GegenDruck Nr. 21 - März 1998
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Der ausgebliebene Golfkrieg und die deutsche Gelassenheit

Marines nicht zu haus …

Der dritte Golfkrieg ist ausgeblieben. Die jüngste Krise, die vordergründig aus der Auseinandersetzung um die UNO-Kontrollteams entstanden war, verflüchtigte sich nach der Unterzeichnung eines Dokumentes durch den UN-Generalsekretär Kofi Annan und den irakischen Außenminister Tarik Asiz in Wohlgefallen. Der Irak sah seine "nationale Würde“ gewahrt, die USA zeigten sich "nach eingehender Prüfung der Vereinbarungen“ "durchaus zufrieden“ wie US-Außenministerin Madelaine Albright verlauten ließ.
Eine Entwicklung, die sich nach den militärischen Drohgebärden der USA - die auch die als "allerletzte Chance“ titulierte Verhandlungsmission Annans skeptisch beurteilten und sich bei Nichtgefallen einer Vereinbarung einen Militärschlag auch ohne UN-Mandat vorbehalten hatten - nur als strategische Niederlage der US-Administration gewertet werden kann. Führten 90/91 die USA noch eine denkbar breite Anti-Irak Koalition an, so beschränkte sich die Gefolgschaft dieses Mal im wesentlichen auf Großbritannien. Die anderen ehemaligen Verbündeten übten sich in Zurückhaltung, wenn sie nicht gar zum propagandistischen Gegenschlag ausholten, der einen sichtlich derangierten Boris Jelzin bis zu der Drohung führte, Bill Clinton provoziere am Golf einen Weltkrieg.
Obgleich die erzielte Einigung letztlich die wesentlichen Forderungen der USA erfüllt und selbst der umstrittene Chef der Kontrollkommission, Butler, im Amt geblieben ist, hat sich gezeigt, daß die USA in Zukunft verstärkt damit rechnen müssen, daß andere Staaten ihre Interessen gegen die USA durchsetzen.

… Marines allein am Golf

Kalte Schulter für Clinton

Was die BRD betrifft, zeigt sich dabei eine durchaus konsequente Entwicklung. Wurde noch 1990 eine deutsche Beteiligung an der Golfkriegsallianz allenthalben angepriesen und schließlich die Entsendung von etwas über 3000 deutschen Soldaten in die Türkei im Spiegel als größter deutscher Militäreinsatz Deutschlands außerhalb des eigenen Territoriums seit dem zweiten Weltkrieg abgefeiert, so zeigte die Bundesregierung den USA diesesmal die kalte Schulter. Dies verweist darauf, daß es inzwischen nicht mehr darum geht, die BRD als handlungsfähige internationale Macht darzustellen, sondern die wiedergewonnene Handlungsfähigkeit in eine konsequent auf nationale Interessen gerichtete Außenpolitik umzusetzen. Die rüde Brüskierung amerikanischer Diplomaten auf der Münchner Wehrkundetagung durch Kohl spricht eine deutliche Sprache: in Zukunft werden sich die europäischen Staaten, namentlich Deutschland und Frankreich, ihre eigene Strategie zurechtlegen. Es ist kein Zufall, daß sich mit Großbritannien ausgerechnet der Staat auf die Seite der USA geschlagen hat, der der Achse Deutschland-Frankreich kritisch gegenübersteht.
Interessanterweise entspricht die hiesige Kommentierung der Ereignisse ziemlich genau dieser Entwicklung. Gegenüber den hitzigen Auseinandersetzungen, die sowohl die bürgerlichen Medien als auch die Linke in Bellizisten und Pazifisten spaltete, zeichneten sich Berichterstattung und Debatte diesesmal durch eine fast provozierende Lässigkeit aus. Fernsehberichte über die Verteilung von Gasmasken an die israelische Zivilbevölkerung verzichteten an keiner Stelle auf den Hinweis, daß die Stimmung in Israel "gelassen“ sei, mit Ausnahme einiger kleinerer Demonstrationen gab es keine friedensbewegten Aktionen und die sogenannte "Levinsky-Affäre“ Clintons hielt sich hartnäckig in den Medien - z.T. als möglicher Kriegsgrund, immer aber mit hämischen Unterton. Wo vor sieben Jahren Transparente mit der Aufschrift "Dieser Krieg ist nicht unser Krieg“ hochgehalten wurde, transportierte Kohls halbherzig vorgetragene Bündnistreuebeschwörung nun dieselbe Botschaft.

Vom Staatsmann zum Irren und zurück

Diese neue Gelassenheit verweist auf den hohen Grad an Zustimmung für eine Außenpolitik, die konsequent nationale Interessen verfolgt und entlarvt im nachhinein noch einmal das humanitäre Mäntelchen, daß sich die Interventionspolitik der Bundesregierung bei bisherigen Militäraktionen noch umzuhängen pflegte - die Entwaffnung des Irak ist nicht im Interesse der deutschen Außenpolitik. Dazu paßt der Versuch, die Aufhebung des Embargos gegen den Irak als Gegenleistung für eine Duldung der UN-Inspekteure ins Spiel zu bringen. Miliardenschwere Aufträge im Irak sind bereits abgeschlossen, die beteiligten Konzerne - vor allem, welche Überraschung, deutsche und französische - warten nur noch auf das Ende der Handelsbeschränkungen. Da überrascht es nicht, daß Saddam Hussein in den deutschen Medien vom "Irren am Golf“, dem "neuen Hitler“, zum jovialen Staatsmann (zurück)mutiert, der mit "diplomatischem Geschick“ um die Lockerung des Embargos "pokert“.
Eignete sich also der Golfkrieg 90/91 zur emotionsgeladenen Parteinahme, wahlweise für "Freiheit und Demokratie“, für "den Frieden“ oder gegen Saddam Hussein, so entkleiden die Konflikte der globalen innerkapitalistischen Konkurrenz sich selbst ihrer ideologischen Bemäntelung. Wo es vor allem darum geht, wer wem das Geschäft verdirbt, eignen sich die universellen Werte der "Weltgemeinschaft“ immer weniger zur Vermittlung.

Wolfgang P. Müller

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