Die VeranstalterInnen wollten eine Demo gegen die FPÖ und für eine schwarz-rote Koalition. Vielen Menschen ging angesichts des rassistischen Alltages - basierend auf Gesetzen der SPÖVP-Regierung - der Aufruf zur Demo, der mit den Worten "Wir sind Österreich" (also das gute, Anm.) endete, am Kern des Problems vorbei. Wer eine glaubwürdige Demonstration gegen Rassismus organisiert, muss klar Stellung beziehen gegen jede Form von Rassismus. Waren viele Menschen vorher untentschlossen, ob sie zu dieser Demo gehen sollten, kamen sie dann doch. Und zeigten den Regierungsverantwortlichen, dass sie von deren Politik nichts halten.
TATblatt
Ab 15.00 Uhr trafen sich unter dem Motto "Keine Koalition mit dem SP=VP=FP-Staatsrassismus" einige tausend Menschen vor der Wiener Universität. VertreterInnen diverser MigrantInnenorganisationen, denen von SOS-Mitmensch, den InitiatorInnen der "Demokratischen Offensive", kein Redebeitrag zugestanden wurde, äußerten ihren Unmut gegen die herrschende Fremdenpolitik in Österreich. Klare Worte gegen FPÖ und Regierungsparteien, aber auch gegen die OrganisatorInnen der Großkundgebung "Keine Koalition mit dem Rassismus". Im Vorfeld gab es zahlreiche Diskussionen und Treffen. Doch: "Was im Plenum beschlossen wurde, ist am nächsten Tag in exklusiven Runden wieder umgestossen worden", so eine VertreterIn verschiedener Frauenorganisationen. Zumindest die Hälfte der Redebeiträge auf der Demonstration sollte jenen Menschen zur Artikulation zugesprochen werden, mit denen Politik gemacht wird, ohne ihnen eine eigene Vertretung zuzugestehen. Wichtig war es den VertreterInnen einiger MigratInnenorganisationen, geeint aufzutreten und selbst ihre RednerInnen zu bestimmen, wie sie es von einem "demokratischen Österreich" erwarten. Im Endeffekt sah alles etwas anders aus: Jede neue Version des Programms wies kleine Änderungen auf, sodaß im Endeffekt zwar Liberale, ÖVP, SPÖ und Grüne zum wiederholten Male vor großer Öffentlichkeit ihr sauberes Image propagieren konnten, VertreterInnen vieler minoritären Gruppen in Österreich jedoch fehlten, so wie sie von Anfang an nicht in die Organisation eingebunden waren. Einige Leute haben sich dazu entschieden, für andere zu bestimmen. So werden MigrantInnen non stop in die Unmündigkeit gedrängt.
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz verschiedener MigrantInnenorganisationen, organisiert von "Die Bunten", stellten sie klar, dass nicht einE VertreterIn einer "afrikanischen" Organisation für alle Menschen dieses großen Kontinents sprechen kann, die in Österreich leben. Um so weniger ist es möglich, für alle minorisierten Gruppen zu sprechen. Die Demokratische Offensive wurde als Augenauswischerei und Versuch, den linken Flügel der SPÖ zu beruhigen, bezeichnet. Als vorauseilende Maßnahme für mögliche Neuwahlen. So wurde in den Aussagen der Demokratischen Offensive immer wieder auf Emotionen angespielt, konkrete politische Forderungen fehlten jedoch. Ein von verschiedenen MigrantInnenorganisationen ausgearbeiteter Forderungskatalog ist im Vorbereitungsplenum zur Großkundgebung nicht zur Sprache gekommen.
Dass dies alles so gut wie nicht bekannt wurde, ist der Tatsache geschuldet, dass sich die Medien dafür nicht interessieren. Kamen zur Pressekonferenz von SOS-Mitmensch mit zahlreichen Promis am Podium zahleiche JournalistInnen, können die Pressekonferenzen der MigrantInnenorganisationen, aber auch von "get to attack", als Diskussionsveranstaltungen vor interessiertem Publikum bezeichnet werden.
So wundert es nicht, dass das Verhalten von SOS-Mitmensch zum wiederholten
Male kritisiert wurde. Eine Politik, die sich gegen Rassismus richtet,
diesen jedoch mit Glaceehandschuhen angreift und selbst reproduziert, kann
nie glaubwürdig sein.
