Seit 24. März 1999 bombardiert die NATO Ziele in der jugoslawischen Teilrepublik Sebien. Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, die Lage eskaliert weiter. Der Krieg droht sich auf die benachbarten Staaten auszudehnen und die einzige Antwort von NATO und EU ist es, die "Luftschläge" weiter zu intensivieren - für "demokratische Ziele". So wird am Ende des 20. Jahrhunderts ein Angriffskrieg zur humanitären Intervention erklärt.
kkx
1989 nahm die serbische Regierung die Autonomie der Provinz Kosov@ zurück und begann eine Politik der Unterdrückung der albanischen Bevölkerung in diesem Gebiet. Durch die wirtschaftliche Zwangsverwaltung verloren etwa 130.000 Kosov@-AlbanerInnen ihre Arbeitsplätze. Als der Versuch scheiterte, einen von Belgrad aus diktierten Lehrplan durchzusetzen, wurden die Schulen und Universitäten geschlossen.
Die albanische Bevölkerung des Kosov@ wehrte sich acht Jahre lang
mit gewaltfreien Mitteln gegen Fremdherrschaft und Diskriminierung durch
die serbischen Zentralregierung. Es gelang, wirtschaftliche Nischen zu
finden und ein Bildungssystem im Untergrund aufzubauen, über das 300.000
SchülerInnen unterrichtet wurden. All ihre Hilferufe wurden von
westlichen PolitikerInnen ignoriert. Verzweifelt versuchten solidarische
Gruppen auf das Schicksal der Kosov@-AlbanerInnen aufmerksam zu machen.
Immer wieder wurde auch die österreichische Regierung aufgefordert,
sich gegen die andauernde Verletzung der Menschenrechte im Kosov@ auszusprechen.
Es passierte nichts.
Auf der anderen Seite zeigt die Asylpolitik gegenüber den AlbanerInnen, die seit Jahren aus dem Kosov@ fliehen, daß sich in Wahrheit niemand um die Situation der Menschen schert. Für die militärische Propaganda und das Erreichen einer öffentlichen Legitimation zum Krieg gegen Jugoslawien wurde die serbische Polizei schon seit geraumer Zeit als ein Haufen blutrünstiger, mordender Bestien dargestellt. Doch die Praxis mit der sich Flüchtlinge aus der Region konfrontiert sahen, widerlegt das Humanitätsgefasel der Regierungen schnell. Bis zum Tag der Bombardierungen saßen Flüchtlinge aus Kosov@ in Schubhaft und waren ständig von Abschiebung bedroht.
Seit vielen Jahren leiden die AlbanerInnen in Kosov@ unter der serbischen
Unterdrückung. Viele Menschen haben das Land verlassen und in den
umliegenden Staaten, in der EU und auch in Österreich Schutz vor Verfolgung
gesucht. "Die Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist gering, daher gibt
es keinen Schutz vor Abschiebung" attestierten die Behörden. Aber
auch von prominenter Stelle kommt Kritik am Umgang mit den Flüchtlingen
aus Kosov@. So betonte ein Londoner Obergericht im Februar: "Die meisten
EU-Staaten sind keine sicheren Drittländer für Kosov@albaner
- wegen der geringen Anerkennungsquote würde den meisten Flüchtlingen
die Abschiebung drohen".
Es gibt kein Öl in Kosov@?
Das westliche Kriegsbündnis sucht nach neuen Aufgaben. Alte vorgegaukelte Feinde sind verloren. Die Ost-Westteilung funktioniert nicht mehr und ein riesiger aufgeblähter Kriegsapparat braucht eine Legitimation. Zur Vorbereitung darauf hat sich die NATO in den letzten Jahren eine neue Struktur verpasst. Die NATO geht selbst in ihren Papieren davon ab, ein Verteidigungsbündnis zu sein und legitmiert sich selbst als oberster Wachmann, der nur noch den Gesetzen der Globalisierung unterworfen ist. Die gleichen kriegerischen Handlungen, die noch vor kurzem als "Verteidigung" verkauft wurden, werden jetzt offen von führenden PolitikerInnen als Angriffskrieg bezeichnet. Wichtig dafür ist die Änderung des Artikel 5 der NATO-Charta: Statt der Verteidigung der nationalen Grenzen der Mitgliedsländer sollen in Zukunft deren "Sicherheitsinteressen" verteidigt werden, und zwar weltweit.
