von M. Novak
Kommunikation ist keine einfache Sache. Sie kann sogar manchmal ordentlich kompliziert sein. Da kann eine Menge schieflaufen, bevor eine Übertragung von Kommunikations-Quelle zu EmpfängerIn zustande kommt: Neben Mißverständnissen aller Art können unzählige Störquellen dazwischenfunken, mangelndes Interesse und geringe Aufmerksamkeit tragen auch nicht unbedingt zum Erfolg bei, fehlendes Vertrauen zwischen KommunikatorIn und RezipientIn führt immer wieder zu Fehlschlägen. Die Gefühlsebene beeinflußt eben immer die Inhaltsebene. Kommunikation ist nie "neutral", die Übertragung findet nicht im luftleeren Raum statt, gesellschaftliche Rahmenbedingungen sollten beachtet werden.
Das funktioniert dann so (nicht): Der belesene Student (Kommunikator)
überlegt sich eine Parole: Schluß mit der Prügelpolizei!
(Aussage), kopiert das ganze und verteilt es als Flugblatt (Medium) an
eine Passantin in Favoriten (Rezipientin). Ergebnis: Klassischer Rohrkrepierer,
Null feedback. Diese Praxis kritisieren auch die AutorInnen des Kommunikationsguerilla
- Handbuchs: "Traditionelle linke Politik verläßt sich häufig
vor allem auf die Kraft linker Inhalte. "Der gute alte Holzhammer: Nur
oft und laut genug sagen, wie es wirklich ist. Dabei wird jedoch die Interpretationsvariabilität
vergessen: "(Massenmedial) kommunizierte Botschaften sind grundsätzlich
offen und interpretationsfähig. Dabei sind die Interpretationen der
Rezipienten nicht völlig frei. Vielmehr werden in der Regel bestimmte
Interpretationen bevorzugt, die gesellschaftlich mehr oder weniger naheliegen
und als "normal" empfunden werden. Zugleich reproduziert sich dadurch diese
"Normalität" in einer Endlosschleife, die nur schwer zu durchbrechen
ist."1 Polizeigewalt kann halt nicht nur Bestürzung, sondern auch
Zustimmung hervorrufen ("Geschieht dem arbeitsscheuen Pack ganz recht...").
Ein möglicher Weg wäre, bestehende Kommunikationsprozesse
zu stören anstatt selbst mühsam funktionierende Kommunikationsprozesse
aufzubauen. Scheinbar klappt die Übertragung nur dann gut, wenn KommunikatorInnen
und RezipientInnen ein Werte- und Normensystem teilen, wenn Sympathie und
Vertrauen da sind. Nichts leichter als dieses Normensystem durcheinanderzubringen
und so die Kommunikations-Quelle unglaubwürdig zu machen. Im Zusammenhang
mit der EU und mit Österreichs EU-Präsidentschaft im zweiten
Halbjahr 98 bieten sich da unzählige Möglichkeiten an: Die Propaganda
ist so plump, daß oft die Veränderung eines einzigen Wortes
genügt, um Ferrero-Waldner und Co lächerlich zu machen: "Wer
ist in EUropa dabei?" wurde letztens österreichweit plakatiert. Ein
halb verdecktes "...REICH" sollte wohl unser aller Heimat andeuten, ein
Schelm oder eine Schelmin machte jedoch daraus "DIE REICHEN" und schaffte
es so, mit wenigen Buchstaben profunde Kritik zu üben. Auch selber
was zu vermitteln, kann anders und einfacher sein als bisher. Wenn schon
eigene Kommunikationsprozesse, dann kann ich mir möglichst günstige
Umstände dafür wählen. Vieles kann ich ja selbst bestimmen,
von der Botschaft über das Medium und den Ort der Verbreitung bis
hin zu den verschiedensten Rahmenbedingungen. Oft ist nicht die Botschaft
selbst das wichtigste, sondern die Art, wie ich sie kommuniziere. ("The
medium is the message") Und Humor ist ja schließlich auch keine Krankheit.
"Kommunikationsguerilla bezeichnet keine Bewegung, sondern eine grundsätzliche
Haltung gegenüber politischem Handeln." Sie will die "Legitimität
der Macht in Frage stellen, um damit Raum für Utopien wieder zu öffnen."
1 Mit Hilfe verschiedenster Techniken und Methoden wird scheinbar Selbstverständliches
angezweifelt. Das Ziel ist nicht, Macht oder Hegemonie zu erobern, sondern
konstruktive Verwirrung zu stiften. "Sie formuliert keine eigenen Positionen,
sondern kritisiert die scheinbar selbstverständlichen, als natürlich
und normal geltenden Spielregeln, die auch ohne offene Repression bestimmen,
was zulässig ist und was nicht" 1 Ohne Beispiele läßt
sich aber schwer erklären, was Kommunikationsguerilla ist: Von Orson
Welles` "Krieg der Welten" über "Pro-NATO-Aktionen" vehementer NATO-GegnerInnen
("Atomkrieg - Warum nicht?") über die multiple Identität von
El Subcomandante Marcos ("Todos sommos Marcos"), über Graffiti, unsichtbares
Theater, fingierte Parteigründungen, Crossdressing, Puddingattentate
und Tortenwerfen über Imageverschmutzungskampagnen bis zum klassischen
"Fake", der Fälschung, die durchaus echt sein könnte. Wann ist
Kommunikation Guerilla? Oft genügt eine veränderte "gesellschaftliche
Rahmenbedingung": Wer hätte etwa gedacht, daß es einmal subversiv
wäre, (echte!) FPÖ-Flugis zu verteilen? Durchaus möglich,
wenn da ein gewisser P. Rosenstingl als einer von "Zwei Profis als erfahrene
und seriöse Kandidaten" und als "Der Aufdecker" angepriesen wird.
