Die große Stunde der österreichischen Flüchtlingspolitik schlug 1956. Ungefähr 180.000 UngarInnen flohen nach Österreich. Eine einmalige Chance, dem Westen zu beweisen, welcher Seite im Kalten Krieg sich Österreich, trotz offizieller Neutralität seit 1955, zugehörig fühlte. Die Betreuung der Flüchtlinge wurde zur groß angelegten Imagekampagne, wobei gleichzeitig darauf geachtet wurde, die Flüchtlinge so schnell wie mögliche wieder los zu werden. Nach wenigen Monaten, als für die Aufnahme kein internationaler Applaus mehr zu erwarten war, wurden die einstigen "Freiheitshelden" vom Innenminister daran erinnert, daß sie auch Pflichten hätten und in Zeitungen als arbeitsscheue Faulenzer beschimpft.
In den `70er Jahren dienten die über Vermittlung der UNO aufgenommenen Flüchtlinge (aus z.B. Chile oder Vietnam) wieder für eine Art Imagekampagne. Die sozialistische Alleinregierung unter Kreisky vertrat das Konzept einer aktiven Außen- und Neutralitätspolitik, die als Teil der Sicherheitspolitik verstanden wurde und da machten sich ein paar hundert aufgenommene Flüchtlinge ganz gut. Eine besonders herzliche Aufnahme und sensible Betreuung der Flüchtlinge hatte diese Politik jedoch auch nicht zur Folge.
Die Verschärfung des Asylgesetzes und die Bewachung der Ostgrenze durch das Militär Anfang der `90er war eine Vorleistung des noch-nicht-EU- und Schengenmitglieds Österreich an die EU-Festung-Europa-Politik. Passend zur neuen Politik änderte sich auch die entsprechende Argumentationslinie, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen ging. Jahrzehntelang hat Österreich die Position des "Erst-Asyllandes" für sich beansprucht und darauf hingewiesen, daß es sich nicht als endgültiges Asylland, sondern nur als Durchgangsland versteht. Es sei Österreich nicht zuzumuten, daß es aufgrund seiner geopolitischen Lage alle Flüchtlinge im Land aufnehmen muß. Die anderen Länder hätten die Verpflichtung Österreich zu unterstützen. Heute werden Flüchtlinge aus Österreich in "Erstasylländer" (jetzt Drittstaaten) mit dem Argument zurückgeschoben, sie hätten dort bereits Schutz vor Verfolgung gefunden und Österreich sei deshalb nicht verpflichtet, sie aufzunehmen.
Auffällig sind auch die Zeitpunkte, zu denen Asylgesetze beschlossen wurden. Bis 1968 gab es gar kein Asylgesetz im eigentlichen Sinn und die Rechtslage für Flüchtlinge war sehr unsicher. Es darf daran erinnert werden, daß Österreich auch die Genfer Flüchtlingskonvention nur mit Vorbehalt unterzeichnete. Die Vorbehalte betrafen genau jene Punkte, die den Flüchtlingen Rechte (z.B. auf Arbeit) einräumten. 1968, als in Österreich Arbeitskräfte Mangelware waren, wurde das erste Asylgesetz verabschiedet. Jetzt schien eine Verbesserung der Rechtsstellung für Flüchtlinge tragbar oder notwendig, schließlich waren auch Flüchtlinge potentielle Arbeitskräfte.
1991, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Ende des Kalten Krieges, als die Menschen Osteuropas erstmals die vom Westen ständig geforderte Reisefreiheit genießen konnten, wurde das Asylrecht entscheidend verschärft. Die zeitliche Parallelität von Kaltem Krieg und aktiver westlicher Asylpolitik verstärkt die These, daß die westliche Flüchtlingspolitik zwischen Genfer Flüchtlingskonvention und dem Fall der Berliner Mauer vorrangig als ein Aspekt des westlichen Antikommunismus zu werten ist.
Die Flüchtlingspolitik der Neunziger Jahre läßt sich durch ein Zitat aus einer Studie des UNHCR-Büros in Wien treffend beschreiben.