Die neuen B2-Bomber sind erstmals im Einsatz, die deutsche Bundeswehr nimmt erstmals offen am NATO-Krieg teil. Die neuen Mitglieder und die Partnerschaft für den Frieden werden in die Kommandostruktur eingebunden. Und es gibt auch noch eine ganze Menge Geld, um den Wahnsinn weiter finanzieren zu können. Eine Cruise Missile Rakete kostet 1 Million Dollar. US-Präsident Clinton gab in der Vorwoche seine Zustimmung für weitere 6 Milliarden Doller um den Krieg weiter zu finanzieren. Das Pentagon beabsichtigt nach einem Bericht der "New York Times" die Einberufung von 33000 Reservisten. 300 weitere Flugzeuge sind vor zwei Wochen verlegt worden. So stehen der Kriegsallianz jetzt über 1000 Kampfjets zur Verfügung. Von einem Ende ist keine Rede mehr. Selbst Teile der ehemaligen Friedensbewegung haben Schwierigkeiten, die Intentionen der NATO auf dem Balkan zu durchschauen. Dort gibt es kein Öl, wird argumentiert, und so wird versucht, den Massenmord zu einem "Guten Krieg" der NATO-Menschenrechtssoldaten zu machen.
Um die öffentliche Meinung für den Krieg gegen die Menschen
in Jugoslawien zu mobilisieren, beschwor Clinton in seiner Rede an die
Nation das Bild von "Kindern im Visier der serbischen Scharfschützen".
"Meiner Meinung nach", so der Berater des Präsidenten bei einer Pressekonferenz,
"steht hier die Zukunft der NATO auf dem Spiel, denn wenn sie sich als
unfähig erweist, mit einer schlimmen Bedrohung mitten in Europa fertig
zu werden, dann verliert die NATO ihre Daseinsberechtigung". Darum geht's
und nicht um irgendwelche humanitären Operationen.
Nationalismus und Gewalt
Die Lage in Kosov@ ist schon seit zehn Jahren äußerst gespannt. Milosevic benützte den Mythos Amselfeld für seine Erlangung der Macht in Serbien. Mit seiner nationalistischen Hetzpropaganda hat er es scheinbar geschafft, Kosov@ wieder zur "Wiege der Serbentums" zu erklären. Damit war ein wichtiger Grundstein für den serbischen Nationalismus gelegt. Dieser Nationalismus wird jetzt als die Ursache für die Situation in Kosov@ dargestellt.
Der Mythologisierung des Krieges bedient sich nicht nur der serbische Staat. Die Propagandaspots des serbischen Fernsehens lassen sich leicht auf die Darstellung des Kriegs in westlichen Medien übertragen. Es geht um die Präsentation von "unserer Armee" und "unseren Siegen", die die ZuschauerInnen aus einer distanzierten Position aufnehmen. Andererseits wird (siehe Nachbar in Not) eine naive Seifenoper produziert, die alle Vertriebenen zu Opfern der serbischen Polizei erklärt und die Verantwortung der NATO an der Eskalation und am Krieg völlig verschweigt. Schuld an allem seien die serbischen Nationalisten, wird suggeriert. Jede Information etwa über antimilitaristische Bewegungen in Jugoslawien wird verschwiegen, die würde auch nicht ins Medienbild der blutrünstigen Tschetniks passen.
Gerade in Restjugoslawien gab es eine starke Antikriegsbewegung. Während des Kriegs in Bosnien waren es zeitweise weniger als 10%, die einer Einberufung tatsächlich noch nachgekommen waren. 80.000 Unterschriften wurden gegen die "Einberufungen zu Wehrübungen" (damit waren die Kriegseinsätze in Bosnien, Herzegowina und Kroatien gemeint) gesammelt. Doch auch in diesen Tagen lassen Meldungen aufhorchen, wonach in Sandschak viele hundert junge Männer vor der Zwangsrekrutierung nach Sarajewo geflohen sind. Das Fernsehen in Jugoslawien fordert die Menschen auf, herumliegende Waffen einzusammeln und abzugeben. Gleichzeitig wird ständig mit der Todesstrafe für Deserteure gedroht. Das läßt eine etwas andere Realität annehmen, als sie uns ständig vermittelt wird. Und es gibt den Widerstand gegen den Krieg noch immer. Woman in Black und viele anderen Gruppen betreiben weiter ihre Vernetzungsarbeit zwischen Belgrad und Pristina. Noch 1998 veranstaltete die jugoslawische und die kroatische Antikriegsbewegung gemeinsam ein internationales Treffen der WRI (War Resistors International). Bei ihren wöchentlichen Mahnwachen schrien vor allem die Frauenbewegungen immer wieder auf und wehrten sich gegen die Gewalt beider Seiten. All diese Bemühungen um eine gewaltfreie Lösung, den Versuchen neben aller völkischen Verhetzung weiterhin an Alternativen zu arbeiten, all das wird durch diesen Krieg zerstört.
