TATblatt

 Die folgende Erklärung dreier linker bzw. anarchistischer Gruppen aus Wien stammt vom 30. Jänner 00. Mag sein, dass manches, das zu diesem Zeitpunkt als sicher schien, mittlerweile wieder längst obsolet ist. In letzter Zeit ändert sich vieles über Nacht ganz grundlegend. Falls inzwischen wieder alles ganz anders ist, nehmt es als historisches Dokument. Andernfalls ..., siehe unten

Rechts-rechte FPÖ an der Macht

Erklärung von ÖKOLI, RBH und RAW, ganz leicht gekürzt

Der Zug scheint abgefahren. Für die nächste Legislaturperiode wird Österreich von einem FPÖ-dominierten Rechtsblock regiert werden. Dabei ist es irrelevant, ob Jörg Haider selbst dieser Regierung angehört oder nicht. Die Politik dieser Regierung wird sehr stark die Handschrift der rechts-rechten FPÖ tragen. In neuen Meinungsumfragen ist es auch genau diese FPÖ, die von der Regierungskoalition mit der konservativen ÖVP am meisten profitieren wird. Schon eine Woche nach dem endgültigen Scheitern der Koalitionverhandlungen zwischen der "sozialdemokratischen" SPÖ und der ÖVP wird die FPÖ bei Umfragen stärkste Partei, während die ÖVP mit den Grünen um den dritten Platz kämpfen darf. Die neuen Regierungsparteien - die sich wohl bereits während der Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP im geheimen abgesprochen haben - einigen sich seit ein paar Tagen mit atemberaubender Geschwindigkeit auf ein Regierungsprogramm, dessen bisher an die Öffentlichkeit gedrungenen Forderungen Schlimmes befürchten lassen.

Im Justizbereich steht bereits fest, dass die jüngste - damals noch mit den Stimmen der ÖVP mitbeschlossene - Justizreform wieder rückfällig gemacht werden soll. Aber auch neue Verschärfungen im Rahmen eines Zero-Tolerance-Systems werden folgen. WiederholungstäterInnen sollen in Zukunft möglicherweise auch schon bei geringen Delikten wie Kaufhaus- oder Zeitungsdiebstahl jahrelange Haftstrafen ausfassen können. Eine Reihe von FPÖ-Landesorganisationen preschen mit Vorschlägen für eine "Arbeitstherapie" für Drogenabhängige vor. Über den angeblichen Kampf gegen Kinderpornographie soll eine allgemeine Strafverschärfung bis hin zu "Lebenslang für Kinderschänder" vorbereitet werden. Die Definition für "Kinderschänder" ist dabei in Österreich mit einem "Schutzalter" von 18 Jahren für Schwule sehr "flexibel". Die Zahl der Gefangenen in Österreich wird sich mit solchen Verschärfungen innerhalb kurzer Zeit verdreifachen. Während aber kleine Straftaten in Zukunft schwerstens verfolgt werden sollen, wird die Wirtschafskriminalität entkriminalisiert. Schließlich hat die FPÖ ihre eigene Klientel zufriedenzustellen. Die Abschaffung des Tatbestandes der "fahrlässigen Krida" steht bereits fest.

Auch im Sozialbereich wird eine solche Koalition für einen Kahlschlag sorgen. Verschiedenste Formen von Zwangsarbeit stehen ebenso zur Debatte wie eine Erhöhung des Pensionsalters. Sozialämter sollen in Zukunft Überschüsse erwirtschaften. Das geplante "Karenzgeld für alle" wird wohl mit einer schleichenden Abschaffung von Kindergärten, Frauenhäusern, Beratungsstellen, etc, finanziert werden.

An den Universitäten sollen zukünftig Studiengebühren eingehoben werden. Das Frauenministerium wird abgeschafft [kann nicht abgeschafft werden, weil es das nie gegeben hat; nur eine Frauenministerin gab's, mit einem Büro, aber ohne Ministerium; Anm. TATblatt], bzw. mit Alten, Jugend, Familie und Umwelt zu einem Generationenministerium verschmolzen. Die Harmonisierung von ASVG-Pensionen und BeamtInnenpensionen wird eine Nivellierung der BeamtInnenpensionen nach unten und keine Erhöhung der ASVG-Pensionen der ArbeiterInnen und Angestellten mit sich bringen.

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Ganz besonders werden aber jene unter der neuen Regierung leiden, gegen die sich die Politik der FPÖ bereits in der Vergangenheit primär richtete: MigrantInnen und Flüchtlinge. Jörg Haider verspricht von seiten der künftigen Regierung eine "Nullzuwanderung". Stattdessen soll die österreichische Wirtschaft in Zukunft von billigen SaisonarbeiterInnen, die nur kurzfristige Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen erhalten, dann sofort wieder das Land zu verlassen haben, am Laufen gehalten werden. Rechtlos und ghettoisiert werden diese Menschen kaum mehr fähig sein, sich zu organisieren und sich gegen Ausbeutung und rassistische Angriffe zu wehren. Gemeinsam mit jüdischen ÖsterreicherInnen werden es auch gerade MigrantInnen sein, die den "Volkszorn" der AnhängerInnen des neuen Regimes am meisten zu spüren bekommen. Durch die neue Regierung werden sich wohl auch jene bestärkt fühlen, die ihr "Recht" in die eigene Hand nehmen wollen, und selbst gegen "AusländerInnen", Jüdinnen und Juden, aber auch gegen Lesben und Schwule, vorgehen wollen. Um diese Bevölkerungsgruppen einzuschüchtern, benötigt es deshalb gar nicht so starker staatlicher Maßnahmen, da die AnhängerInnen der FPÖ dieses Geschäft nun ungestraft selbst erledigen können.

Nur massivster Widerstand im Land, aber auch ebenso entschiedener Druck von Außen, kann in der derzeitigen Lage das Schlimmste verhindern. Beides benötigt vermutlich einen langen Atem. Wir rufen deshalb alle FreundInnen und GenossInnen in der Welt auf, bei österreichischen Stellen zu demonstrieren, zu protestieren und dieses Land zu boykottieren.

Ökologische Linke (ÖKOLI)
Revolutionsbräuhof (RBH)
Rosa Antifa Wien (RAW) 



aus: TATblatt nr. +131  (2/2000) vom 3. februar 2000
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