Presseerklärung zu mehreren Wohnhausbränden in Bielefeld
Gefällige Falschinformationen
I. Hintergrund:
Innerhalb der letzten fünf Monate hat es in Bielefeld des öfteren
in ausschließlich oder mehrheitlich von Nichtdeutschen bewohnten
Häusern gebrannt. Ein Mensch starb, etliche wurden verletzt, viele
obdachlos und verloren den Großteil ihrer persönlichen Habe. In
die Öffentlichkeit gelangten nur die Brände in der Albrechtstraße,
in der Walther-Rathenau-Straße und in der Heeper Straße. Aus dem
Bekanntenkreis wissen wir von noch zwei ähnlichen, aber glimpflicher
verlaufenen Bränden kurz vorher, auf andere ist also zu schließen.
Bis auf den Brand in der Albrechtstraße, wurde letztendlich in
allen Fällen eindeutig Brandstiftung als Brandursache festgestellt.
Bei den beiden nicht in die Öffentlichkeit gelangten Brandstiftungen
wurden die Ermittlungen schnell eingestellt; in zumindest einem
Fall gab es aber durch frühere Sprühereien und Drohungen durch
Nachbarn zumindest Anhaltspunkte für eine rassistische Täterschaft.
Nicht alle Untersuchungen können zur Aufklärung des Sachverhalts
führen, aber die Ermittlungen bei den folgenden, öffentlich gewordenen
und folgenschwereren Bränden hätten vor diesem Hintergrund geführt
werden müssen.
II. Strukturen polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen:
Es stellt sich aber recht anders dar! In allen der drei folgenden
Wohnhausbränden wurde noch während der Löscharbeiten als Brandursache "technischer Defekt, bzw. "Kabelbrand angegeben, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Ermittlungsergebnisse
vorliegen konnten. So mußten diese Behauptungen auch später zumindest
bei den Bränden in der Walther-Rathenau-Straße und in der Heeper
Straße zurückgenommen und zu "eindeutig Brandstiftung korrigiert werden. Da es sich also eindeutig nicht um Erkenntnisse,
sondern um Behauptungen ohne faktischen Hintergrund handelte,
muß festgestellt werden, daß hier eine bewußte und gewollte Fehlinformationspolitik
betrieben wurde!
Die Zurücknahme dieser Falschinformationen führte nun aber keineswegs
zu einer sachlichen Darstellung der faktischen Hintergründe und
Ermittlungsstände, sondern wurde, zumindest bei den Bränden in
der Walther-Rathenau- und in der Albrechtstraße, gleich durch
die nächste gezielte Fehlinformation ergänzt: Ein "ausländerfeindlicher Hintergrund (also ein rassistisches Tatmotiv) könne ausgeschlossen werden.
Diese Behauptung ist angesichts des gleichzeitigen Eingeständnisses
völliger Unwissenheit in Bezug auf Tathergang, Täter und Tatmotiv
zwar eigentlich absurd, aber doch bezeichnend und, was die weiteren
Ermittlungen betrifft, richtungsweisend! Weil ein Anschlag von
außen willkürlich ausgeschlossen wird, bleibt nur noch der Verdacht
nach innen! Und es werden schnell fast standardisierte Tatmotive
genannt: Wahlweise Versicherungsbetrug oder Familienstreitigkeiten.
Als Indizien reichen dann z.B. eine bestehende Brandschutzversicherung
(hat ja sonst niemand), irgendein Streit in den letzten Jahren
(kommt ja sonst nirgends vor), oder Hypotheken (hat ja sonst niemand
Hauskaufschulden). Daß die angeblichen BrandstifterInnen selbst
im Haus wohnten, selbst geschädigt und vor allem sie und die eigene
Familie gefährdet wurden, tut angesichts dieser Indizien nichts
mehr zur Sache! Zutrauen muß man "denen ja inzwischen alles,
um an ein bißchen Geld zu kommen! Welche rassistischen Bilder
mit dieser "Informations-Politik bedient werden, soll hier aber
nicht weiter ausgeführt werden.
