"Das TATblatt soll eine selbstverwaltete linke Zweitageszeitung zur Verbreitung unterdrückter Nachrichten werden, ..." (TATblatt nr. minus-101, seite 1)
Mit diesen worten begann vor nun genau zehn jahren ein stück mediengeschichte - im leitartikel auf seite 1 der ausgabe minus-101 des TATblatts. Ein stück linker mediengeschichte, das nicht gerade viele spuren in einer welt hinterlassen hat, die sich allen unseren anstrengungen zum trotz ganz anders entwickelt hat, als wir uns das vorgestellt haben. Österreich liegt heute in europa, dafür wurde osteuropa abgeschafft und vor zwei monaten musste auch noch unser langjähriges büro in der gumpendorferstraße aufgegeben werden.
Zwischendurch, im jahre 1995, wäre zwar beinahe die gesamte bundesregierung, zumindest aber der innenminister, über das TATblatt gestolpert, allerdings ohne dass wir dazu allzu viel beigetragen hätten. Über nacht fanden wir uns im zentrum des netzwerks linken terrors wieder, erfuhren von hausdurchsuchungen in unserer redaktion, die nie stattgefunden haben, von dabei angeblich beschlagnahmten erlagscheinen, die allerdings immer noch verstaubt in unseren ordnern lagen, von karrieren ehemaliger TATblatt-mitarbeiterInnen, die wir nie kennengelernt haben, und von förderungsmillionen, die uns leider nie ausgehändigt wurden. Tagelang füllten wir die titelblätter aller tageszeitungen, waren wir zentrales thema jeder zeit-im-bild-sendung. Eine ganze sondersitzung des nationalrats drehte sich nur um uns und unsere angeblichen mitarbeiterInnen und sponsorInnen. Und unsere eigene auflage stieg ins schier unermässliche, und wäre auch noch viel weiter gestiegen, wenn wir bloß mit dem drucken nachgekommen wären. Vom TATblatt nummer +35 verkauften wir innerhalb von zwei tagen ganze 12.000 exemplare.
Halten konnten wir diese auflage leider nicht, und die interessierten massen leider auch nicht so richtig von unseren inhalten überzeugen.
Die suche nach perspektiven für alternativmediale gegenmacht, für
gesellschaftliche veränderungen, für den kampf gegen unterdrückung
und ausbeutung geht also weiter, zehn jahre nach unserer ersten ausgabe,
vier jahre nach der um uns herum inszenierten regierungskrise und zwei
monate nach unserem umzug ins ekh in der wielandgasse. Wie in unseren anfangstagen
drehen sich unsere hauptprobleme um finanzielle und personelle ressourcen,
die nicht ausreichen, um unsere vorstellungen zur gänze zu verwirklichen.
Immer noch warten wir auf das große geld und die unzähligen
artikel, die uns zugeschickt werden. Und dennoch: Immer noch wollen wir
zeigen, "das Widerstand gegen menschenverachtende Strukturen, gegen Rassismus,
Patriarchat, Umweltzerstörung und einfach jede Form von Unterdrückung
und Ausbeutung möglich, sinnvoll und notwendig ist" (Wozu TATblatt?,
in TATblatt +35, seite 10f).
In erwartung von artikeln, leserInnenbriefen, abobestellungen und -verlängerungen, glückwunschkarten und -e-mails verbleiben wir mit einem allerallerherzlichsten
liebe und kraft!
und freuen uns auf ein weiteres kämpferisches jahrzehnt - mit euch!
ps: Wir bitten von blumenspenden abzusehen und ersuchen, euer geld lieber auf das konto psk 92.037.311 des vereins "infrastruktur" einzuzahlen. Wir können es brauchen!
aus: TATblatt nr. +104 (16/98) vom 22. oktober 1998
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