Wenn dann zugegeben werden muß, daß die NATO eine Kolonne
von Flüchtlingen angegriffen hat und eingesteht, daß sie nur
eine Trefferrate von 80% vorlegen kann, dann wird die Kriegstaktik von
Milosevic dafür verantwortlich gemacht. Politiker und Militärs
wissen sehr genau, welche Waffen in Kriegen wirklich eingesetzt werden,
um die Zivilbevölkerung zu demoralisieren. Menschliche Schutzschilde
für Militärs, Massenvergewaltigungen, Zwangsrekrutierung ...
Wenn Militärs erklären, daß der beschossene Konvoi aussah
wie ein Militärtransport, dann zeigt das nur auf, daß es eben
nicht möglich ist, diese Unterscheidung exakt zu treffen. Das ist
das Risiko mit dem die NATO kalkuliert. Die Menschen, die sie dadurch ermorden,
sind ihnen egal.
Grüne Tarnkappenbomber
Ohne viele Gedanken an den Parlamentarismus zu verschwenden, ist es trotzdem eine fundamentale Änderung im politischen Geschehen der Herrschenden, daß es in den Parlamenten nicht einmal mehr eine verbale Opposition gegen den Krieg gibt. Erneut muß hier aufgezeigt werden, daß nur ein Ende jeder Macht den Krieg überwinden kann. Zunächst ein kurzer Blick nach Deutschland:
Noch im Golfkrieg 1991 forderte der jetzige deutsche Außenminister Fischer den damaligen Kanzler Kohl auf, den USA die Gefolgschaft zu verweigern. 1998 nannte die "friedens"politische Sprecherin der Grünen Angelika Beer den Krieg im Irak "riskant aber verständlich". Vorstandssprecherin Antje Radcke meinte: "völkerrechtlich bedenklich, aber Hussein hat eine Reaktion provoziert", und Fischer selbst: "Hussein trägt die Verantwortung für den Angriff." Noch ein kleines Angelika-Beer Zitat: "Zu sagen, Militär ist blöd, damit will ich nichts zu tun haben".
Schon am 16. Oktober 98 stimmten fast alle Abgeordneten der neuen deutschen rot-grün Koalition für einen Einsatz der Bundeswehr über Kosov@. Am 13.11. und am 19.11. gab die Bundestagsmehrheit das OK für die Teilnahme der Bundeswehr an einer NATO-Operation und an der sog. "Extraction Force" die inzwischen mit eindeutigem Kampfauftrag in Mazedonien stationiert ist.
"Kontinuität der deutschen Außenpolitik." Nichts hat die rot-grüne Regierung bisher ernster genommen als dieses Versprechen des grünen Außenministers Fischer.
Vor vier Jahren, stimmte der Bundestag einer Beteiligung deutscher Truppen am "Friedenseinsatz" in Bosnien zu. Nur vier VertreterInnen der Grünen lehnten den Militäreinsatz ab. Seit 1995 sind die Grünen auch damit beschäftigt, sich auf die Regierung vorzubereiten.
Fischer warf den KritikerInnen damals vor, seiner Karriere im Weg zu stehen: "Falls die Partei die fundamentale Absage an militärische Gewalt ernst meint und für eine Abschaffung der Bundeswehr und den Austritt aus der NATO einen Plan vorlegt, wird sie für eine Regierungsbeteiligung im Bund weder einen Partner noch eine Mehrheit finden."
Daniel Cohn-Bendit, grüner Europaratsabgeordneter kritisierte damals:
Eine Partei, die auf Bundesebene regierungsfähig werden will, muß
in der Außenpolitik zu einer Linie finden, die von den Bündnispartnern
der Bundesrepublik akzeptiert wird". Macht geht eben über alles, und
so wird mit der Zeit aus dem "revolutionären Kampf" des Joschka Fischer
ein deutscher Kampfeinsatz.
Militarismus im Parlament - Wien
Die parlamentarischen Reste der Friedensbewegung engagieren sich fürs Jägerbataillon, der Kriegsminister erzählt über die österreichische Verteidigungsbereitschaft und dann wird doch tatsächlich leise angefragt, ob die aktive Teilnahme Österreichs an der Auflösung Jugoslawiens wirklich so gscheit war.
