TATblatt



Protestmarsch zum Tode von Marcus Omofuma in Bregenz
kritische Anmerkungen

Urlaubsreife Sägefische

Am 5. Juni 1999 fand in Bregenz im Rahmen des österreichweiten Aktionstages zum Tode von Marcus Omofuma ein Protestmarsch statt. Ziel der Veranstalterlnnen (A.K.W., Grünalternative Jugend, Kulturverein Sägefisch, ARGE Jugendzentren u.a.) war es, gegen das Vorgehen der Polizeibeamten während der Abschiebung Omofumas zu protestieren, und gleichzeitig unsere Forderung (Mordanklage gegen die beteiligten Beamten, für offene Grenzen, Rücktritt der betroffenen BeamtInnen und der politischen Verantwortlichen ... ) lautstark zu vertreten. Erschwert wurde dieses Vorhaben durch das wieder gestiegene Hochwasser, das die Demonstrationsroute durch die Bregenzer Innenstadt unpassierbar machte. So mussten wir uns mit einer nur etwa 300 Meter langen Demoroute zum Vorarlberger Landhaus begnügen, um nach einer längeren Zwischenkundgebung mit mehreren Redebeiträgen die selbe Strecke wieder zurück vor die Landessicherheitsdirektion zu ziehen.
 
 

Bereits während der Zwischenkundgebung begannen mehrere Jugendliche, die angrenzende Straße zu blockieren. Es dauerte einige Zeit, bis OrdnerInnen die Jugendlichen so weit brachten, von ihrem Vorhaben abzulassen, um keine polizeiliche Auflösung der Sitzblockade zu rechtfertigen. Bei den anschließenden Gesprächen mit den Jugendlichen stellte sich heraus, daß ein nicht gerade geringer Anteil der 150 DemoteilnehmerInnen nicht einmal wußte, wer Marcus Omofuma war, bzw. wofür oder wogegen sie überhaupt demonstrierten. Die teilweise sehr jungen Teilnehmerinnen (der größte Teil der DemonstrantInnen dürfte wohl zwischen 14 und 18 Jahren alt gewesen sein) sahen die Demonstration wohl als "coole" Abwechslung von ihrem Alltag an.

Nachdem die Demonstration an ihrem Endpunkt aufgelöst worden war, ließen sich etwa 50 - teilweise stark alkoholisierte - Jugendliche auf der zu diesem Zeitpunkt gesperrten Bregenzer Bahnhofstraße nieder. Dort blieben sie gemütlich sitzen, und konsumierten weiteren Alkohol. Im Laufe der Zeit begannen Jugendliche die anwesenden PolizeibeamtInnen (das Gebäude der Landessicherheitsdirektion war mit Tretgittern versperrt worden, hinter denen BeamtInnen mit Hunden standen) mit "Bullenschweine" u.ä. zu beschimpfen. Es kam während der gesamten Zeit ausschließlich zu verbalen Provokationen, Flaschen oder volle Bierdosen flogen keine - was auf Nachfrage der APA (Austria Presseagentur) auch Sicherheitsdirektor Marent zugeben mußte (die Polizei hatte in ihrer Presseaussendung von einem "äußerst aggressiven Verhalten" der Demoteilnehmerlnnen gesprochen). Beamte der Einsatzeinheit der Gendarmerie provozierten zurück, indem sie grinsend den Schlagstock schwenkten, oder den Pfefferspray schüttelten. Nachdem sich die Situation daraufhin nicht mehr beruhigte, wurde die Anzahl der hinter den Tretgittern stehenden BeamtInnen auf etwa 30 erhöht, und gegenüber den etwa 20 Jugendlichen ein Platzverweis ausgesprochen. Nach 15 Minuten ging die Polizei zum Angriff über: sie überrannte mit 30 BeamtInnen die 14 bis 17jährigen Jugendlichen, wobei weder Schlagstöcke noch Pfeffersprays eingesetzt wurden. Körperlichen Widerstand leisteten die jungen Punks und Skater keinen. 14 Festnahmen (davon zwei wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt") und 5 verletzte Jugendliche waren die Folge des Polizeieinsatzes.
 
 

Daß die Polizei trotzdem medial unter Druck kam (die Provokationen gingen eindeutig von den Jugendlichen aus), ist den amtshandelnden BeamtInnen zu verdanken: diese nahmen den Jugendlichen die Fingerabdrücke ab, obwohl gegen die meisten nur ein Verwaltungsdelikt ("illegale Versammlung") vorlag. Mit diesem widerrechtlichen Vorgehen durch uns in einem Radiointerview konfrontiert, kündigte der Vorarlberger Sicherheitsdirektor (und mögliche Sika-Nachfolger) Marent die Vernichtung der Fingerabdrücke an. In der Fernsehsendung "Vorarlberg heute" meinte er zudem, daß es Konsequenzen für die betroffenen BeamtInnen geben wird (wer's glaubt ... ). Immerhin ersparte uns Marent damit die Kosten für ein Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat (Dankeschön!).
 
 

Die Demonstration insgesamt raubte zumindest uns (und einigen anderen politisch interessierten Jugendlichen) die letzten Nerven. Zum einen müssen wir eingestehen, daß es derzeit nicht möglich ist, in Vorarlberg kurzfristig eine Demonstration auf die Beine zu stellen, bei der Inhalte jenseits von "Bullenschweine"-Chören an die Umstehenden vermittelt werden können. Zum anderen stellten wir fest, daß ein beachtlicher Teil der 150 DemonstrantInnen sich nur wenig für Marcus Omofuma und die Abschiebungsschweinereien dieses Staates interessierte. Außerdem gelang es uns nicht mehr (wie bei der letzten Antifa-Demo 1997), eine mehr oder weniger alkoholfreie Demonstration durchzuführen...
 
 

Wenn uns dann auch noch Jugendliche, die mit "wir sind friedlich, was seid ihr?" (!!!)-Chören an den Tretgittern rüttelten, und das Polizeigroßaufgebot mit teilweise sexistischen Kommentaren ("Bullenschlampe" - u.ä.) provozierten, das als "politisch motiviert" verkaufen wollen, verfluchen wir die österreichische Provinz wieder einmal endgültig. Denn politisch motiviert waren die "Tennyriots" (Teenie?, Frg. d. Korr.) am 5.6.1999 auf alle Fälle nicht.
 
 

Wer einen "Pressespiegel" mit mehreren Artikeln über die Demonstration und die "Tennyriots" (s.o.) haben möchte, kann diesen gegen Rückporto beim Kulturverein Sägefisch, Postfach 10, A-6922 Wolfurt bekommen.


aus: TATblatt nr. +119 (11/1999) vom 2. juli 1999
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