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Tod durch Ersticken:
Marcus Omofuma ist tot

Grenzgendarmen schießen auf Flüchtlinge, MigrantInnen ertrinken in der March oder ersticken, versteckt in einem Transportmittel, das sie über die Grenze bringen soll. Schubhäftlinge sehen keinen anderen Ausweg als sich selbst zu verstümmeln, in Hungerstreik zu treten oder sich gar aufzuhängen. "Beamtshandelte" NichtösterreicherInnen müssen mit schwersten Verletzungen ins Krankenhaus oder sterben. Menschen, die aus Österreich abgeschoben werden, werden in ihrem "Heimatland" verhaftet, gefoltert oder ermordet. Am 1.Mai erstickte Marcus O. während seiner Abschiebung, weil ihm die abschiebenden Beamten den Mund verklebt hatten.
 
 

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Marcus O. reiste am 16. September nach Österreich ein. In seinem Asylantrag, den er in Traiskirchen stellte, gab er an, wegen religiöser Verfolgung aus Nigeria geflohen zu sein. Er war Mitglied der in Nigeria weitverbreitenden, aber verbotenen Ogboni-Sekte. Weil er gegen die Regeln dieser Sekte verstoßen habe, wolle man ihn töten, gab O. als Grund seiner Flucht an. Über seine Mutter wurde ein Todesurteil gefällt und als er selbst sich auch mit dem Tod bedroht sah, floh er nach Österreich. Die Ogboni-Sekte ist für ihre grausamen Riten und Menschenopfer bekannt.

Anfang Dezember wurde der Asylantrag in erster Instanz wegen "offensichtlicher Unbegründetheit" abgewiesen. Marcus O. kam zuerst in Schwechat, später in Wien, in Schubhaft. Am 17. Februar lehnte auch die zweite Instanz, der Unabhängige Bundesasylsenat, den Asylantrag ab. Während seiner Schubhaft wurde O. mehrmals medizinisch untersucht. Kurz vor seiner Abschiebung diagnostizierte der behandelnde Arzt den Verdacht auf Bronchitis. Betreuer des Schubhaftsozialdienstes berichten, daß O. unter großer Verfolgungsangst litt und auch zu ihnen kein Vertrauen hatte. Zu einer Untersuchung des psychischen Zustands und einer diesbezüglichen Betreuung kam es nicht.

Marcus O. wurde offiziell als "unangenehmer Schubhäftling" eingestuft, weshalb gleich drei Beamte für die Abschiebung mit der Balkan Air, die am 1.Mai hätte stattfinden sollten, eingeteilt wurden. Daß O. "unangenehm" war, war also bekannt, daß er, wie in Schubhaft festgestellt wurde, wahrscheinlich Bronchitis hatte, interessierte offensichtlich weitaus weniger. Darüber, was im Flugzeug genau passierte gehen die Darstellung auseinander. Die Beamten behaupten, die Crew hätte das Verkleben des Mundes, des bereits an Händen und Füßen gefesselten verlangt, was diese bestreitet. Die Passagiere wurden von O. weggesetzt. Die Beamten haben sich, nachdem sie Marcus O. den Mund mit dem rein zufällig mitgenommen Klebeband zugeklebt hatten, ebenfalls in ein anderes Abteil des Flugzeugs gesetzt. Dieser ist dann wohl nach Luft ringend und panisch vor Angst einen fürchterlichen Tod gestorben. Zwanzig Minuten vor der Landung in Sofia konnte eine Stewardeß angeblich noch seinen Puls fühlen. Nach der Landung stellte ein herbeigerufener Arzt den Tod fest.

Bei der Obduktion der Leiche wurde Tod durch Ersticken und eine chronische Atemwegserkrankung diagnostiziert. Den drei Beamten wurden die Pässe abgenommen. Derzeit befinden sie sich "unter Beobachtung." Österreich will, daß das Verfahren nicht in Bulgarien, sondern in Österreich durchgeführt wird, was in Bulgarien angeblich kritisch betrachtet wird.

VertreterInnen der Exekutive sprechen verharmlosend von einer Aneinanderreihung unglücklicher Zufälle und weisen daraufhin, daß eben auch Schubhäftlinge, die sich wehren, abgeschoben werden müßten. Von den Methoden, die dabei angewendet werden, will niemand wirklich was gewußt haben. Schlögl ist dagegen, daß Menschen der Mund verklebt wird und hat genauso wie der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Sika und Wiens Polizeipräsident Stiedl "nichts davon gewußt", obwohl er laut Kurier vermutet, daß "in der Vergangenheit in wenigen Ausnahmefällen so etwas stattgefunden haben dürfte."

Tatsache ist jedoch, daß die Grünen das Innenministerium bereits im Mai 1993 offiziell und schriftlich auf die menschenrechtswidrige Praxis der Polizei und den Einsatz von Klebebändern zur Knebelung von Schubhäftlingen aufmerksam gemacht haben, wie Migrationssprecherin Stoisits in einer Aussendung mitteilt. Vom damaligen Innenminister wurde der Einsatz dieser Klebebänder mit der "Gefahr der Übertragung von Krankheiten durch beißende Schwarze" gerechtfertigt. Im übrigen sahen weder der damalige Innenminister Löschnak noch einer seiner Nachfolger einen Grund, diese Praxis abzustellen, weil laut einem Schriftstück des Innenministeriums angeblich Verletzungen der Schubhäftlinge "ausgeschlossen" seien. In einem Brief des Innenministers an die Bundespolizeidirektion Schwechat ist zu lesen: "Gegen Fremde, denen offensichtlich die Einreise zu verweigern ist, und die sich Anweisungen durch die Grenzpolizei hinsichtlich der Verbringung in gewisse Amtsräume oder zu dem für den Rücktransport vorgesehenen Flugzeug widersetzen, kann Brachialgewalt (...) angewendet werden."

An persönliche Konsequenzen denkt offenbar niemand. Die leitenden Beamten seien unschuldig, weil sie nichts gewußt hätten und die beteiligten Beamten hätten nur "ihre Pflicht" getan, wie es der Freiheitliche Personalvertreter Horst Binder formulierte. Der ist übrigens der Meinung, daß alle im Sicherheitsapparat von "gewissen Maßnahmen" gewußt hätten. Der belgische Innenminister Loui Tobback trat vor einigen Monaten, nach dem Tod von Semira Adamu, die im Zuge einer gewaltsamen Abschiebung aus Belgien von den begleitenden BeamtInnen mit einem Polster erstickt wurde, zurück.

In Österreich wurden im Vorjahr knapp 3000 Personen mittels Flugzeug abgeschoben. In zehn bis 15 Prozent der Fälle sei eine Polizeieskorte notwendig, heißt es im Innenministerium. Insgesamt wurden 1998 etwa 17.000 Menschen ab- oder zurückgeschoben.

Ein weiterer "Einzelfall" der letzten Zeit: Am 21. April wurde ein Perser, der 23 Jahre in Österreich gelebt hat und mit einer Österreicherin verheiratet ist, in eine türkische Maschine gesetzt und nach Teheran abgeschoben. Vom Flug hat er nicht viel mitbekommen, weil er nach seinen Angaben von der Polizei betäubt worden ist, was in Österreich verboten ist. Nach einer Urkundenfälschung war ihm die Aufenthaltserlaubnis entzogen worden. Im Innenministerium wird bestritten, daß es zu "Ruhigstellungen" kommt.
 


aus: TATblatt nr. +115 (7/1999) vom 6. mai 1999
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