TATblatt


Wien - Augarten:

"Wiedergutmachung" mit Begleitmusik

Um den Wiener Augarten, einer großen Grünanlage im 2. wiener Bezirk, gibt's wieder Wickel: Wie bereits vor etwas mehr als einem Jahr protestieren AnrainerInnen gegen die Verbauung von 4.000 bis 6.000m der Anlage. Und wie beim Anlaßfall "Lauder-Chabad-Schule" (das TATblatt berichtete recht ausführlich) steht wieder eine jüdische Organisation im im Zentrum des Konflikts: der Sportklub "Hakoah".

TATblatt
Begonnen hat alles mehr oder minder im Jahre 1909 mit der Gründung des jüdischen Sportvereins "Hakoah". Bereits wenige Jahre nach der Gründung war "Hakoah" (hebräisch: Kraft) der größte jüdische Sportverein Europas. Im Jahre 1923 eröffnete der Verein eine eigene, mehr als 20.000 ZuseherInnen fassende Sportanlage in der Krieau, unmittelbar neben dem heutigen Wiener Stadion. Quasi zur Feier der neuen Anlage wurde "Hakoah" 1923/24 österreichischer Fußballmeister. Weiters brachte es der Verein in den ersten 29 Jahren seiner Existenz zu einer großen Zahl österreichischer Titel und Teilnahmen an internationalen Bewerben in allen möglichen Sportarten.

Ob dieser Erfolgsgeschichte, die so gar nicht ins antisemitische Bild von den angeblich ewig schmarotzenden und ohne Leistung auf Kosten der angeblichen "Wirtsvölker" lebenden JüdInnen passte, mag es nicht verwundern, daß der Sportverein eines der ersten Opfer Nationalsozialistischen Terrors war: Bereits Anfang April 1938 wurde der Verein aufgelöst, die Sportanlage "beschlagnahmt", zwei zufällig anwesende Funktionäre ins KZ-Dachau verschleppt.
 

52 Jahre Bemühungen um Rückgabe

Die Bemühungen des Vereins um Rückgabe des 1938 geraubten Eigentums blieben seit 1946 ohne Ergebnis. "Unsere Mitglieder trainieren über ganz Wien verstreut. Die Tennisspieler da, die Volleyballer dort", sagt der Sportmediziner Dr. Paul Haber, Präsident von "Hakoah". "Aber wir hatten Sportanlagen auf unbestimmte Zeit gemietet, und die wurden uns geraubt."

Die Chance, die ursprünglich "Hakoah"-Gründe zurückzubekommen, sind denkbar schlecht. Auf den dort zur Zeit befindlichen Anlagen spielen ein Fußballverein sowie ein Sportverein der Finanzministeriumsbeamten. Beide sind, so sagt mensch im zuständigen Wirtschaftsministerium, mit langfristigen Verträgen ausgestattet und in absehbarer Zeit kaum vom Platz zu bringen (daß politischer Wille zur Lösung solcher Probleme bisweilen Wunder vollbringen kann, hat sich - wie es scheint - noch nicht bis ins Wirtschaftsministerium herumgesprochen). Von größerer Tragweite dürfte jedoch ein anderes - nicht direkt ausgesprochenes - Argument besitzen: Sollte "Hakoah" jenes Grundstück zurückerhalten, das dem Verein tatsächlich geraubt wurde, käme das einer Anerkennung eines Rückgabeanspruchs gleich. Ein solcher Präzedenzfall könnte enorme Folgen nach sich ziehen: immerhin wurden 1938 mehr als zehn Prozent der Wiener Wohnungen und Häuser ihren EigentümerInnen geraubt...
 

Ein erster Lichtschimmer

Andere "Hakoah"-Vorschläge wurden seitens des Bundes und der Gemeinde Wien in aller Deutlichkeit abgelehnt: Über die Spenadlwiese im Prater, etwa, gibt es nichts zu reden (da soll schließlich demnächst die U-Bahn darunter durchfahren und damit das Gelände zu höchst wertvollem Betriebsgelände für Restaurants etc. veredeln; aber das ist eine TATblatt-Anmerkung).

Irgendwann im Frühjahr 1998 kam ein wenig Bewegung in die Angelegenheit "Hakoah": Dem Verein wurde ein bisher nicht öffentlich zugänglicher Teil des Augartens (bisher eine Baumschule) angeboten; und er sieht keinen Grund, das Angebot abzulehnen: "Bis vor Kurzem war die Rückgabe geraubten Eigentums kein Thema", meint Präsident Haber. "Jetzt ist es zufällig gerade ein Thema und die Chancen, etwas zurückzubekommen, stehen gut; in fünf Jahren ist es vielleicht kein Thema mehr. Ich bitte daher um Verständnis, daß wir nach 60-jährigem Warten das nehmen, was uns angeboten wird." Wobei das Angebot selbst nicht ganz schlecht ist: "Die Nähe zu zwei jüdischen Schulen, die eine gewisse Grundauslastung der Anlagen auch am Vormittag ermöglicht, ist natürlich gut."
 

Park-Öffnung versus Rückgabe?

