Pressemitteilung des AJZ
Brand in der Heeper Straße
In der Nacht von Samstag, den 28.2. auf den 1.3.1998 hat es in
Bielefeld in der Heeper Straße 134 gebrannt. Gegen 1.30 Uhr bemerkten
BewohnerInnen des Hauses den Qualm und alarmierten über Rufe die
anderen BewohnerInnen. Wegen starker Rauchentwicklung war das
Verlassen der Wohnungen über das Treppenhaus nicht mehr möglich.
Da die Telefone nicht funktionierten, riefen sie aus dem Fenster
um Hilfe und baten BesucherInnen des benachbarten AJZ, die Feuerwehr
zu rufen. Bis zum Eintreffen der Feuerwehr kletterte die Familie
aus der Erdgeschoßwohnung ins Freie; die Kinder aus dem ersten
Stock wurden aus dem Fenster gelassen und unten von einem betroffenen
Familienvater und AJZ-BesucherInnen aufgefangen. Des weiteren
wurden eine Frau und ihr Sohn, die im Treppenhaus verzweifelt
um Hilfe riefen, von einer AJZ-Besucherin herausgeholt. Während
die Feuerwehr die Menschen aus dem oberen Stockwerk evakuierte
und mit den Löscharbeiten begann, wurde das Infocafé Anschlag für die Betroffenen als Aufenthaltsort zur Verfügung gestellt.
Zwei Frauen wurden ins Krankenhaus gebracht und die restlichen
ca. 35 Personen, von denen es sich bei mehr als der Hälfte um
Kinder und Säuglinge handelt, mußten medizinisch, mit Decken und
Getränken versorgt werden. Die Rettungssanitäter waren sehr um
das körperliche und psychische Wohl - vor allem der Kinder - bemüht.
Ansonsten wurden die freiwilligen HelferInnen mit der Versorgung
und Betreuung der Betroffenen eher allein gelassen.
Die Feuerwehr hatte den Brandherd im Keller schnell unter Kontrolle,
sie war dann darum bemüht, den Qualm aus den Wohnungen zu pumpen
und festzustellen, ob der Strom wieder angestellt werden kann
und die BewohnerInnen in ihre Wohnungen zurück konnten.
Der Einsatzleiter der Feuerwehr war sehr darum bemüht, Verständigung
und Koordination mit den Betroffenen herzustellen. Die Polizei
war im wesentlichen damit beschäftigt, die Heeper Straße mit zwei
Fahrzeugen abzusperren und mit zwei Beamten festszustellen, ob
die Familien vollständig und vor allem, wer der Eigentümer des
Hauses ist. Wer dann die Feuerwehr angerufen hat, fanden sie auch
sehr spannend.
Auskünfte von den Betroffenen aber interessierten weniger.
Brandsachverständige guckten sich dann noch kurz den Ort des Geschehens
an. Zur allgemeinen Verwunderung wurde das Brandhaus allerdings
nicht abgesperrt - die Eingangstür stand sperrangelweit auf. An
der Außentreppe zur kaputten Kellertür befindet sich ein Absperrband.
Der Brandherd wurde offen zugänglich von der Polizei verlassen.
Später tauchte ein Herr des Ordnungsamtes der Stadt Bielefeld
auf. Nachdem gegen ca. 3.00 Uhr endgültig klar war, daß die BewohnerInnen
erst einmal nicht in das Haus zurück können, entstand die Frage
der Unterbringung. Nur durch massiven Widerspruch seitens der
UnterstützerInnen konnte die Umsetzung der pragmatischen Lösung,
nämlich die Männer an einen, die Frauen an einen anderen Ort und
Kinder weiß nicht wo unterzubringen, verhindert werden. Unserer
Einschätzung nach war es für die Betroffenen zunächst wichtig,
mit allen zusammen zu sein, nach so einer traumatisierenden Erfahrung.
Daß die Familien nach einem solchen Ereignis zusammenbleiben wollen
und müssen, dürfte unbestritten sein.
Plötzlich waren alle weg: Polizei, Feuerwehr, Sanitäter - und
der Mann vom Ordnungsamt war unterwegs zur Unterkunftsuche. Die
Sanitäter mußten ihre Decken mitnehmen und im Infocafé saßen 35
Brandopfer teilweise im Nachthemd und barfuß, die nicht wußten,
wie es weitergeht. Nach einer guten halben Stunde tauchte der
Mann vom Ordnungsamt wieder mit der Information auf, daß es für
eine der Familien eine Unterkunft in der Beckhausstraße gebe und
sie sich da jetzt hinbegeben könnten. Die Frage nach dem wie wurde
mit einem knappen "zu Fuß beantwortet.
Opfer einer Brandkatastrophe, spärlich bekleidet und mit Kleinkindern
auf einen Fußmarsch quer durch die Stadt zu schicken, fanden die
UnterstützerInnen und die Betroffenen unzumutbar. Ein Bekannter,
der die tamilischen Personen bei sich aufnehmen wollte, erbot
sich zunächst, eine kurdische Familie in die Beckhausstraße zu
fahren. Damit waren eine kurdische Familie und einige der tamilischen
Menschen untergebracht.
Der Herr vom Ordnungsamt machte sich wieder auf den Heimweg und
kam nicht wieder. Die UnterstützerInnen fühlten sich mit den restlichen
zwei Familien alleingelassen, riefen Polizei, Rotes Kreuz, Bethel
und andere Stellen an und versuchten privat Unterbringungsmöglichkeiten
zu organisieren. Gegen kurz nach 5.00 Uhr kam die erlösende Information,
daß die Familien bis Montag in einer Notunterkunft in Brackwede
unterkommen können. Da mittlerweile keine privaten PKW mehr zur
Verfügung standen und irgendgeartete öffentliche Transporte wohl
nicht vorhanden waren, entschlossen sich die UnterstützerInnen,
Taxis zu bezahlen, damit die Familien die Chance hatten, irgendwann
auch zur Ruhe zu kommen.
Gerade in den letzten Monaten häufen sich Brandfälle, in denen
Mehrfamilienhäuser betroffen sind. Wenn alle Jubeljahre mal ein
Haus brennt oder mal eine Kleinfamilie betroffen ist, lassen sich
die Probleme ad hoc lösen. Der offensichtlich veränderten Situation
muß mit grundsätzlichen Lösungskonzepten begegnet werden. Aus
den gemachten Erfahrungen ergeben sich für die UnterstützerInnen
die folgenden Überlegungen und Forderungen:
ständige Bereithaltung eines Hauses für Opfer von Bränden
Einrichtung einer Struktur, die z.B. die Versorgung mit Decken,
Getränken, Essen, Fahrzeugen und die psychosoziale Betreuung gewährleisten
kann. Die BetreuerInnen sollten mit Kontakttelefonnummern von
DolmetscherInnen und SeelsorgerInnen ausgestattet sein
Auch eine Folgebetreuung der Opfer sollte gewährleistet sein.
Abschließend möchten wir die Frage aufwerfen, was passiert wäre,
wenn wir uns nicht zu den Opfern verhalten hätten. Wir bezweifeln
sehr, daß mit ihnen insgesamt angemessen und würdevoll umgegeangen
worden wäre. Einerseits ist unser Verhalten menschlich selbstverständlich.
Andererseits kann es aber nicht Aufgabe einer ansonsten bekämpften
Linken sein, städtisches Fehlverhalten zu korrigieren. Nicht das
Leisten unbezahlter Bildungs- und Sozialarbeit ist unser Ziel,
sondern die grundsätzliche Veränderung unserer Gesellschaft.
ArbeiterInnen Jugend Zentrum |