Nun gibt es den Einwand, daß die Welt eh schon so kompliziert sei, und daß es womöglich kontraproduktiv sei, bei soviel bestehender Verwirrung noch mehr Verwirrung zu stiften. Ist schon alles postmodern beliebig? Ist Kommunikationsguerilla das Ende der Politik? Vielleicht gibt es sie doch noch, die "Herrschenden" und ihre Ideologie, hermetische Modelle wie Nationalismus. Vielleicht gibt es noch Macht- und Herrschaftsdiskurse, die trotz Widersprüchen in ihrer Eindeutigkeit angreifbar sind - oder gerade wegen ihrer Widersprüche? Genausowenig wie das Ende der Geschichte eingesetzt hat, gibt es ein Ende der Politik. Jetzt geht's erst richtig los, und zwar nicht beliebig, sondern gezielt. Die Bestie hat zwar kein Herz, ist aber an vielen Stellen verwundbar.
Können kritische Inhalte durch Kommunikationsguerilla-Methoden
überhaupt vermittelt werden? Und ob, meinen Luther Blissett, Sonja
Brünzels & Co-AutorInnen: "Jedes öffentliche Ereignis ist
zugleich ein Ritual aus Formen und Konventionen, die selbst wieder Aussagen
über Verfaßtheit und Selbstverständnis der Gesellschaft
machen, in der sie stattfinden. Eine Intervention, die sich darauf bezieht,
kann auch ohne Klartext Inhalte transportieren, die als solche wahrgenommen
und verstanden werden." 1
Wie alles im Leben sollte auch das Konzept Kommunikationsguerilla ständig kritisch hinterfragt werden. Neben den Chancen müssen auch die Gefahren thematisiert werden. "Das Konzept Kommunikationsguerilla ersetzt keine inhaltliche und organisatorische Arbeit, keine Antifa-Aktionen, kein theoretisches Programm und auch keine eigenen Medien; es steht auch nicht im Widerspruch zu einer Politik der Gegenöffentlichkeit.(...) Kommunikationsguerilla ist eine defensive Form politischer Praxis und wird heutzutage von kleinen, momenthaften Gruppierungen gewählt, die keine "Massenbasis" mobilisieren können und so darauf angewiesen sind, mit Minimalaufwand sichtbare öffentliche Wirkung zu entfalten." 1 Mögliche Gefahren, die auftauchen könnten:
Ob symbolische Aktionen politisch sinnvoll sind oder nur der Selbstinszenierung dienen, muß wohl in jedem Einzelfall entschieden werden.
Die Gefahr der Vereinnahmung durch den Kulturbetrieb oder die Werbeindustrie muß berücksichtigt werden. Eine taktische Bezugnahme auf Formen der Aktionskunst kann aber auch vor Kriminalisierung schützen. (Freiheit der Kunst!)
Aus geworfenen Eiern (oder Torten) werden in "bürgerlichen" Medien schnell Steine, die mindestens ebenso verwerflich wie die gegen Flüchtlingsheime geworfenen Brandsätze sind. Und schon ist rinks wieder lechts und das Weltbild wieder in Ordnung.
Es stellt sich die Frage, ob Kommunikationsguerilla wieder einmal ein männerdominierte Aktionsform ist.
Nicht alle gelungenen Aktionen sind wiederholbar. Eine Aktion, die an
einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit erfolgreich war, ist nicht
unbedingt jederzeit auf einen anderen Ort übertragbar.
In Österreich ist die Diskussion über Kommunikationsguerilla
von Skepsis geprägt. Vor allem wird immer wieder die Befürchtung
geäußert, daß Übertreibungen von der Realität
eingeholt werden können und mensch dann ziemlich blöd dasteht.
Ein Versuch der JRE, die FPÖ in einer Straßenaktion durch karikaturartige
Überzeichnung zu verarschen bzw. zu entlarven, ist leider völlig
in die Hose gegangen: Die Leute waren trotzdem begeistert. Offenbar ist
in diesem Land keine Entlarvung durch Übertreibung (Überidentifizierung)
von rassistischen Diskursen mehr möglich. Alles, bis zur geschmacklosesten
Forderung wird bejubelt und ernst genommen. Traurig, aber kein Grund in
Resignation zu verfallen. Denn es gab auch in Österreich ein paar
wirklich nette Geschichten. Neben dem einen oder anderen "Fake" oder der
Aktion "Stoppt die KatholikInnenflut!" (über 90% aller StraftäterInnen
sind katholisch! Zurück in den Vatikan mit ihnen!) gab es auch im
Rahmen der StudentInnenstreiks 1996 äußerst kreative "Sparguerilla".
Unvergessen wohl auch die Chaostage Salzburg: Stell dir vor, es sind Chaostage,
und keineR geht hin (außer ein paar hundert PolizistInnen). Auch
in Österreich gibt es ja einen kollektive Mythos, eine Figur, die
ähnlich wie "Luther Blissett" funktioniert: M. Novak, wohnhaft in
Wien, der multiple Name für alle Gelegenheiten. Eines wird dabei aber
gerne vergessen: M. Novak ist (auch) eine Frau!
aus: TATblatt Nr. +100 (12/98) vom 18. Juni 1998
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