Die "Bürgerinitiative Rettet den Augarten" hingegen kann nichts Gutes an der Sache erkennen. Ihrer Ansicht nach will das (für Bundesgärten wie den Augarten zuständige) Wirtschaftsministerium mit dem Augarten-Angebot einerseits lästige Forderungen seitens jüdischer NS-Opfer loswerden, ohne deren tatsächliche Ansprüche anzuerkennen; andererseits aber dies auf kostengünstige Weise tun: Eine Rückstellung der geraubten Gründe selbst würde, da Nutzungsrechte abgegolten werden müßten, Geld kosten. Eine Übergabe anderer Grundstücke würde erwartete Einnahmen (durch Verkauf oder Vermietung) reduzieren. Nur das Augartengrundstück kostet eben nichts, weil es für das Ministerium de facto nicht verwertbar ist.

AktivistInnen der Bürgerinitiative sehen auch noch andere Gesichtspunkte: Mit dem Bau der Sportanlagen würde den BewohnerInnen eines der dichtest besiedelten Teile Wiens der Zugang zur Grünoase Augarten genommen. Für diese Menschen, zu sehr hohem Prozentsatz MigrantInnen, die in engsten Verhältnissen wohnen müssen, sei der Zugang zum Park jedoch geradezu lebensnotwendig. Diesen Menschen würde mit der Verbauung der einzige Kinderspielplatz genommen werden (der nächste innerhalb des Augartens liegt gut 500 Meter entfernt; für eine Betreuungsperson mit zwei kleinen Kindern ein Unterschied von halben Stunde, hin und retour gerechnet). Und schließlich stünde eine weitere Verbauung auch den Plänen einer vollständigen Öffnung des Augartens im Wege. Zur Zeit sind nämlich nicht einmal fünfzig Prozent des Gartens öffentlich nutzbar: Sängerknaben, Porzellanmanufaktur, diverse Versuchsgärten usw. versperren der Öffentlichkeit den Zugang zum größten Teil des von Josef II. geöffneten Gartens.
 

Untertöne?

Wie auch schon beim Konflikt um die "Lauder-Chabad-Schule" stellen sich aber auch jetzt wieder antisemitische Töne ein: In einem ersten Flugblatt war unter anderem von "Mißbrauch des wichtigen Gedankens der Wiedergutmachung" die Rede. Ebenso davon, daß "der Unmut der Bevölkerung ... mit Antisemitismus verwechselt" würde. Diese "Verwechslung" leicht gemacht haben Statements wie jenes der BI-Sprecherin Renate D., die dem KURIER gegenüber Bundeskanzler Klima aufgefordert hat, "den Eklat, der durch diese neuerliche Sonderstellung einer Bevölkerungsgruppe vorprogrammiert ist, zu vermeiden".

Kritik an dieser Sprache hat AktivistInnen im Aktionsradius Augarten irritiert und vorsichtig gemacht. Auf zitiertes Flugblatt angesprochen meint mensch dort, daß es sich um eine erste Schnellreaktion nach bekanntwerden der Pläne handle, ... und um "eine zu sehr vereinfachte Darstellung der Lage". In neueren Stellungnahmen (wie etwa in untenstehender) betont die BI ihre Unterstützung der "Hakoah"-Ansprüche und sucht sich deutlich von jeder Vereinnahmung durch AntisemitInnen abzugrenzen; und schließlich machten sich AktivistInnen des Aktionsradius auch auf Alternativensuche innerhalb des Augartens. Solche müssten jedoch auch die Nutzungsrechte eines nationalen Heiligtums, der Sängerknaben, ankratzen. Und da, meinen BI-Mitglieder leicht resignierend, würde wohl eine antisemitische "Welle der Empörung" unvermeidlich sein. Resümierend in einer Stellungnahme des Aktionsradius: "Wer immer sich punktuell mit einer jüdischen Organisation anlegt, dient dem breiten, niemals wirklich überwundenen antisemitischen Milieu als willkommenes Trittbrett (und wird, das ist die Kehrseite der Medaillie, von philosemitischer Seite in den Topf des Antisemitismus geschmissen).

Mit beiden ist der Aktionsradius Augarten nun konfrontiert: mit falschen Bündnispartnern und mit falschen Zuordnungen. Es ist oft nicht leicht, in dieser Situation klaren Kopf zu behalten."



"Diese Wiedergutmachung dient der Vertuschung..."

Stellungnahme des Aktionsradius Augarten

Im Folgenden ein Interview mit VertreterInnen des Aktionsradius Augarten.

 
Was sind die zentralen Kritikpunkte Ihrer Initiative an der geplanten Übergabe von Grundstücken innerhalb des Augartens an die Hakoah? Welches Ziel verfolgt Ihre Initiative? Welche Personen/ Parteien/ Gruppierungen unterstützen Ihre Initiative? Haben Sie mit der Israelitischen Kultusgemeinde oder der Hakoah Kontakt aufgenommen? Haben Sie mit dem Wirtschaftsministerium Kontakt aufgenommen? Das Flugblatt "Der Augarten darf nicht verkauft werden" ist unserer Ansicht nach geeignet, antisemitische Ressentiments zu wecken bzw. anzusprechen. Wie geht Ihre Initiative damit um? Wollen Sie zum Abschluß noch etwas sagen, was Ihnen besonders wichtig ist?

aus: TATblatt nr. +103 (15/98) vom 8. oktober 1998
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