"Die zentralen Vergünstigungen des AsylG 1991 (vorläufige Aufenthaltsberechtigung, Asylgewährung) sind zwar von Gesetzes wegen als prozessual durchsetzbare subjektiv öffentliche Rechte konstruiert; gleichzeitig sind diese Rechtspositionen jedoch so umfassend zu Lasten des Asylwerbers formuliert (oder werden in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis in diesem Sinne ausgelegt), daß die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erwerb der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung bzw. für die Asylgewährung in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle rechtlich überhaupt nicht erfüllt werden können. Würde also in der Verwaltungspraxis einheitlich vorgegangen, so wären praktisch alle Asylwerber - zumindest im Ergebnis - von der Asylgewährung ausgeschlossen."
Was Österreich jetzt mit seinem Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik versucht, ist die tägliche Praxis im Umgang mit Flüchtlingen rechtlich festzuschreiben und europaweit durchzusetzen. Typisch österreichisch dabei ist, den AsylwerberInnen möglichst alle Rechte zu streichen und das Asylrecht zum Gnadenakt verkommen zu lassen. Ausgangspunkt des Papiers ist eine Analyse der Migration der letzten Jahre und der Entwicklungstrends. Dabei werden sämtliche Erkenntnisse der Migrationsforschung, die nicht ins Konzept passen, beiseite gelassen. Die Tatsache, daß sich in Europa im Vergleich zu vielen afrikanischen und asiatischen Ländern sehr wenige Flüchtlinge und MigrantInnen aufhalten, wird natürlich nirgends erwähnt. Vielmehr wird ein Katastrophenszenario ("Migrationskatastrophe") gezeichnet, dem nur mit radikaler Abschottung, Überwachung ("Kontrollfilter", "Sicherheitsschleier", etc.) und Erpressung der Herkunfts- und Transitländer beizukommen ist. "Zur Reduzierung des Migrationsdrucks" soll "im Nahbereich Europas (...) nicht nur auf politischer Ebene" agiert werden. Aus dem Kontext geht klar hervor, daß damit Militäreinsätze gerechtfertigt werden sollen. Europa hat laut dem Verfasser, da es von den "Migrationsfolgen" betroffen ist, "jede Legitimation, aufgrund eigener Entscheidungen bei solchen drohenden Krisen zu intervenieren." Dabei geht es nicht nur um die "Verhinderung und raschen Eindämmung von Konflikten", sondern auch um die "Herstellung von Normalisierung" was immer das auch heißen soll.
Weitere Zitate aus dem Papier: "Ein Gesamtsystem, wonach im Fall eines nicht auf die vorgeschriebene Weise erfolgten Grenzübertritts jedenfalls zunächst der status quo ante herzustellen ist - also die Rückschaffung über die Grenze - und alle Verfahren erst danach durchgeführt werden, wäre mit Sicherheit sehr hilfreich." "Hier stellt sich dann tatsächlich die Frage, ob eine Neukonzipierung nicht auch Ansätze vom Beginn der Entwicklung des Asylrechts einbeziehen sollte, als die Schutzgewährung nicht als subjektives Individualrecht, sondern als politisches Angebot des Aufnahmelandes verstanden wurde." "Die Rücknahme zwischen Transitstaaten muß unabhängig von der Einbringung von Individualanträgen des Betroffenen erfolgen, sonst hat es der einzelne in der Hand, aufgrund der aufschiebenden Wirkung von Anträgen die völkerrechtlichen Vereinbarungen faktisch außer Kraft zu setzen." "In diesem Kontext spielt mit Sicherheit (...) die Beseitigung der aufschiebenden Wirkung von bestimmten Rechtsmitteln im innerstaatlichen Recht eine wichtige Rolle." "Letztlich ist im Kontext eines künftigen umfassenden Rechtsakts auch die Frage zu klären, ob sich das in Europa in ganz anderen verwaltungsrechtlichen Zusammenhängen entwickelte Rechtsstaatskonzept und das Modell rechtsförmig durchsetzbarer subjektiver Rechte tatsächlich noch für den Flüchtlingsbereich als einziges Instrument eignet. Man könnte durchaus auch an eine Reform des Asylbereichs mit einem Übergang zu weniger rechtsstaatsorientierten, sondern eher politisch orientierten Schutzkonzepten denken."
Das Strategiepapier wurde inzwischen vom K-4-Ausschuß zurückgewiesen. Die Diskussionen gehen auf EU-Ebene jedoch weiter. Es ist nur zu hoffen, daß sich nicht Scharfmacher wie Österreich und Deutschland durchsetzen, obwohl die Chancen sehr schlecht stehen, weil Deutschland enormen Druck auf die anderen Länder ausübt und nach Österreich die EU-Präsidentschaft übernehmen wird.