Eine Zusammenfassung der Ereignisse um den "Drogenpavillion
Gehe über Los und ziehe nichts ein -
und wer hat die Schloßallee?
Momentan ist Ruhe eingekehrt um die Einrichtung der Kontaktstelle
für Abhängige von illegalisierten Drogen. Geeignete Räumlichkeiten
scheinen gefunden, die letzten Klagen von AnwohnerInnen sind abgewiesen,
der ehemalige "Drogenpavillion ist abgerissen, die mobile Polizeiwache
vor der Drogenberatungsstelle ist abgerückt und die Kontaktstelle
steht kurz vor der Eröffnung.
Erhitzten sich noch vor wenigen Wochen die Gemüter, wurden bei
jedem neuen möglichen Standortvorschlag der Kontaktstelle eiligst
Nachbarschafts- und Bürgerinitiativen gebildet (gd berichtete).
ChefInnen mit AbeiterInnen, LehrerInnen mit SchülerInnen, Alternative
mit Konservativen und Liberalen empörten sich gemeinsam, zwar
mit teilweise unterschiedlichen Argumenten, dennoch gegen eine
Kontaktstelle in ihrer Nähe.
Ach, tut das gut, wenn die Massen, so in einer Linie, gemeinsam
ihre Meinung vertreten. Das hat so einen Hauch von Demokratie,
ihr wißt schon, da wo jeder mit der Faust auf den Tisch hauen
darf und sagen: so nich, nicht mit mir und nicht hier und jetzt,
alles andere ist mir schnuppe. Und wenn ganz viele hauen, nein,
dann gibt es kein Erdbeben, dann haben sie eine Mehrheit. Und
die Mehrheit gewinnt in der heutigen Demokratie. Immer. Also ist
doch ganz einfach, kräftig mitgehauen, auf den Tisch, versteht
sich, oder du gehörst zur Verliererseite. Da wirste dann meistens
im Regen stehengelassen. Wörtlich. Im Regen der Besserwisserei,
was sich gehört und was nicht, und das es eh schon vorher klar
war, daß man mit solchen spinnerten Ideen nicht weit kommt.
Scherz beiseite, zurück zum ernsten Thema und die Highlights kommen
wie erwartet erst am Schluß.
Die letztendliche Entscheidung des Stadtrates für die Einrichtung
der Kontaktstelle im Veterinäramt ist natürlich nicht ohne Befriedungszugeständnisse
zugunsten der eigentumschützenden Initiativen gefallen. Die Maßgaben,
unter denen ein Entscheidung herbeigeführt werden konnte, sollen
binnen sechs Monaten nach Inbetriebnahme umgesetzt worden sein,
ansonsten soll der Standort aufgegeben werden. Zu den einfach
zu erfüllenden Maßgaben gehört, daß nur BielefelderInnen "betreut
werden sollen. Fragt man nach dem Sinn, kommt man hier auf den
Gedanken, daß der Fetisch Sparen zugeschlagen hat, illegalisierte
Drogen als ein "Großstadt-problem ausgemacht werden und auswärtige
BesucherInnen der Einrichtung schlechte Karten haben, da es auf
dem Land keine vergleichbaren Einrichtungen gibt.
Desweiteren soll ein Nachbarschaftsbeirat gebildet werden. Unklar
ist welche Funktionen oder Befugnisse dieser haben soll. Also
ein Mitsprache- und Entscheidungsrecht oder die Ausrichtung einer
Selbsthilfegruppe gegen die Ängste der "betroffenen AnwohnerInnen.
Als letzter Punkt findet sich einer, der am schwierigsten einzuschätzen
und damit eine sehr streitbare Maßgabe ist. Es soll eine offene,
unkontrollierte Szene in Bielefeld vermieden werden. Nicht geäußert
wurde sich bislang, wie und wer das beurteilt oder beurteilen
kann. Es braucht also nur jemand auf die Idee kommen, eine Gruppe
Menschen an einer nahegelegenen Staßenecke, die von den Äußerlichkeiten(!)
als der Szene zugehörig identifziert werden können, als Beweis
für eine offene Szene halten, da sich diese ja nicht mehr auf
dem ihnen zugewiesenen öffentlichen Gelände befinden.
