GegenDruck Nr. 22 - April 1998
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Neue Arbeitskonzepte - alte Ausbeutung

Arbeit für alle - schade eigentlich

Jeden Monat zur Veröffentlichung der neuen offiziellen Arbeitslosigkeitsstatistiken, in diesem Monat wahrscheinlich am 7. April, haben Arbeitsloseninitiativen bundesweit zu Protesten aufgerufen.
Ihre Forderung "Jobs und Geld für alle“ richtet sich vor allem an die Adresse der parlamentarischen Politik. Nicht mehr die Augen zu verschließen, sondern endlich eine "vernünftige“ Politik zu machen, in der es z.B. genügend Arbeitsplätze gibt. Diese begreift die Tatsache des "ökonomischen Problems“, denn eher als "soziales Problem“, das man verwalten kann, und für dessen Ursache auch schnell vermeintliche Sündenböcke an der Hand sind. Entweder werden die Arbeitsplätze von denen besetzt, die auch etwas von dem "Kuchen“ des gesellschaftlichen Reichtums abhaben wollen, denen aber innerhalb der nationalökonomischen Konkurrenz Grenzen gesetzt werden sollen. Oder aber die technische Entwicklung ist schuld, da durch sie Arbeitsplätze wegrationalisiert werden. Aber über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Arbeit ist man sich dennoch nicht einig, denn neue Technologien bringen auch wieder neue Arbeitsplätze, wenn auch spezialisierte.

Die Konjunktur als Wunderheilmittel

Als Indikator für die Wohlstands- und Wirtschaftslage wird von ÖkonomInnen und PolitikerInnen gebannt auf die Konjunkturentwicklung gestarrt. Diese ist jedoch für Rückschlüsse auf die Arbeitsmarktsituation wenig tauglich, da sie nur Aussagen zum Geldwert der produzierten Waren und Dienstleistungen hergibt. Es wird trotzdem erwartet, daß mit höheren Gewinnen ausgestatte Unternehmen in Dienstleistungen, Genlabors, Hightechcenter und Umweltprojekte investieren, sich den globalen Marktbedingungen flexibler anpassen und so die Konjunktur ankurbeln. Diese urprüngliche fordistische Logik "Investitionen gleich mehr Arbeitsplätze“, hat dabei jedoch keine Gültigkeit. Das Kapital, das Unternehmen zur Verfügung steht, soll erhalten und vermehrt werden. Dabei ist es den UnternehmerInnen egal, ob dies mittels der Warenproduktion oder bei Spekulationsgeschäften errreicht werden kann.
Die Frage, ob nun zuviel oder zuwenig für das Wachstum des gesellschaftlichen Reichtums gearbeitet wird, stellt sich als Interessenfrage und so wird weiter um die Anzahl der Arbeitsstunden und den Betrag des Arbeitslohnes gefeilscht.
Der Rahmen, in dem sich die Richtungen der Diskussionen bewegen, ist deutlich: die Steigerung der volkswirtschaftlich berechneten nationalen Wachstumsrate als Ziel, die gesetzliche Grundlage dafür schaffen und diese gesellschaftlich durchsetzen.

Arbeit als Gelderwerb

Die Ökonomie setzt voraus, daß gearbeitet wird, damit produziert werden kann.
Das verquere Spezifikum der kapiatalistischen Ökonomie ist das in der Mehrwertproduktion durchzusetzende Profitinteresse.
Die Eigentümer von Produktionmitteln wollen aus ihrem ökonomischen Interesse, der Vermehrung ihres Eigentums, erreichen, daß möglichst viel und lange gegen einen möglichst niedrigen Lohn gearbeitet wird, damit die erzeugten Waren möglichst international konkurrenzfähig sind. Sie wollen, daß sich ihr Kapital verwertet, indem Mehrwert realisiert wird. Die Produktion ist nicht darauf ausgerichtet, daß ein Bedarf der erzeugten Waren vorhanden ist. Die Waren sollen gekauft, also konsumiert werden. Der Überschuß wird von den Unternehmen lieber vernichtet oder verstaubt in den Regalen, als daß er verschenkt wird.
Dagegen steht das Interesse der abhängig Beschäftigten, als Eigentümer ihrer Arbeitskraft, die möglichst wenig und kurz zu einem möglichst hohen Lohn arbeiten wollen/müssen, um sich reproduzieren zu können. Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und der gesundheitlichen Vorsorge mußten und müssen von ihnen hart erkämpft werden. Ihre Arbeitskraft wird also verwertet. Der verständliche Wunsch, möglichst gut, zumindestens ohne ständige Existenzsorgen, leben zu können, geht schon über dieses Verhältnis hinaus. Da der Arbeitslohn kein Maßstab für die Produktivität ist, sondern lediglich ein Preis für die verkaufte Arbeitskraft, der ­ realistisch betrachtet ­ nur das Überleben gewährleistet.
Das kennzeichnet kurz den antagonistischen Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital. In diesem Widerspruch erscheint Arbeit hauptsächlich als Lohnarbeit. Im Jahre 1996 waren in der BRD immerhin 32,2 Millionen der 40 Millionen möglichen Erwerbspersonen lohnabhängig beschäftigt, davon waren 13 Millionen Arbeiter und 19,2 Millionen Angestellte und Beamte. Die Differenz setzt sich aus damals 4 Millionen Erwerbslosen und 3,8 Millionen Selbstständigen zusammen.

Arbeit als Alternative?

Sogenannte alternative Konzepte beinhalten kaum ein Wort der Kritik über den Zwang zur ­ und den Auswirkungen von ­ Lohnarbeit, sondern entwickeln bislang Konzepte zur Verteilung der Arbeit.
Jüngste Forderungen der Jusos, so scheint es, versprechen gar Revolutionäres. Der NRW-Landesvorsitzende trat in einem Radiointerview anläßlich des letzten Juso-Kongresses für "eine gesamtgesellschaftliche Umwälzung der Arbeitsmarktpolitik“ ein. Letztendlich heißt das: Hand in Hand mit Vater Schröder zur Wahl, auf den Weg wird man sich schon einig. Da kann man unterwegs auf dem Arbeitsmarkt auch Arbeitskräfte ein- und verkaufen, das Angebot ist ja momentan recht groß und für die Übriggebliebenen, man ist ja kein Unmensch, gibt’s in der Marktwirtschaft auch noch was zu tun.
Von Arbeitszeitverkürzung ­ mit oder ohne vollen Lohnausgleich ­ ist da gewerkschaftlich und parteiübergreifend die Rede, oder von unentgeltlicher Bürgerarbeit (vgl. Ulrich Beck), mit der die wachsende Anzahl von Erwerbslosen eine Aufwertung ihrer Nützlichkeit für die warenproduzierende Gesellschaft erfahren sollen, von der sie allerdings nicht satt werden und auch die Miete für die Wohnung nicht bezahlen können. Was dahinter steht ist, vermutlich ein Begriff von Arbeit als Selbstverwirklichung, was dagegen steht ist die als Arbeitspathos stilisierte existentielle Notwendigkeit im Kapitalismus, die Arbeitskraft zum Gelderwerb verkaufen zu müssen. So bringen neue Arbeitskonzepte unter gleichen gesellschaftlichen Verhältnissen auch gleiche Resultate hervor: Ausbeutung für alle.
Arbeit kann, kann ich mir jedenfalls vorstellen, innerhalb anderer Produktionsverhältnisse wesentlich angenehmer sein.

Cornelia Meier

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