Letztendlich werden die Ermittlungen aller Voraussicht nach im
Sande verlaufen. Wir behaupten weder, daß die Ermittlungen in
jedem Fall etwas hätten ergeben müssen, noch daß es sich eindeutig
um rassistisch motivierte Anschläge gehandelt hat. Wir wehren
uns nur dagegen, daß Ermittlungen gar nicht in diese Richtung
geführt werden und daß durch eine gezielte Fehlinformationspolitik
das Bild entsteht, als ob keine rassistischen Anschläge mehr stattfinden
und damit eine für MigrantInnen und Flüchtlinge bedrohliche Realität
verleugnet und verharmlost wird! In der überregionalen Presse
erschien zu dem Brandanschlag in der Walther-Rathenau-Straße durch
die Aussagen der Ermittlungsbehörden die Darstellung eines "Brandunglücks,
eine Richtigstellung gab es nicht. Es muß also jede Meldung von
"Bränden durch technischen Defekt kritisch hinterfragt und trotzdem
davon ausgegangen werden, daß es sich um einen Anschlag handeln
könnte; wobei ein rassistischer Hintergrund nie auszuschließen
ist, solange keine eindeutigen Hinweise auf andere Motive vorliegen!
III. Kleiner Rückblick
Bei all dem handelt es sich nicht um eine Bielefelder Besonderheit.
Diese Art von Ermittlungen hat sich in den letzten Jahren bundesweit
durchgesetzt. Die Namen der Städte Lübeck, Hattingen und Stuttgart
stehen neben anderen für dieses Prinzip der Opfer-Täter-Verkehrung.
In Lübeck wurde, trotz offensichtlicher Hinweise auf faschistische
Täter (Präsenz am Tatort, klare Brandspuren an Körper und Kleidung,
), sofort gegen die Überlebenden des Brandes ermittelt. In der
Folge fand ein Prozeß gegen einen der Bewohner des Hauses statt,
der eineinhalb Jahre nach der Tat mit Freispruch endete. Gegen
die wahrscheinlichsten Täter, die Nazis aus Grevesmühlen, wurde
nie ernsthaft ermittelt. In Stuttgart und Hattingen hat es sich
so ergeben: Ein "ausländerfeindlicher Hintergrund wurde ausdrücklich
ausgeschlossen und die Ermittlungen trotz ausreichender Hinweise
nicht in diese Richtung, sondern gegen die Brandopfer geführt
Der entsprechende Prozeß endete mit "Freispruch aus Mangel an Beweisen. Nachdem die Betroffenen damit sozial geächtet und ihrer Lebensgrundlage
beraubt waren, wurden in beiden Fällen die Täter durch Zufall
wegen anderer Delikte gefunden: Deutsche Männer mit eindeutig
rassistischen Motiven!
IV.: Gefällige Falschinformation:
Wie kommt nun ein Herr Heidbrede, ermittelnder Staatsanwalt, oder
ein Herr Schulze, Pressesprecher der Polizei Bielefeld, zu den
angeführten Behauptungen? Der Reflex, rassistische Hintergründe
als einzige solange ausdrücklich auszuschließen wie sie nicht
eindeutig nachgewiesen sind, zeigt nur, wie wahrscheinlich auch
diese Herren sie eigentlich finden; und daß sie alles rausfinden
wollen, bloß das nicht! Dieses Interesse teilen sie mit der (des-)
interessierten Öffentlichkeit und müssen deshalb auch nicht befürchten,
hinterfragt zu werden. Dies hat mit Ermittlungen aber nicht die
Bohne zu tun, sondern ist gezielte Falschinformation. Werden sie
nach der Grundlage ihrer Behauptungen gefragt, wiegeln sie ab.
Wir fordern hiermit die beiden genannten Herren auf, zu erklären,
wie sie ohne Erkenntnisse Beurteilungen und Ausschließungen von
sich geben können, und wie sie in diesem Zusammenhang dem Vorwurf
der Falschinformation und der gezielten Irreführung der Öffentlichkeit
begegnen. Desweiteren fordern wir sie auf, den aktuellen Stand
der Ermittlungen offenzulegen
Wider den rassistischen Normalzustand in dieser Gesellschaft!
Initiative gegen Ausgrenzung (IGA),
AntiDiskriminierungsBüro Bielefeld |