Der ausgebliebene Golfkrieg und die deutsche Gelassenheit
Marines nicht zu haus
Der dritte Golfkrieg ist ausgeblieben. Die jüngste Krise, die
vordergründig aus der Auseinandersetzung um die UNO-Kontrollteams
entstanden war, verflüchtigte sich nach der Unterzeichnung eines
Dokumentes durch den UN-Generalsekretär Kofi Annan und den irakischen
Außenminister Tarik Asiz in Wohlgefallen. Der Irak sah seine "nationale Würde gewahrt, die USA zeigten sich "nach eingehender Prüfung der Vereinbarungen "durchaus zufrieden
wie US-Außenministerin Madelaine Albright verlauten ließ.
Eine Entwicklung, die sich nach den militärischen Drohgebärden
der USA - die auch die als "allerletzte Chance titulierte Verhandlungsmission Annans skeptisch beurteilten und
sich bei Nichtgefallen einer Vereinbarung einen Militärschlag
auch ohne UN-Mandat vorbehalten hatten - nur als strategische
Niederlage der US-Administration gewertet werden kann. Führten
90/91 die USA noch eine denkbar breite Anti-Irak Koalition an,
so beschränkte sich die Gefolgschaft dieses Mal im wesentlichen
auf Großbritannien. Die anderen ehemaligen Verbündeten übten sich
in Zurückhaltung, wenn sie nicht gar zum propagandistischen Gegenschlag
ausholten, der einen sichtlich derangierten Boris Jelzin bis zu
der Drohung führte, Bill Clinton provoziere am Golf einen Weltkrieg.
Obgleich die erzielte Einigung letztlich die wesentlichen Forderungen
der USA erfüllt und selbst der umstrittene Chef der Kontrollkommission,
Butler, im Amt geblieben ist, hat sich gezeigt, daß die USA in
Zukunft verstärkt damit rechnen müssen, daß andere Staaten ihre
Interessen gegen die USA durchsetzen.
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Marines allein am Golf |
Kalte Schulter für Clinton
Was die BRD betrifft, zeigt sich dabei eine durchaus konsequente
Entwicklung. Wurde noch 1990 eine deutsche Beteiligung an der
Golfkriegsallianz allenthalben angepriesen und schließlich die
Entsendung von etwas über 3000 deutschen Soldaten in die Türkei
im Spiegel als größter deutscher Militäreinsatz Deutschlands außerhalb des
eigenen Territoriums seit dem zweiten Weltkrieg abgefeiert, so
zeigte die Bundesregierung den USA diesesmal die kalte Schulter.
Dies verweist darauf, daß es inzwischen nicht mehr darum geht,
die BRD als handlungsfähige internationale Macht darzustellen,
sondern die wiedergewonnene Handlungsfähigkeit in eine konsequent
auf nationale Interessen gerichtete Außenpolitik umzusetzen. Die
rüde Brüskierung amerikanischer Diplomaten auf der Münchner Wehrkundetagung
durch Kohl spricht eine deutliche Sprache: in Zukunft werden sich
die europäischen Staaten, namentlich Deutschland und Frankreich,
ihre eigene Strategie zurechtlegen. Es ist kein Zufall, daß sich
mit Großbritannien ausgerechnet der Staat auf die Seite der USA
geschlagen hat, der der Achse Deutschland-Frankreich kritisch
gegenübersteht.
Interessanterweise entspricht die hiesige Kommentierung der Ereignisse
ziemlich genau dieser Entwicklung. Gegenüber den hitzigen Auseinandersetzungen,
die sowohl die bürgerlichen Medien als auch die Linke in Bellizisten
und Pazifisten spaltete, zeichneten sich Berichterstattung und
Debatte diesesmal durch eine fast provozierende Lässigkeit aus.
Fernsehberichte über die Verteilung von Gasmasken an die israelische
Zivilbevölkerung verzichteten an keiner Stelle auf den Hinweis,
daß die Stimmung in Israel "gelassen sei, mit Ausnahme einiger kleinerer Demonstrationen gab es keine
friedensbewegten Aktionen und die sogenannte "Levinsky-Affäre
Clintons hielt sich hartnäckig in den Medien - z.T. als möglicher
Kriegsgrund, immer aber mit hämischen Unterton. Wo vor sieben
Jahren Transparente mit der Aufschrift "Dieser Krieg ist nicht unser Krieg hochgehalten wurde, transportierte Kohls halbherzig vorgetragene
Bündnistreuebeschwörung nun dieselbe Botschaft.
Vom Staatsmann zum Irren und zurück
Diese neue Gelassenheit verweist auf den hohen Grad an Zustimmung
für eine Außenpolitik, die konsequent nationale Interessen verfolgt
und entlarvt im nachhinein noch einmal das humanitäre Mäntelchen,
daß sich die Interventionspolitik der Bundesregierung bei bisherigen
Militäraktionen noch umzuhängen pflegte - die Entwaffnung des
Irak ist nicht im Interesse der deutschen Außenpolitik. Dazu paßt
der Versuch, die Aufhebung des Embargos gegen den Irak als Gegenleistung
für eine Duldung der UN-Inspekteure ins Spiel zu bringen. Miliardenschwere
Aufträge im Irak sind bereits abgeschlossen, die beteiligten Konzerne
- vor allem, welche Überraschung, deutsche und französische -
warten nur noch auf das Ende der Handelsbeschränkungen. Da überrascht
es nicht, daß Saddam Hussein in den deutschen Medien vom "Irren am Golf, dem "neuen Hitler, zum jovialen Staatsmann (zurück)mutiert, der mit "diplomatischem Geschick um die Lockerung des Embargos "pokert.
Eignete sich also der Golfkrieg 90/91 zur emotionsgeladenen Parteinahme,
wahlweise für "Freiheit und Demokratie, für "den Frieden oder gegen Saddam Hussein, so entkleiden die Konflikte der globalen
innerkapitalistischen Konkurrenz sich selbst ihrer ideologischen
Bemäntelung. Wo es vor allem darum geht, wer wem das Geschäft
verdirbt, eignen sich die universellen Werte der "Weltgemeinschaft immer weniger zur Vermittlung.
Wolfgang P. Müller |