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Doch zunächst zum dem verkehrspolitischen Ereignis dieser Tage,
der Brennerautobahnblockade in Nordtirol. Zum zweitenmal seit 1995 gelang
es dem Transitforum in Nordtirol eine solche Blockade politisch durchzusetzen,
zu der sich nicht nur über 70 Vereine und Organisationen, sondern
auch vier Parteien des Landtages zusammenfanden. Die Blockade wurde für
28 Stunden vom 12. Juni 11 Uhr bis zum 13. um 15 Uhr genehmigt.
Anlaß ist die unerträgliche Zunahme des LKW-Transits über den Brenner. Der LKW-Transit durch Österreich bündelt sich zu etwa 75% am Brenner, was 1997 1,2 Millionen Laster bedeutete. Trotz Transitvertrag, der sich nun endgültig als grandioser Betrug erwiesen hat, war 1995 die Lärmbelastung wieder auf dem Niveau von 1989. Der Zuwachs bei LKW-Transporten von 1990 bis 1996 betrug im Volumen mehr als der gesamte Gütertransport auf der Bahn, die weiter drastisch Anteile verlor. 1997 fuhren um 35% mehr LKW über den Brenner als 1991, im ersten Halbjahr 1998 sind noch einmal 5% dazugekommen. Wunder ist das keines, verringerte sich der Straßenverkehrsbeitrag ab Ende 1994 für einen 40-Tonnen-LKW von 980,- öS auf 80,- (1998). Die Ökopunktekriterien wurden zwischen 1990 und 1996 um satte 40% überschritten, seit dem Schengener Abkommen donnern die LKW ohne Ökopunktekontrollen über den Brenner, weil nicht mehr kontrolliert wird. Das Transitforum bringt es auf den Punkt: "Neue Infrastrukturen werden nicht von der Bevölkerung gefordert, sondern von den Arbeitsplatzvernichtern und Steuergeldabzockern im Nadelstreif - sei es aus dem Banken-, Bau- oder Industriebereich".
Die Wirtschaftskammer machte gemeinsam mit dem deutschen Frächterverband in halbseitigen Inseraten in Zeitungen Wind und unterstellte "einigen Unentwegten", womit u.a. das Transitforum gemeint war, "kollektive Nötigung" (Anm. Tb: Vorwurf einer strafbaren Handlung ist klagbar) und quasselte von nicht hinnehmbaren Rechtsbrüchen, sowie forderte von der Republik Österreich: "Recht muß Recht bleiben und nicht durch staatlich geförderte Anarchie gebeugt werden". Zudem kündigte die Wirtschaftskammer Musterprozesse wegen "blockadenbedingter Schäden" an. Ein Vertreter von Transportunternehmern Bayerns brabbelte überhaupt von "Gegner des Rechtsstaates", mit denen der Tiroler Landeshauptmann gemeinsame Sache mache, und vom "internationalen Straßengüterverkehr als Geisel für politische Erpressungsversuche".
Parallel zum Brenner wurde auch die Tauernautobahn bei Salzburg während des Freitags für jeweils eine Viertelstunde pro Stunde blockiert, kleinere Blockaden fanden auch bei Hörbranz in Vorarlberg und in Südtirol statt. Auf der Tauernautobahn nahm der LKW-Verkehr von 1996 auf 1997 um 21% zu.
Die Vorkommnisse am Brenner sind jedoch nur ein punktueller Ausschnitt
aus turbulenten Ereignissen rund um Verkehr und Straßen in Österreich.
Mitten im Bau wurde die Umfahrung des Ortes Wolkersdorf (B7) in Niederösterreich durch eine höchstgerichtliche Entscheidung gestoppt. Die B7 soll den Ort Wolkersdorf vom Durchzugsverkehr entlasten, was jedoch den Ort Großebersdorf belasten würde. Deshalb hatte der Bürgermeister von Großebersdorf geklagt und nun gewonnen. Im Behördenverfahren war nämlich vergessen worden, die Anbindungsstraße zwischen B7 und dem Industriezentrum Wolkersdorf in das Genehmigungsverfahren miteinzubeziehen, was der Verfassungsgerichtshof als Verfahrensmangel bewertete und die gesamte Baugenehmigung als verfassungswidrig aufhob. Nun stehen nach einem Jahr Bauzeit alle Maschinen still.
