GegenDruck Nr. 21 - März 1998
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Demonstration in Legden:

Staatlichen Rassismus stoppen! Flüchtlingsrechte erkämpfen!

Das war das Motto der Demonstation am 14. Februar in Legden. Ein Bündnis aus regionalen Antifa- und Antirassismusgruppen, sowie Zeitungs-, Radio- und einer Infoladengruppe, rief auf, den Widerstand der Flüchtlinge gegen die rassistische und entwürdigende Ausgabe von Freßpaketen zu unterstützen. Rund 200 DemonstrantInnen waren nach Legden gekommen, um ein Bleiberecht für alle, die Anerkennung von sexualisierter und patriarchaler Gewalt als Fluchtgrund von Frauen und Geld statt Sachleistungen zu fordern.
Seit dem 1.6.1997 ist die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG) gültig. Diese Änderung besagt, kurz zusammengefaßt, daß es Kommunen und Gemeinden offen steht, Leistungen an Flüchtlinge in Form von Bargeld/Gutscheinen oder aber in Sachleistungen auszuzahlen. Es ist somit eine weitere Verschärfung der Situation für Flüchtlinge geschaffen worden.

Rassistischer Normalzustand

Auch in Legden zeigt sich der rassistische Normalzustand. Legden ist eine idyllische Gemeinde im Münsterland mit ca. 6.200 EinwohnerInnen und liegt etwa 8 km von Ahaus entfernt. Im Mai ‘97 beschloß der Rat der Gemeinde mit großer Mehrheit, den Flüchtlingen, die Leistungen nach dem AylblG beziehen, statt Gutscheinen Lebensmittelpakete zu verordnen. Legden war auch die erste Gemeinde, die die umstrittene Gutscheinpraxis einführte. Die Legdener Vorreiterrolle der Abschreckungpolitik wurde dannach in vielen Städten und Gemeinden als Praxis übernommen. Erneut übernahm jetzt die Gemeinde damit die Funktion eines zweifelhaften Pilotprojektes in NRW. Die Münsterland Zeitung kommentierte die Entscheidung wie folgt: "Daß die Umstellung von Gutscheinen auf Sachleistungen, mit der die Gemeinde keine Einsparung erzielt, Probleme mit sich bringen würde, sei bekannt gewesen, so Gemeindedirektor Kampmann, ,trotzdem halte ich diese Lüsung für besser.‘ Sie fördere sowohl die Erwerbsbereitschaft der Betroffenen als auch die Ausreisebereitschaft der abgelehnten Asylbewerber“. Hier zeigt sich die mangelnde Sachkenntnis, denn Flüchtlinge müssen lange auf ihre Arbeitserlaubnis warte, und wenn sie nach ihren Möglichkeiten Schwarzarbeit annehmen, ist das ja auch wieder keinem recht und es droht ihnen eine sofortige Abschiebung.

Geld statt Freßpakete

Am 1.8.1997 wurde die Sachleistungsregelung in Legden eingeführt. Die Pakete sollen einen Gegenwert von 25 DM haben, ihr tatsächlicher Wert beträgt allerdings nur ca. 13,70 DM. Zusammengestellt werden sie von einer Versorgungsfirma in Bayern und der Inhalt mutet eher wie eine Lebensmittelrestesammlung, denn als Vollverpflegung an. In einem der Pakete fand sich z.B. ein verfaulter Salatkopf, eine Konserve, die das Verfallsdatum überschritten hatte, Hering in Aspik, Reis, Speisestärke, Gehacktes, ein Fertignudelgericht und 2 Liter Mineralwasser für vier Tage. Erwachsene, mit Ausnahme von schwangeren Frauen, bekommen grundsätzlich kein Obst. Abgesehen von der willkürlichen Zusammenstellung der Pakete wird auf Ernährungsgewohnheiten, z.B. vegetarisch oder schweinefleischfrei, keine Rücksicht genommen. Nach den ersten Paketen verweigerten die Flüchtlinge jede weitere Annahme und lebten von den kargen 80,- Tascchengeld.
Im Oktober stimmte der Hauptaussschuß der Gemeinde für eine Beibehaltung der Sachleistungsregelung. Aufgrund der Verschlechterung der Lebenssituation der Flüchtlinge ist ein großer Teil der Flüchtlinge jedoch gezwungen, die Pakete anzunehmen.
Zwei Familien, die ihren Protest fortsetzten, wurde im November ‘97 ihre Mietwohnungen durch die Gemeinde gekündigt. Die Unterbringung der rund 20 Personen soll in zwei je 30 qm kleinen Wohncontainern erfolgen. Die zynische Begründung lautete: sparen. Durch die Tatsache, daß der Unterhalt der Container teurer ist als der Unterhalt der Mietwohnung, stellt sich die Frage woran gespart werden soll. Offensichtlich geht es nicht um die Geldersparnis, sondern um eine Disziplinierungesmaßnahme für aufmüpfige Flüchtlinge. In dieser Hinsicht ist die Gemeinde Legden äußerst großzügig. Im Januar `98 drohte sie, den Flüchtlingen die die Annahme der Pakete weiterhin verweigern, das ihnen zustehende Tascchengeld zu kürzen oder zu streichen, wenn sie ihren Widerstand nicht aufgeben würden.

Interesse versus Ignoranz

Bei der dreistündigen Demonstration wurde deutlich, daß der größte Teil der BewohnerInnen Legdens hinter der rassistischen Politik der Gemeinde steht. Reaktion von einem vorbeieilenden Rentner war die bekannte Aufforderung: "Geht arbeiten“, auch der Hinweis der DemonstrantInnen, daß es sich um einen Samstag handle, rief bei ihm nur ein Abwinken hervor. Andere Kommentare waren: "ich muß arbeiten, und habe keine Zeit“ sprachs und fegte den ohnehin schon lupenreinen Hauseingang, oder "viele der DemonstrantInnen kommen doch gar nicht aus Legden“. Was hier auf den ersten Blick wie eine Rechtfertigung für eine nicht geführte Auseinandersetzung aussieht ist auch eine. Sie zeigt die Ignoranz für die Situation der Flüchtlinge, die im Legden zusammen mit UnterstützerInnen gegen die staatlich legitimierte Abschottungs- und Abschreckungspolitik und für eine Verbesserung ihrer Lebenssituation kämpfen.

Toni

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