GegenDruck Nr. 22 - April 1998
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Wanderausstellung über Frauen im KZ Ravensbrück

Schwestern, vergeßt uns nicht!

Die Wanderausstellung "Schwestern, vergeßt uns nicht!“ des Studienkreises Deutscher Widerstand berichtet über Frauen in den Konzentrationslagern Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück.
Dabei sind es vor allem die Biographien unbekannt gebliebener Frauen, ihr Leben, ihr Kampf, ihr vielfältiger Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft und auch ihr Sterben, die in dieser Ausstellung exemplarisch dargestellt und gewürdigt werden. Sie dokumentiert das Schicksal von Frauen, die als Jüdinnen, Sintezze oder Romanja, Zwangsarbeiterinnen, Widerstandskämpferinnen und sogenannte Kriminelle in die KZs getrieben wurden; von Frauen, die Opfer pseudomedizinischer Versuche, Zwangsprostitution und Vergewaltigung wurden; von Frauen, die wegen verbotener Liebesbeziehungen verhaftet wurden.
Begleitet wird die Ausstellung, die vom 19. April bis zum 9. Mai in der Bürgerwache am Siegfriedplatz und vom 11.­15. Mai im Audi-Min der Universität zu sehen ist, von einem vielfältigen Rahmenprogramm, in dem vor allem Zeitzeuginnen zu Wort kommen.
Gertrud Müller eröffnet die Ausstellung am 19. April. Sie war Widerstandskämpferin im Nationalsozialismus und selbst in Ravensbrück inhaftiert. Heute ist sie Vorsitzende der Lagergemeinschaft Ravensbrück.
Anna Mettbach schildert die Lagerrealität aus der Perspektive einer Sintezza. Als 16jährige wurde sie nach Auschwitz deportiert. Sie berichtet über die Völkermordverbrechen der Nationalsozialisten an den Sinti und Roma und den mörderischen Auswirkungen von Ausgrenzung und Rassismus.
Diese Frauen ermöglichen uns durch ihre Berichte einen authentischen Einblick in die von ihnen erlebte Zeit. Die Auseinandersetzung mit den damaligen Ereignissen aus der Perspektive der Zeitzeuginnen bietet uns die Chance, Verantwortung für die eigene Geschichte zu übernehmen und der kollektiven Verdrängung der Zeit des Nationalsozialismus entgegenzuwirken.
Die Historikerinnen Simone Erpel und Grit Philipp werden uns, ergänzend zu den Berichten der Zeitzeuginnen, einen Einblick in die Geschichte, in Fakten und Geschehnisse des KZ Ravensbrück geben. Aber kann die Aneinanderreihung von Fakten auch nur annähernd den "Lageralltag“ beschreiben? Gab es einen Alltag inmitten des Massenmordes? Diesen und anderen Fragen kann in einer Diskussion mit den beiden Historikerinnen nachgegangen werden.
Auch der Vortrag von Ursula Krause-Schmitt, ebenfalls Historikerin und Waltraud Blass, einer Zeitzeugin, beschäftigt nicht ausschließlich mit der Vergangenheit. Vielmehr wird hier aufgezeigt, inwiefern die Vergangenheit Gegenwart ist: Waltraud Blass berichtet von ihrer Entschädigunsklage gegen die Firma Siemens, für die sie im KZ Ravensbrück arbeiten mußte.
Doch nicht nur dieser Bezug zur Gegenwart veranlaßt uns dazu, die Ursachen, Formen und Auswirkungen des Nationalsozialismus öffentlich zu thematisieren. Das Klima in unserer Gesellschaft wird zunehmend durch Ausgrenzung, Konkurrenzverhalten, Entsolidarisierung und Abschottung nach außen geprägt. In diesem Zusammenhang steht eine ausländerInnenfeindliche Politik, gekennzeichnet z.B. durch die de facto Abschaffung des Asylrechts oder die gerade verabschiedete Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, die vielen Flüchtlingen die Lebensgrundlage entzieht.
Diese Politik schafft ein Klima für Rechtsextremismus und damit verbundene Angriffe, die sich vor allem gegen AusländerInnen, Lesben, Schwule, Behinderte und Andersdenkende richten.
Auch rechtskonservatives Gedankengut kann mittlerweile wieder frei geäußert und publiziert werden. In diesem Zusammenhang steht zum einen die starke "Protestwelle“ gegen die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht ­ das sogenannte Protestspektrum reicht von NeofaschistInnen bis in die etablierten Parteien hinein ­ und zum anderen die Verbreitung revisionistischer Theorien, die die Existenz von Konzentrationslagern und ihre Funktion leugnen.
Deshalb betrachten wir deutschen Faschismus nicht als ein abgeschlossenes Kapitel, sondern sehen eine Kontinuität bis in die Gegenwart hinein.
Der Entschluß, gerade die Ausstellung "Schwestern, vergeßt uns nicht!“ in Bielefeld zu zeigen, ist auch aus einem anderen Anliegen heraus entstanden: Frauen werden als Teil von Geschichte und Gegenwart häufig ignoriert und oft nur in klischeehafter Weise am Rande erwähnt. Somit ist es unerläßlich, die Realität von Frauen ­ sowohl als Gefangene wie auch als Täterinnen ­ im Nationalsozialismus zu thematisieren. Noch immer ist viel zu wenig über den im Nationalsozialismus geleisteten Widerstand bekannt; vor allem die Tatsache, daß Frauen sich mit den verschiedensten Mitteln dem Hitlerregime widersetzten, wird sowohl in der Forschung als auch in der (schulischen und universitären) Lehre kaum berücksichtigt.
Der vielfältige und kreative Widerstand, der von Frauen im Nationalsozialismus geleistet wurde, bedeutet für uns auch die Verpflichtung, uns Rassismus und Sexismus in unserer Gesellschaft entgegenzustellen. Unser Ziel ist es, durch die Ausstellung und das Rahmenprogramm die Auseinandersetzung mit Faschismus heute voranzutreiben.
Wir wollen zum Widerstand gegen die Ausgrenzungs-, Selektions- und Unterdrückungsmechanismen unserer Gesellschaft aufrufen.
Deshalb: Kein Vergessen! Kein Vergeben!

Frauenprojekt "Erinnern an Ravensbrück“

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