Die Landesregierung, vertreten durch den Straßenbaudirektor namens
Meinrad Stipek, hatte den Ausgang des Verfahrens nicht abgewartet und einfach
mit dem Bau begonnen, denn das sei hier "nicht nur üblich, sondern
ein Verpflichtung". Vermutlich ist nun ein vollkommen neues Verfahren nötig,
d.h. mit Umweltverträglichkeitsprüfung, und Großebersdorf
ist natürlich noch immer gegen die B7 bzw. für eine andere Trasse.
Die Folge: mindestens vier Jahre Verfahren und eine verwüstete Landschaft,
sowie unbekannte Kosten des insgesamt 330 Mio. teuren Projekts.
Da der neue Grenzübergang Kittsee im Burgenland zur Slowakei kurz
vor der Fertigstellung ist, sind gröbere Streitigkeiten zwischen den
Landeshauptmännern des Burgenlands und Niederösterreichs ausgebrochen.
Es geht um eine eventuell zu errichtende Autobahnverbindung zwischen dem
Grenzübergang und der Ostautobahn A4. Da die geplanten Trassen wahlweise
auf dem Gebiet von NÖ oder dem Burgenland liegen, ist natürlich
der jeweilige Landeshäuptling für die Trasse im anderen Bundesland.
Die BürgerInneninitiative "Transithölle Ost" ist für gar
keine Autobahn. In niederösterreichischen Plänen ist diese Autobahn
übrigens als "Erweiterung eines bestehenden Güterweges" verzeichnet.
Kaum ist die B3 in Wien-Floridsdorf u.a. durch eine wackere Pensionistin
mit Schrebergarten verhindert, haben die Floridsdorfer Grünen nichts
besseres zu tun, als ihren Sanctus zu einer neuen Bundesstraße zu
geben. In der Bezirksratssitzung stimmten diese einer Verlängerung
der B227 "demonstrativ zu" um zu zeigen, "daß Alternativrouten von
den Grünen nicht blockiert werden".
Die steirischen Betonköpfe könne von der Ennsnahen Trasse
(B146) nicht ablassen. Ungeachtet von EU-Klagen, einer erfolgreichen Besetzung
und der Tatsache, daß die Verfahren absolut in der Sackgasse gelandet
sind, will Verkehrslandesrat Ressel (SPÖ) auf der Straße durch
ein Naturschutzgebiet beharren. Als Kompromiß bietet er der BI NETT
(Nein zur Ennsnahen Trasse) an, auch noch eine Umfahrung des Ortes Stainach
bauen zu lassen. Allerdings hat Ressel außer Präpotenz derzeit
wenig in der Hand, weil zwei NETT-AktivistInnen zwei strategische Grundstücke
auf der Stainach-Umfahrung besitzen und sich entsprechend in den Verfahren
querlegen können. Diese wollen jedoch erst zustimmen, wenn Ressel
endgültig auf die Ennsnahe Trasse verzichtet, sonst wird es nix damit.
Wir nähern uns dem Auge des Taifuns, nämlich den 80 Milliarden Schulden der Straßenbaufinanzierungsgesellschaft ASFINAG. Die Asfinag braucht pro Jahr acht Milliarden um den Schuldendienst zu bewältigen. Damit die Asfinag-Schulden aus dem Budget ausgegliedert werden konnten und damit nicht mehr zu den öffentlichen Schulden nach den Maastricht-Kriterien zählen, muß die Asfinag die Hälfte des Schuldendienstes aus laufenden Mauteinnahmen plus Vignette begleichen. Das spießt sich aber mit den Straßenbaufinanzierungsgesellschaften ÖSAG und ASG (Brenner), die auf ihren Strecken die Maut kassieren.
