LOTTA DURA

 

Nr. 9/97

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"In Lücken des Gedenkens"

Die Aktivitäten der FrauenLesbenPlattform 51 in Innsbruck

Das Jahr 1995 stand im Zeichen des Gedenkens von "50 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus". Daraufhin bildete sich in Innsbruck die "FrauenLesbenPlattform 51", um ausgehend von der Analyse der 50-Jahr-Feiern auch "51 Jahre danach" NS und Umgang mit Geschichte zu thematisieren.

Die Plattform organisierte eine Veranstaltungsreihe unter dem Titel "Bedenkliches Gedenken. Zur HERRschenden Ordnung von Erinnern, Vergessen, Fortsetzen. Eine feministische Vergegenwärtigung nationalsozialistischer ,Vergangenheit`", die von März bis Mai 1996 dauerte und die in der Broschüre "In Lücken des Gedenkens" dokumentiert wurde. In einer Reihe von Arbeitskreisen, Vorträgen, Lesungen, Performances und Filmvorführungen wurde "das demonstrativ zur Schau Gestellte und das unter den Teppich Gekehrte besehen" und "in den Kontext der Interessen der jetztigen Machthaber gestellt, die das Gedenken vorwiegend dazu nutzten, sich selbst, ihre innenpolitischen Schaukämpfe und eine geglättete ,Erfolgsstory 2. Republik` zu präsentieren, die nicht nach den wirklichen Opfern fragt, die Täter und Mitläufer als ,Verführte` und ,Unterjochte` darstellt und die Ermordeten, Gefolterten und Überlebenden - wenn überhaupt - an letzter Stelle anführt" (S.1).

In den offiziellen Gedenkreden des Jahres 1995 wurde immer wieder von männlichen Politikern den Frauen gedankt, natürlich nicht etwa den Widerstandskämpferinnen, sondern den Trümmerfrauen, "die das Wunder des Wiederaufbaus erst ermöglicht haben" (Vranitzky). Dazu werden in der Broschüre die Fragen gestellt: "War es funktional, ihnen zu danken, nachdem Österreich sein Täterbekenntnis geleistet hat, nachdem die Taten der Täter nicht mehr geleugnet werden konnten, aber gefeiert werden sollte? Konnten sich die Täter reinigen an der Frau, die stilisiert als Opfer und Heilige das Gute im Volk verbürgt?" (S.6)

Unter dem Titel "Wer sich nicht als Täter begreift, kann sich umso mehr als Wohltäter inszenieren" wird auf die zweifelhafte Politik der "Opferfürsorge" hingewiesen. "Homosexuelle und sogenannte ,Asoziale`: Menschen, deren Verfolgung bis heute nicht als solche anerkannt wird - weil die Verfolgung bis heute als gerechtfertigt erachtet wird?" (S.11)

Desweiteren finden sich Texte zur Nichtbeachtung frauenspezifischer Fluchtbedingungen in der Asylgesetzgebung, zu lesbischen Frauen im NS, zum Widerstand von Frauen im NS am Beispiel Südtirol und zur Politik der Frauenbewegung im Kontext der Thematisierung von Faschismus und Rassismus.

Daneben gab es Stadtbesichtigungen "Frauen-Sicht-Innsbruck", die sich an Lebensgeschichten von Frauen und Mädchen, die im NS stattfanden, orientierten, wo aber auch zur Normalität gewordene Sprachregelungen und Einrichtungen der Nazis, wie "asozial" oder "Gesundheitsämter" aufgezeigt wurden.

Während der Veranstaltungszeit waren in Innsbruck vier verschiedene Plakate der Künstlerinnengruppe "FemPlakArt" im sogenannten "öffentlichen Raum" zu sehen (sie sind auch in der Broschüre abgedruckt). A propos "öffentlicher Raum": Die Veranstaltungsreihe war zum Großteil ausschließlich für FrauenLesben. Den Organisatorinnen ging es um das Herstellen einer Frauenöffentlichkeit, die nicht vor bzw. unter der als ge/wichtiger empfundenen "gemischten" Öffentlichkeit existiert. "Wir begreifen Frauenöffentlichkeit nicht als Übungswiese für die ,in Wahrheit zählende`, die Männeröffentlichkeit." (S.2)

Die wunderschön gestaltete, absolut empfehlenswerte Broschüre kann bei der folgenden Adresse bestellt werden:
ArchFem, Interdisziplinäres Archiv für Feministische Dokumentation,
Liebeneggstraße 8, 6020 Innsbruck

 

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