräches für ihr Asylverfahren gar nicht richtig einschätzen können. In anderen Einrichtungen wird die Beratung durch den Verfahrensberater von den Flüchtlingen als Pflichtprogramm per Laufzettel angelaufen, weil man erkannt hat, daß nur so alle Flüchtlinge die Chance haben, in der kurzen Frist vor ihrer Anhörung eine Verfahrensberatung zu bekommen. Auch ist eine Aufstockung der Stellenzahl um eine Verfahrensberaterin sehr wichtig, um weiblichen Flüchtlingen eine Beratung zu ermöglichen, die nicht noch von Ängsten vor einem fremden Mann überlagert sind. Es gibt zwar auch eine Frauengruppe, die einmal in der Woche zusammenkommt. Die Leiterin der Gruppe meint jedoch, daß diese Beratungsmöglichkeit wenig für die Anhörung nützt. Die Frauen sind vor der Anhörung kaum in der Gruppe und das Vertrauen ist dann noch nicht groß genug, um über schwere Traumata zu sprechen. Meist wird über psychische Belastungen und die Perspektivlosigkeit geredet. Ein Pflichtpunkt auch in dieser Einrichtung ist für die Flüchtlinge der Gang zum ärztlichen Dienst. Wir waren erfreut zu hören, daß es in Kürze einen Arzt und eine Ärztin geben wird, die die Eingangsunter-suchung machen. Dies war eine der Forderungen des letzten Jahres gewesen. Völlig unverändert war jedoch das Problem, daß es keinerlei Dolmetscher und Dolmetscherinnen bei dieser Untersuchung gibt und so Probleme kaum mitgeteilt werden können. Auch gab es Klagen, daß nicht genügend auf gesundheitliche Einzelprobleme eingegangen würde. Mehr als unzureichend schien uns auch die Weitergabe von Folterhinweisen im Arztbericht für das Asylverfahren. Das aber ist für Flüchtlinge sehr wichtig, wenn sie durch solche Hinweise ihre Schicksale bei der Anhörung untermauern können. Darauf muß in Zukunft sehr viel mehr geachtet werden. Wir sahen uns auch Zimmer und sanitäre Einrichtungen der Flüchtlinge an. Die 2-6-Bett-Zimmer der alten Kaserne sind lediglich mit durchgelegenen Betten, einem Stuhl, Tisch und Schrank ausgestattet. Die Flüchtlinge legen ihre Lebensmittel zum Kühlen im Winter auf das Fensterbrett, da es sonst keinerlei Kühlmöglichkeiten gibt. Auch wenn es sich bei der ZAST um eine alte Kasernenanlage handelt, so dürftig und traurig müßte es innerhalb der Häuser nicht aussehen! Für Männer wie Frauen gibt es Sam-melduschräume. Uns wurde erklärt, daß sich Frauen Schlüssel zum Abschließen ihrer Dusch- und Waschräume holen könnten. Wenn eine Frau jedoch abschließt, müssen alle anderen draußen warten. Auch gab es nicht an allen Toiletten und Waschanlagen Schilder zur deutlichen Trennung von Männer- und Frauentoiletten. Die vom betreuenden Arbeiter-Samariter-Bund viel gepriesene Die Teeküche der ZastTeeküche für die Flüchtlinge entpuppte sich als Automat für Heißgetränke in einem Raum, der von einem Flüchtling einige Stunden am Tag betrieben wird. Bei unserer letzten Begehung hatten wir eine Teeküche für die Flüchtlinge gefordert, hatten damit jedoch gemeint, daß es sich dabei selbstverständlich um Herdplatten, Töpfe, andere Küchengeräte und Kühlschränke handeln würde. Die Forderung danach wurde damals wie auch heute von vielen Eltern genannt, die ihren Kindern auch zwischendurch und nachts etwas warm machen möchten. Auch mögen oder vertragen viele Kinder nicht das Kantinenessen, und nur so hätten Eltern die Möglichkeit, ihren Kindern etwas zuzubereiten. Uns wurde zwar erklärt, daß man für die Kinder auch außerhalb der Essenszeiten etwas bekommen könne, jedoch meinten die Flüchtlinge, daß sie davon nichts wüßten, niemand in der Kantine sei oder dies an Sprachproblemen scheitere. Die Besuchergruppe konnte am gemeinsamen Essen mit den Flüchtlingen in der Kantine teilnehmen. Vor einem Jahr bekamen die Flüchtlinge ihr Essen noch in Alu-Schalen verpackt, ohne jegliche Möglichkeit Nachschlag zu bekommen. Dies hatte sich zum Teil geändert. Es gab jedoch weiterhin nur ein Essen. Vegetarier, Menschen aus dem moslemischen Kulturkreis und Kinder haben keine Alternative. So aßen neben uns am Tisch einige Menschen nur Reis, da sie das Chili con Carne als Vegetarier nicht essen mochten. Auch viele der kleinen Kinder saßen vor Tellern nur mit Reis, da für sie das Essen zu scharf war. Die Flüchtlinge beklagten auch, daß sie zum Teil bis zu einer Stunde für ihr Essen anstehen müßten, obwohl es im oberen Stockwerk einen zweiten ungenutzten Eßraum mit Ausgabe gibt. Eine gemeinsame Zusammenkunft mit vielen Flüchtlingen brachte weitere Mängel und viele Bitten zu tage, die wir dem zuständigen Landesamt weiterleiten und eine zügige Änderung fordern werden. Dazu gehörte das Problem, daß man mit 20,- DM Taschengeld in der Woche unmöglich Fahrten in die Lübecker Innenstadt machen, geschweige denn Anwälte davon bezahlen kann. Der Wunsch nach mehr Deutschunterricht auch für Erwachsene kam genauso wie die Hoffnung auf Be-schäftigungsmöglichkeiten wie fremd-sprachliche Bücher und Zeitungen. 
Rassismus zeigt sich nicht nur durch Pöbeleien gegen Ausländer auf der Straße, er ist auch da, wo man von Seiten des Bundes-/ Landesamtes für Asyl- und Ausländerangelegen-heiten Flüchtlingen in ihren ersten Monaten in Deutschland das Leben schwer macht. 

Heike Behrens Lübecker Flüchtlingsforum e.V.

 
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