Hintergrund ist, daß an der ÖSAG und der ASG die Bundesländer beteiligt sind, während die Asfinag nur vom Bund getragen wird. Wirtschaftlich logisch wäre eine Fusion der Asfinag mit der ÖSAG und der ASG, was das Budget entlasten würde. Da würde aber insgesamt ein Viertel der Belegschaft gehen müssen, und die Bundesländer würden diese Postenvergabepfründe verlieren. Die Beibehaltung der mehrgleisigen Strukturen kostet derzeit pro Jahr 70 Millionen.
Wegen der fehlenden Einnahmen ist die Asfinag daher ziemlich Pleite. Noch im Dezember 1997 hatte die Asfinag verkündet, daß für den Autobahnbau einige großzügige Milliarden vorhanden wären. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Asfinag gerade 8,5 Milliarden aus dem Budget an Kapitalaufstockung erhalten, um überhaupt liquide zu bleiben. Das Geld stammte ausschließlich aus dem Verkauf der Bundesanteile der CA an die Bank Austria. Ende Mai wandte sich der Asfinag-Vorstand schon wieder an die Öffentlichkeit, daß die Asfinag laufend Verluste baut und dringend neue Einnahmen braucht und den Kapitalzuschuß vom Dezember in spätestens zwei Jahren für den Schuldendienst verbraucht haben wird.
Währenddessen verplempern ASG und ÖSAG munter Geld, nicht nur für die unzulängliche Planungen der B301, sondern auch für kleine Possen. Weil die Bundesländer keinesfalls die Mauteinnahmen der Asfinag überlassen wollen, gründeten ÖSAG und ASG am 1.1.97 eine eigene Mautgesellschaft ÖMG, die "erwies sich aber nicht als zielführend" und wurde im Februar 97 gleich wieder liquidiert.
Gröbstens verschärfen werden sich diese Probleme durch die
eingereichte Klage der EU gegen die Brennermaut, die zu Milliardenausfällen
bei den Einnahmen führen wird.
Ein Kristallisationspunkt dieser Turbulenzen ist der Semmering in Niederösterreich. Dort legt sich die ÖVP bekanntlich gegen den Bahntunnel quer, weshalb sich Verkehrsminister Einem bis vor kurzem gegen den Straßentunnel der S6 sträubte. Finanzieren soll die Asfinag den 5,5 Milliarden teuren S6-Tunnel, mit welchem Geld wird verschwiegen. Bis Ende Mai meinte Einem noch: "Ich halte es für nicht wirklich intelligent, LKW-Verkehr von der Südautobahn auf den Semmering umzuleiten". Am 4. Juni war ihm das wurscht und der Ministerrat gab einstimmig seine Zustimmung.
Einem ist ein Fan des Bahntunnels und als zuständiger Minister fallen in seine Kompetenz auch die geplante Aufnahme von Schulden der Bahninfrastukturgesellschaft Schig in Höhe von 125 Milliarden. Die erste Milliardenanleihe, fällig 2007, wurde schon aufgenommen, gemanagt von der Bank Austria und der Raiffeisen Zentralbank, deren Baufirmen - hauptsächlich die Porr AG der BA - sich am Semmering milliardenschwere goldene Nasen verdienen wollen, während der Bund 100% der Haftung trägt. Der Bau des Semmering-Bahntunnels wird hauptsächlich mit dem Argument befürwortet, daß sonst die Bahn Anteile zugunsten der Straße verlieren würde, weil der S6-Tunnel gebaut wird.
Bei all dem argumentativen Schwachsinn bleibt als einzige verläßliche
Größe zu bemerken, daß alleine die Porr AG bzw. deren
Chef Pöchhacker und die Bank Austria als verläßliche Größe
ausgemacht werden können. Die Porr baut schon jetzt den Sondierungsstollen.
