Wanderausstellung über Frauen im KZ Ravensbrück
Schwestern, vergeßt uns nicht!
Die Wanderausstellung "Schwestern, vergeßt uns nicht! des Studienkreises Deutscher Widerstand berichtet über Frauen
in den Konzentrationslagern Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück.
Dabei sind es vor allem die Biographien unbekannt gebliebener
Frauen, ihr Leben, ihr Kampf, ihr vielfältiger Widerstand gegen
die Nazi-Herrschaft und auch ihr Sterben, die in dieser Ausstellung
exemplarisch dargestellt und gewürdigt werden. Sie dokumentiert
das Schicksal von Frauen, die als Jüdinnen, Sintezze oder Romanja,
Zwangsarbeiterinnen, Widerstandskämpferinnen und sogenannte Kriminelle
in die KZs getrieben wurden; von Frauen, die Opfer pseudomedizinischer
Versuche, Zwangsprostitution und Vergewaltigung wurden; von Frauen,
die wegen verbotener Liebesbeziehungen verhaftet wurden.
Begleitet wird die Ausstellung, die vom 19. April bis zum 9. Mai
in der Bürgerwache am Siegfriedplatz und vom 11.15. Mai im Audi-Min
der Universität zu sehen ist, von einem vielfältigen Rahmenprogramm,
in dem vor allem Zeitzeuginnen zu Wort kommen.
Gertrud Müller eröffnet die Ausstellung am 19. April. Sie war
Widerstandskämpferin im Nationalsozialismus und selbst in Ravensbrück
inhaftiert. Heute ist sie Vorsitzende der Lagergemeinschaft Ravensbrück.
Anna Mettbach schildert die Lagerrealität aus der Perspektive
einer Sintezza. Als 16jährige wurde sie nach Auschwitz deportiert.
Sie berichtet über die Völkermordverbrechen der Nationalsozialisten
an den Sinti und Roma und den mörderischen Auswirkungen von Ausgrenzung
und Rassismus.
Diese Frauen ermöglichen uns durch ihre Berichte einen authentischen
Einblick in die von ihnen erlebte Zeit. Die Auseinandersetzung
mit den damaligen Ereignissen aus der Perspektive der Zeitzeuginnen
bietet uns die Chance, Verantwortung für die eigene Geschichte
zu übernehmen und der kollektiven Verdrängung der Zeit des Nationalsozialismus
entgegenzuwirken.
Die Historikerinnen Simone Erpel und Grit Philipp werden uns,
ergänzend zu den Berichten der Zeitzeuginnen, einen Einblick in
die Geschichte, in Fakten und Geschehnisse des KZ Ravensbrück
geben. Aber kann die Aneinanderreihung von Fakten auch nur annähernd
den "Lageralltag beschreiben? Gab es einen Alltag inmitten des
Massenmordes? Diesen und anderen Fragen kann in einer Diskussion
mit den beiden Historikerinnen nachgegangen werden.
Auch der Vortrag von Ursula Krause-Schmitt, ebenfalls Historikerin
und Waltraud Blass, einer Zeitzeugin, beschäftigt nicht ausschließlich
mit der Vergangenheit. Vielmehr wird hier aufgezeigt, inwiefern
die Vergangenheit Gegenwart ist: Waltraud Blass berichtet von
ihrer Entschädigunsklage gegen die Firma Siemens, für die sie
im KZ Ravensbrück arbeiten mußte.
Doch nicht nur dieser Bezug zur Gegenwart veranlaßt uns dazu,
die Ursachen, Formen und Auswirkungen des Nationalsozialismus
öffentlich zu thematisieren. Das Klima in unserer Gesellschaft
wird zunehmend durch Ausgrenzung, Konkurrenzverhalten, Entsolidarisierung
und Abschottung nach außen geprägt. In diesem Zusammenhang steht
eine ausländerInnenfeindliche Politik, gekennzeichnet z.B. durch
die de facto Abschaffung des Asylrechts oder die gerade verabschiedete
Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, die vielen Flüchtlingen
die Lebensgrundlage entzieht.
Diese Politik schafft ein Klima für Rechtsextremismus und damit
verbundene Angriffe, die sich vor allem gegen AusländerInnen,
Lesben, Schwule, Behinderte und Andersdenkende richten.
Auch rechtskonservatives Gedankengut kann mittlerweile wieder
frei geäußert und publiziert werden. In diesem Zusammenhang steht
zum einen die starke "Protestwelle gegen die Ausstellung über
die Verbrechen der Wehrmacht das sogenannte Protestspektrum
reicht von NeofaschistInnen bis in die etablierten Parteien hinein
und zum anderen die Verbreitung revisionistischer Theorien,
die die Existenz von Konzentrationslagern und ihre Funktion leugnen.
Deshalb betrachten wir deutschen Faschismus nicht als ein abgeschlossenes
Kapitel, sondern sehen eine Kontinuität bis in die Gegenwart hinein.
Der Entschluß, gerade die Ausstellung "Schwestern, vergeßt uns nicht! in Bielefeld zu zeigen, ist auch aus einem anderen Anliegen heraus
entstanden: Frauen werden als Teil von Geschichte und Gegenwart
häufig ignoriert und oft nur in klischeehafter Weise am Rande
erwähnt. Somit ist es unerläßlich, die Realität von Frauen sowohl
als Gefangene wie auch als Täterinnen im Nationalsozialismus
zu thematisieren. Noch immer ist viel zu wenig über den im Nationalsozialismus
geleisteten Widerstand bekannt; vor allem die Tatsache, daß Frauen
sich mit den verschiedensten Mitteln dem Hitlerregime widersetzten,
wird sowohl in der Forschung als auch in der (schulischen und
universitären) Lehre kaum berücksichtigt.
Der vielfältige und kreative Widerstand, der von Frauen im Nationalsozialismus
geleistet wurde, bedeutet für uns auch die Verpflichtung, uns
Rassismus und Sexismus in unserer Gesellschaft entgegenzustellen.
Unser Ziel ist es, durch die Ausstellung und das Rahmenprogramm
die Auseinandersetzung mit Faschismus heute voranzutreiben.
Wir wollen zum Widerstand gegen die Ausgrenzungs-, Selektions-
und Unterdrückungsmechanismen unserer Gesellschaft aufrufen.
Deshalb: Kein Vergessen! Kein Vergeben!
Frauenprojekt "Erinnern an Ravensbrück |