Im Vorfeld...
der Großkundgebung gab es zahlreiche Konflikte zwischen der "Demokratischen Offensive" und deren KritikerInnen. Die Vereinnahmungsversuche von SOS-Mitmensch provozierten Spaltungstendenzen der antirassistischen Bewegung in Österreich. Letztendlich einigten sich die in der Plattform "Für eine Welt ohne Rassismus" organisierten antirassistischen Initiativen und zahlreiche linksradikale Gruppen, sich bereits eine Stunde vor dem Auftakt zum "Warnblinken gegen Rassismus" zu treffen, um geschlossen zum Parlament zu gehen. Diese Demo, die von SOS-Mitmenschen und Medien völlig ignoriert wurde, setzte sich sehr spät in Bewegung. So war es aufgrund der großen Ansammlung von Menschen vor dem Parlament nicht möglich, als eigener Block in Erscheinung zu treten.
Mit derart vielen TeilnehmerInnen hatten nicht einmal die OrganisatorInnen der Kundgebung gerechnet, die auf Fragen der Presse im Vorfeld zur Antwort gaben: "Wir werden genügend Menschen mobilisieren."
Die Anlage vor dem Parlament war so schwach, dass nur ein kleiner Teil der Anwesenden mitbekam, was denn da vorne gesprochen wurde. Mit den üblichen Lippenbekenntnissen wollten die RednerInnen der Parteien auf die Politik der FPÖ hinweisen, ohne vor der eigenen Tür zu kehren. Vielen der anwesenden DemonstrantInnen war dies nicht recht. Gertrude Brinek (ÖVP) wurde ausgepfiffen. Die Liberale Heide Schmidt erntete unverständlich viel Applaus. Als dann stellvertretend für den ausgeladenen Innenminister Karl Schlögl Brigitte Ederer (SPÖ) begann, die sozialdemokratische Ausländerpolitik rechtzufertigen, war das Maß voll. Nur wenige Tage vor der Kundgebung hat sie sich besorgt gegeben: "Wenn man als siebzigjährige Frau in einem Substandardhaus mit sieben Ausländerfamilien wohnt, dann ist das ein Problem. Das ist wahrscheinlich auch von der Sozialdemokratie in der Vergangenheit zuwenig akzeptiert worden. Man hat die Menschen da ein bisserl alleingelassen." Format: "Heißt das, daß die bisherige Ausländerpolitik gescheitert ist?" Ederer: "Im großen und ganzen haben wir das richtige getan."
Ein gellendes Pfeifkonzert verunmöglichte es Ederer, mit der Rede zu beginnen. Alle Versuche seitens der OrganisatorInnen, die aufgebrachte Menge zu beruhigen, schlugen fehl. Statt dessen wurde die Sozialdemokratin mit Eiern beworfen, die sie jedoch nicht trafen. Eine Aussage der Moderatorin, die Leute sollen bitte nicht weiter mit Eiern werfen, denn "ihr könnt auch uns treffen", erregte zwar im Nachhinein die Gemüter, doch machte sie nur allzu deutlich, dass allen klar war, wem der Unmut galt. Die Präsentation des "guten Österreich" und eine Fortführung des Status Quo war neben der Darstellung des "guten Österreich" und der Vermittlung eines "Wir sind Österreich"-Gefühles Ziel der Demokratischen Offensive, die sich von Anfang an nicht darum kümmerte, die Basis in die Entscheidungsfindung miteinzubeziehen. Ein SOS-Mitmensch zeigte sich über diese Vorwürfe verwundert und stellte fest, dass über 200 Organisationen und viele Einzelpersonen den Aufruf unterstützen, "die in deiser kurzen Zeit nicht an den Entscheidungen mitmachen können."
Unter dem Titel "Eine ganz andere Koalition" schrieb der Kurier: "Es hätte ein Zeichen gegen Rassismus und vor allem gegen die Politik Jörg Haiders werden sollen. Geworden ist daraus eine Kundgebung von zigtausend (...) Menschen gegen die drei größeren Parlamentsparteien." So gelang es mit ein paar Eiern, ein klareres Signal gegen Rassismus zu setzen, als es die Beteuerungen und Aufrufe aus den Reihen der Demokratischen Offensive vermocht hatten. Denn sie schafften es, daß die Vereinnahmung vieler Menschen, die mit der Situation in Österreich nicht zufrieden sind, nicht klappte. Auch wenn im Nachhinein von "Gewalt, die auf die auf die Bühne flog" (FP-Kabas in Zur Sache) gesprochen wurde, bleibt festzuhalten, dass es sich um einen demokratischen Weg handelte, die eigene Meinung kundzutun.
aus: TATblatt nr. +127 (19/1999) vom 18. november 1999
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