Ohne auf die Details der laufenden Baukartellskandale eingehen zu wollen: die ermittelnden Richter ließen bisher bei über 80 Baufirmen Hausdurchsuchungen durchführen, praktisch in der gesamten Branche, deren Branchenvertreter Pöchhacker ist, und der über Aufsichtsräte engste Kontakte zu Vranitzky, Klima und den Ex-Finanzstadtrat von Wien, Mayr, hat. Schwer unter Beschuß geraten ist etwa die Baufirma Teerag-Asdag, an der Porr, Raiffeisen Zentralbank und Bank Austria beteiligt sind.
Insgesamt existiert überhaupt ein Sumpf an Verflechtungen und Beziehungen über Gremien, Schachtelbeteiligungen und Parteikontakte, in dem Preisabsprachen zwangsläufig gedeihen müssen. Die Stuag ist beispielsweise zur Hälfte im Besitz der Bank Austria, die auch die Porr besitzt. Beide traten als Konkurrenzfirmen beim Semmeringtunnel auf. Die andere Hälfte der Stuag besitzt das Baukonglomerat des LIF-Abgeordneten Haselsteiner, der ebenfalls am Semmering mitbot, nämlich mit seiner Firma Ilbau. Seit einiger Zeit ist auch die Raiffeisen Zentralbank mit ihrer Baufirma Era bei Haselsteiner gelandet, was aber nicht bedeutet, daß die RZB nicht auch an der Porr beteiligt wäre.
Praktisch äußert sich das zum Beispiel in der Medienpolitik,
wenn dem Standard lange Zeit nicht entschlüpfen will, welche Baufirmen
nun konkret in die vermuteten Kartellabsprachen verwickelt sind. Der Standard
lebt von den Krediten von RZB und BA. Gleichzeitig darf sich im Standard
Porr-Chef Pöchhacker mehrmals wöchentlich über mißliebige
Politiker beklagen, die beim Semmering-Tunnel querschießen.
Der heftige Kampf von Baukonsortien, Banken, Bundesländern und dem Bund um Pfründe und Töpfe führt jedoch abseits wirtschaftlicher Konzentrationsprozesse zu internen Kriegen. Ein Beispiel dafür ist die Klage des Ex-Geschäftsführers der BA und Gemeinde Wien-Baufirma Wibeba, der seine Firmenpension einklagte und gleich auch noch den Aufsichtsratsvorsitzenden wegen Verleumdung mit dazu. Der Aufsichtsratsvorsitzende hatte behauptet, den Vertrag über die Pension nie unterschrieben zu haben, der Ex-Geschäftsführer fühlte sich folglich als Unterschriftenfälscher bezichtigt.
Seit Jahren geht nun der Ex-Baulöwe Maculan ungeklagt mit der Story hausieren, daß ihn die anderen Baufirmen über ihre Kontakte zu den Großbanken absichtlich in den Konkurs getrieben hätten. Demnach wäre ein Gutachten der BA über die Maculan-Holding direkt an Pöchhacker gewandert, der dann bei der BA eine negative Stellungnahme über Maculan abgegeben hätte, weshalb die BA Maculan keine Kredit gab und die Maculan-Holding zusammenbrach.
Bei all den Querelen um Macht und Märkte zieht die EU glücklicherweise die entscheidende Schraube durch die Begrenzung der Neuverschuldung an. Bei entsprechendem Druck von unten könnte durch ausführliche und langwierige BürgerInnenbeteiligungsverfahren wirksam dafür gesorgt werden, daß ein großer Teil der Betonprojekte schon im Keim erstickt wird. Alleine die zunehmenden Planungspannen gröbster Art bei bestehenden Bauvorhaben, die noch nicht einmal der Umweltverträglichkeitsprüfung unterlagen, und die absolute Unfähigkeit bei der Umstrukturierung der Straßenbaugesellschaften sollten umweltpolitisch zu Hoffnungen Anlaß geben.
Spannende und ziemlich lustige Zeiten brechen an, dafür sorgen unsere Betonköpfe. Lassen wir sie nicht alleine in ihrem Wahn.
aus: TATblatt Nr. +100 (12/98) vom 18. Juni 1998
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