GegenDruck Nr. 23 - Mai 1998
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Rede zur Ausstellung "Schwestern vergeßt uns nicht“

Frauenwiderstand sichtbar machen

Die Gründe, warum wir die Austellung zeigen, sind sehr vielschichtig und können hier auch nur zum Teil erläutert werden.
Zum einen ist es uns wichtig, Frauen in der Geschichte sichtbar zu machen, da ihnen in der Geschichtsschreibung bis heute nur eine Nebenrolle zugewiesen wird.
Auch im Nationalsozialismus wurde unter dem Deckmantel einer "Glorifizierung des Weiblichen“ eine frauenverachtende Politik betrieben. Und trotzdem gab es Frauen, die aktiv Widerstand geleistet und gelitten haben.
Von seiner Bedeutung her steht dieser weibliche Widerstand dem männlichen in nichts nach (von seiner Bekanntheit schon!). Und dabei waren es vor allem Frauen, die sich für eine gesellschaftliche Untergrabung der faschistischen Ideologie eingesetzt haben und doch wird ihnen bis heute nicht die angemessene Bedeutung geschenkt.
Die öffentlich vorgetragenen Hochschätzung, die die "arische Frau“ durch die nationalsozialistische Propaganda erfuhr, entspricht dem Zynismus und der Brutalität, mit der die Frauen behandelt wurden, die sich dem NS-Regime widersetzten.
Die Kontinuität sexistischer Unterdrückungsmechanismen läßt sich durch viele Beispiele veranschaulichen. Wurden im Nationalsozialismus sogenannte nicht-arische Frauen zwangssterilisiert, wird heute die Vergabe von Geldern im Rahmen der sog. Entwicklungshilfe an Zwangssterilisationsprogramme für bzw. gegen Frauen in der sog. Dritten Welt geknüpft. Die Zwangssterilisation von behinderten Frauen ist heute, genau wie damals, gängige Praxis.
Zum anderen geht es um die aktive Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus.
Wir meinen, daß eine staatlich verordnete Vergangenheitsbewältigung wie im Gedenkjahr ’95 nur den Sinn haben kann, mit dem Gedenken abzuschließen, das Gewissen zu beruhigen und so die Verantwortung für das Hier und Jetzt von sich zu schieben. Gerade aber das Hier und Jetzt ist unser Anliegen.
So geht es nicht nur um das Gedenken, sondern auch um die kritische Wahrnehmung und die Analyse der Machtmechanismen, die zu diesen Verbrechen geführt haben. Es ist wichtig, auch heute solche Mechanismen und Strukturen wahrzunehmen und zu bekämpfen.
Konkurrenzverhalten, Entsolidarisierung, Ausgrenzung und Abschottung nach außen prägen heute die gesellschaftliche Situation.
Anhand der Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung soll die Möglichkeit bestehen, Bezüge zwischen Geschichte und Gegenwart herzustellen.
Am Beispiel der Zwangsarbeit bei Siemens und anderen Konzernen, über die Ursula Krause-Schmidt berichten wird, werden kapitalistische Verwertungsinteressen aufgezeigt, die auch heute zur Ausbeutung nicht nur von Menschen in der sogenannten Dritten Welt führen. Anna Mettbach berichtet über die Verfolgung und Diskriminierung der Sinti und Roma. In diesem Zusammenhang steht für uns die Auseinandersetzung mit der Diskriminierung sogenannter Minderheiten, wie sie auch heute stattfindet.
Viele Menschen müssen in der BRD Zuflucht suchen. Dieses aus den verschiedensten Gründen wie z.B. politischer oder religiöser Verfolgung, wirtschaftlicher Not, Krieg oder Verfolgung aufgrund ihres Geschlechts. Kein Mensch flieht freiwillig - auch heute nicht.
Flüchtlinge sind hier einer rassistisch und sexistisch geprägten Asylgesetzgebung unterworfen. So werden beispielsweise frauenspezifische Fluchtgründe nicht anerkannt, sondern ignoriert. Offensichtlich ist auch die Art und Weise, wie mit Flüchtlingen und MigrantInnen hier umgegangen wird. Sie werden in Sammellager gebracht oder in Abschiebeknästen inhaftiert, als sei ihre Not ein Verbrechen.
Angesichts wiederholter Forderungen verantwortlicher aber verantwortungsloser PolitikerInnen, endlich einen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu ziehen, als DeutscheR das BüßerInnengewand abzulegen und wieder mehr Selbstbewußtsein zu zeigen, angesichts von Warnungen vor einer "durchrassten und multikriminellen Gesellschaft“ erscheint es uns notwendig, Zusammenhänge zwischen Vergangenheit und Gegenwart aufzuzeigen.
Ein Staat, der eine solch ausländerInnenfeindliche Politik betreibt, macht sich mitschuldig, wenn Flüchtlingsheime brennen. Und dabei ist klar, daß Aktivitäten militanter Faschistinnen und Faschisten nur die Spitze des Eisberges sind.
Morgen, am 20. April wird wie jedes Jahr auch in Bielefeld wieder gefeiert werden - der Geburtstag Adolf Hitlers.
Unser Anliegen ist es, solchen Tendenzen entgegenzuwirken und aktiv Stellung zu beziehen gegen sexistische, rassistische und nationalistische Äußerungen und Taten.
Und dazu gehört auch diese Ausstellung. Sie soll ein Zeichen unseres Widerstandes sein. Sie ist eine der zahlreichen Handlungsmöglichkeiten, um Bewußtsein zu bilden, aufmerksam zu machen, zum Handeln aufzufordern.
Auf dem Weg zu einer herrschaftsfreien Gesellschaft.

Frauenprojektgruppe "Erinnern an Ravensbrück“

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