Rede zur Ausstellung "Schwestern vergeßt uns nicht
Frauenwiderstand sichtbar machen
Die Gründe, warum wir die Austellung zeigen, sind sehr vielschichtig
und können hier auch nur zum Teil erläutert werden.
Zum einen ist es uns wichtig, Frauen in der Geschichte sichtbar
zu machen, da ihnen in der Geschichtsschreibung bis heute nur
eine Nebenrolle zugewiesen wird.
Auch im Nationalsozialismus wurde unter dem Deckmantel einer "Glorifizierung des Weiblichen eine frauenverachtende Politik betrieben. Und trotzdem gab es
Frauen, die aktiv Widerstand geleistet und gelitten haben.
Von seiner Bedeutung her steht dieser weibliche Widerstand dem
männlichen in nichts nach (von seiner Bekanntheit schon!). Und
dabei waren es vor allem Frauen, die sich für eine gesellschaftliche
Untergrabung der faschistischen Ideologie eingesetzt haben und
doch wird ihnen bis heute nicht die angemessene Bedeutung geschenkt.
Die öffentlich vorgetragenen Hochschätzung, die die "arische Frau
durch die nationalsozialistische Propaganda erfuhr, entspricht
dem Zynismus und der Brutalität, mit der die Frauen behandelt
wurden, die sich dem NS-Regime widersetzten.
Die Kontinuität sexistischer Unterdrückungsmechanismen läßt sich
durch viele Beispiele veranschaulichen. Wurden im Nationalsozialismus
sogenannte nicht-arische Frauen zwangssterilisiert, wird heute
die Vergabe von Geldern im Rahmen der sog. Entwicklungshilfe an
Zwangssterilisationsprogramme für bzw. gegen Frauen in der sog.
Dritten Welt geknüpft. Die Zwangssterilisation von behinderten
Frauen ist heute, genau wie damals, gängige Praxis.
Zum anderen geht es um die aktive Auseinandersetzung mit der Zeit
des Nationalsozialismus.
Wir meinen, daß eine staatlich verordnete Vergangenheitsbewältigung
wie im Gedenkjahr 95 nur den Sinn haben kann, mit dem Gedenken
abzuschließen, das Gewissen zu beruhigen und so die Verantwortung
für das Hier und Jetzt von sich zu schieben. Gerade aber das Hier
und Jetzt ist unser Anliegen.
So geht es nicht nur um das Gedenken, sondern auch um die kritische
Wahrnehmung und die Analyse der Machtmechanismen, die zu diesen
Verbrechen geführt haben. Es ist wichtig, auch heute solche Mechanismen
und Strukturen wahrzunehmen und zu bekämpfen.
Konkurrenzverhalten, Entsolidarisierung, Ausgrenzung und Abschottung
nach außen prägen heute die gesellschaftliche Situation.
Anhand der Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung soll die
Möglichkeit bestehen, Bezüge zwischen Geschichte und Gegenwart
herzustellen.
Am Beispiel der Zwangsarbeit bei Siemens und anderen Konzernen,
über die Ursula Krause-Schmidt berichten wird, werden kapitalistische
Verwertungsinteressen aufgezeigt, die auch heute zur Ausbeutung
nicht nur von Menschen in der sogenannten Dritten Welt führen.
Anna Mettbach berichtet über die Verfolgung und Diskriminierung
der Sinti und Roma. In diesem Zusammenhang steht für uns die Auseinandersetzung
mit der Diskriminierung sogenannter Minderheiten, wie sie auch
heute stattfindet.
Viele Menschen müssen in der BRD Zuflucht suchen. Dieses aus den
verschiedensten Gründen wie z.B. politischer oder religiöser Verfolgung,
wirtschaftlicher Not, Krieg oder Verfolgung aufgrund ihres Geschlechts.
Kein Mensch flieht freiwillig - auch heute nicht.
Flüchtlinge sind hier einer rassistisch und sexistisch geprägten
Asylgesetzgebung unterworfen. So werden beispielsweise frauenspezifische
Fluchtgründe nicht anerkannt, sondern ignoriert. Offensichtlich
ist auch die Art und Weise, wie mit Flüchtlingen und MigrantInnen
hier umgegangen wird. Sie werden in Sammellager gebracht oder
in Abschiebeknästen inhaftiert, als sei ihre Not ein Verbrechen.
Angesichts wiederholter Forderungen verantwortlicher aber verantwortungsloser
PolitikerInnen, endlich einen Schlußstrich unter die Vergangenheit
zu ziehen, als DeutscheR das BüßerInnengewand abzulegen und wieder
mehr Selbstbewußtsein zu zeigen, angesichts von Warnungen vor
einer "durchrassten und multikriminellen Gesellschaft erscheint es uns notwendig, Zusammenhänge zwischen Vergangenheit
und Gegenwart aufzuzeigen.
Ein Staat, der eine solch ausländerInnenfeindliche Politik betreibt,
macht sich mitschuldig, wenn Flüchtlingsheime brennen. Und dabei
ist klar, daß Aktivitäten militanter Faschistinnen und Faschisten
nur die Spitze des Eisberges sind.
Morgen, am 20. April wird wie jedes Jahr auch in Bielefeld wieder
gefeiert werden - der Geburtstag Adolf Hitlers.
Unser Anliegen ist es, solchen Tendenzen entgegenzuwirken und
aktiv Stellung zu beziehen gegen sexistische, rassistische und
nationalistische Äußerungen und Taten.
Und dazu gehört auch diese Ausstellung. Sie soll ein Zeichen unseres
Widerstandes sein. Sie ist eine der zahlreichen Handlungsmöglichkeiten,
um Bewußtsein zu bilden, aufmerksam zu machen, zum Handeln aufzufordern.
Auf dem Weg zu einer herrschaftsfreien Gesellschaft.
Frauenprojektgruppe "Erinnern an Ravensbrück |