Am 26. März kam es im Parlament zu einer ausführlichen Debatte über die Verteidigungsbereitschaft Österreichs. Bösch (F) skizzierte ein Bedrohungsszenario für Österreich und seine Truppen im Ausland. Der Kriegsminister ging begeistert auf das Thema ein. Fasslabend erklärte, daß er jeder Zeit in der Lage sei, 10.000 Mann bereitzustellen. Wenn es schlimmer wird, hätte der Minister gleich 100.000 Soldaten zur Hand. Außerdem gibt es noch das "hervorragende Luftraumüberwachungssystem und den in den letzten Jahren getätigten Ankauf von Boden-Luft-Raketen und Luft-Luft-Systemen". Dann erklärte der Minister, "es sei zwischen Experten umstritten, ob es sich bei der militärischen Aktion in Jugoslawien um Krieg handle". Abschließend meinte er, daß die Überflugsgenehmigungen nicht erteilt wurden, weil das zur strafrechtlichen Verfolgung von Regierungsmitgliedern führen könnte. Cap (SPÖ): "War es wirklich ein intelligenter Schritt, an der Auflösung Jugoslawiens aktiv teilzunehmen".
Am Ostermontag wurde in einer Dringlichkeitssitzung ein Hilfsprogramm der Bundesregierung in Kosov@ beschlossen. Natürlich nur für albanische Flüchtlinge, diese völkische Differenzierung läßt sich Österreich nicht nehmen. Der Kriegsminister leitet den Einsatz scheinbar und erzählt frei darüber, daß für das Projekt 500 Millionen Schilling zur Verfügung stehen. Davon sind 260 Millionen für den Aufbau des Lagers, also für das Jägerbataillon, und 150 Millionen für die Unterbringung der Flüchtlinge in Österreich. Dann darf Fasslabend auch noch seine Sicht der Dinge für den weiteren Verlauf der NATO-Einsätze kundtun, und schließt mit "Bodentruppen werden in jedem Fall eingesetzt, das ist nur noch eine Frage der Zeit". Scheibner (F) stimmte der Aktion inhaltlich voll zu und begrüßte ausdrücklich, dass der Schwerpunkt der Hilfe vor Ort liege.
Die Grünen wurden von Mock dazu angewiesen, sich an der "respektbietenden
Haltung ihres Parteifreundes, des deutschen Außenministers Fischer"
ein Beispiel zu nehmen. Das taten sie wohl auch. Kritik an der österreichischen
Haltung, an der Parteinahme für die NATO und dem daraus resultierenden
Eingriff in den Krieg, noch dazu mit Militär, gab es nicht.
Widerstand gegen das Gewaltsystem
Die Situation für eine Friedensbewegung erscheint äußerst
schwierig. Durch die liberalen Parteien, die sich überall an die Macht
heucheln, kommt eine völlig veränderte Stimmung auf. Der Krieg
wird wieder zum Konsens, zum legitimen politischen Mittel, wenn er von
"linken" Regierungen und den Grünen geführt wird. Auf der anderen
Seite protestieren die Konfliktparteien für ihre Sache und für
den Krieg. Rufen die NATO oder Russland um Hilfe und helfen mit, die Situation
weiter eskalieren zu lassen. Die Situation in anderen Ländern dürfte
ähnlich sein. Einzig in Italien kommt es noch zu großen Friedensdemonstrationen.
Vor allem bei den Militärbasen in Aviano. In Deutschland haben Mitglieder
der PDS ein Wehrkreisamt besetzt und das sofortige Ende des Kriegs gefordert.
Bei den wenigen bisherigen Aktionen in Wien hatten die AktivistInnen zumindest
das Gefühl, einige Menschen erreicht zu haben. Bei einer Aktion am
Stephansplatz bedankten sich "serbische" und "albanische" Menschen bei
den DemonstrantInnen. Die konnten sogar miteinander reden. Gerade jetzt
sollten wir aufzeigen, daß völkischer Wahn, Nationalismus und
Patriarchat letztlich im Krieg enden. Vor allem sollten wir alle Möglichkeiten
nützen, die Reste des autonomen und antimilitaristischen Widerstands
in Jugoslawien zu unterstützen und uns mit ihnen zu solidarisieren.
Quelle: graswurzelrevolution Sonderbeilage "Frieden jetzt"
junge welt "Anfang vom Ende"
Parlamentskorrespondenz vom 26. März 1999
aus: TATblatt nr. +114 (6/1999) vom 22. april 1999
(c)TATblatt
alle rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise, nur in linken, alternativen
und ähnlichen medien ohne weiteres gestattet (belegexemplar erbeten)!
In allen anderen fällen nachdruck nur mit genehmigung
der medieninhaberin (siehe impressum)