Der Einrichtung von sogenannten "Fixerstuben oder Gesundheitsräumen,
in denen sich in einer hygienisch akzeptablen Umgebung ein "Schuß
gesetzt und gebrauchte Spritzen gegen sterile getauscht werden
können, wurde aus mehreren Gründen, unter anderem der rechtlichen
Grauzone, abgelehnt. Der Kommentarschreiber des Westfalenblatts,
Manfred Matheisen, begrüßte das Querstellen der CDU mit folgenden
Worten: "Wenn die Stadt selbst - oder ein von ihr beauftragter
Träger - Räume bereitstellt, in denen sich Süchtige Spritzen setzen
dürfen, wie will man jungen Leuten dann noch klar machen, daß
Drogen Leben vernichten können? Abgesehen davon, daß junge Leute
vermutlich weniger zu seinem Leserklientel gehören, sei im geraten,
wenn er schon auf die lebensgefährdende Wirkung von Drogen hinauswill,
es anhand von den bisher öffentlich erlaubten und geförderten
Drogen, wie Alkohol oder Nikotin zu erklären.
Diese Aufgabe sollen eigentlich StudentInnen der Fachhochschule
für Sozialwesen in Bielefeld erlernen und übernehmen. Das haben
sie auch ganz gut raus, deshalb konnte die Studentische Initiative
die Zusammenhänge und den Status der Abhängigen von illegalisierten
Drogen ihrem Dekan erklären. "Ein kausaler Zusammenhang, daß Abhängige
gleichsam kriminell seien, ist nicht existent, da sie erst durch
gesellschaftliche Lebensbedingungen kriminalisiert werden. Typisch
für die in der Stellungnahme propagierte -offene Hochschule- ist,
daß die Realität, die konkreten Lebensbedingungen ausgeblendet
werden. Statt menschliche Lebensverhältnisse für alle Menschen
zu schaffen, wird ein Menschenbild vertreten, daß den Menschen
auf ein einziges Merkmal reduziert (z.B. Abhängigkeit) und marginalisierte
Gruppen ausgrenzt. Die Konsequenz daraus bedeutet, daß diese Randgruppen
und Minderheiten gegeinander ausgespielt und durch das Kapital
instrumentalisiert werden ("Der nützliche Feind Junkie). Aus
einer solchen Logik zielen elitäre Bevölkerungsgruppen ihren Nutzen.
Diesem Brief war eine Tischvorlage vorausgegangen, indem der gelplante
Standort in der ehemaligen Kaserne begrüßt wurde, der wollte der
Dekan aber aus folgenden Gründen nicht zustimmen: "Die geplante
Einrichtung eines "Drogenpavillons im gleichen Gebäudekomplex
ist bei allem Verständnis für die Notwendigkeit eines Hilfsangebotes
für Drogenabhängige mit dieser Zielsetzung (der Hochschule - die
Redaktion) nicht vereinbar. Wie die Erfahrungen der Fachhochschule
Bielefeld an einem früheren Standort und die Erfahrungen andernorts
gezeigt haben, ist ein "Dorgenpavillion nicht nur mit dem Aufenthalt
von Drogenabhängigen im Pavillion selbst verbunden, sondern führt
zu einer Konzentration von Drogenabhängigen und möglicherweise
auch von Dealern sowie zu Beschaffungskriminalität in einem größeren
Radius um diese Einrichtung.
Die Erklärungen der StudentInnen konnte oder wollte der Dekan
Prof. Dr. Heinz Neuser allerdings dann doch nicht verstehen. Die
StudentInnen forderten daraufhin verständlicherweise seinen Rücktritt,
sie konnten ja auch nichts Konstruktives bei ihm lernen.
Auch in einigen anderen sozialen Einrichtungen wunderte man sich
über die Haltung des Dekans. Das blieb allerdings nicht ohne Folgen,
leider im wesentlichen für die StudentInnen.
Die Leitung der Psychiatrischen Klinik Gilead in Bethel stellte
zunächst die Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Bielefeld ein,
d. h. es werden keine Praktikumsplätze zur Verfügung gestellt,
keine Beratung durchgeführt und keine Diplomarbeiten begleitet.
Der Kreis 74, das IBZ, das Antidiskriminierungs Büro und der Bielefelder
Flüchtlingsrat werden der Fachhochschule Bielefeld zunächst für
ein Jahr keine Praktikumsplätze zur Verfügung stellen.
Toni |