TATblatt


Gedächtnisprotokolle und Stellungnahmen zu Polizeiangriffen am 19. Februar 2000 in Wien


13.30: Nähe Westbahnhof

Presseerklärung der PDS-Hochschulgruppe Tübingen

Die PDS-Hochschulgruppe Tübingen, die Linke StudentInnen-Assoziation (LiSta) Tübingen, Titus S., Mitglied des PDS-Landesvorstandes Baden-Württemberg:

"Bei der Teilnahme von jungen Linken aus Tübingen an den Protesten gegen die FPÖ-ÖVP-Koalition in Wien kam es zu einem Überfall eines Sondereinsatzkommandos "COBRA" der österreichischen Bundespolizei auf vier Menschen.
Nach Auskunft der Beteiligten, wurden sie im Vorfeld der Demonstration - ohne irgendeinen Anlass dazu zu geben - von der Einheit abgefangen, in einen Hausflur gezerrt, dort verprügelt, beschimpft und unter Anwendung von Schlägen und Tritten verhört. Die Kleidung, die Handys, die Handy-SIM-Karten, Uhren und andere Wertgegenstände der Opfer wurden systematisch und ohne Ausnahme zerstört. Der Sachschaden liegt weit im vierstelligen Bereich. Nachdem die Sondereinheit sie ungewöhnlich lange bearbeitet hatte, sie fotografiert hatte, wurden ihnen die Schuhe, Unterlagen über die Demonstration und verschiedene andere Gegenstände weggenommen und ihnen angedroht, wenn man sie irgendwo finden würde, würden sie verhaftet und sie könnten sich ausmalen, was dann mit ihnen geschehe. Dieser Vorfall war offenkundig illegal, reiht sich ein in die Geschichte der Menschenrechtsverletzungen in Österreich und wirft ein Licht auf die neuen "freiheitlichen" Verhältnisse in Österreich.
Deshalb erklären die beteiligten Gruppen: Der rechtsextreme und menschenfeindliche Charakter der FPÖÖVP-Politik muss weiter publik gemacht werden. Vorfälle wie dieser strafen die Regierungspropaganda in Österreich (Zitat ORF: "Die Polizei musste lediglich einige aufgebrachte Demonstranten beschwichtigen") Lügen. Linke in Österreich werden weiterhin auf die Solidarität der internationalen antifaschistischen Bewegung zählen können.
Nazis bekämpfen - überall - gemeinsam - auf allen Ebenen - mit allen Mitteln!"

Titus S.
Mitglied des Landesvorstandes der PDS-Baden-Württemberg

Gedächtnisprotokoll der Ereignisse am 19.02.2000 in Wien

Im folgenden will ich die Ereignisse aus meiner Sicht beschreiben.
Den anderen beteiligten Personen ist jedoch im Prinzip das selbe widerfahren.
Die PDS-Hochschulgruppe Tübingen beteiligte sich an der Großdemonstration gegen die FPÖ/ÖVP-Regierung am 19.02.2000 in Wien mit zwei PKW und insgesamt 10 Personen.
Vor dem Start der Demonstration um 14.00 am Westbahnhof gingen um ca. 13.30 vier von uns zu unserem Auto, welches in der Nähe des Westbahnhofes vor dem Haus Löhrgasse 5 geparkt war, um etwas zu essen und noch ein paar Sachen für die Demo zu holen.
Als wir uns ca. um 13.40 wieder auf den Weg zurück zum Westbahnhof machten, waren wir nur wenige Meter weit gekommen, als neben uns ein Mannschaftswagen der Bundespolizei mit angeschaltetem Blaulicht hielt. Die Nummer des Wagens lautete BP 800.
Heraus sprangen sechs oder sieben Polizisten in schwarzen Uniformen, Hartschalen-Panzerung und schwarzen Barretts. Wir erfuhren im nachhinein, daß es sich um eine sogenannte "COBRA"-Einheit handelte.
Wir wurden gepackt und an die Wand gestellt, unsere Beine wurden mit brutaler Gewalt auseinandergetreten. Ein Polizist nahm einen Umhängebeutel, den ich mir durch meine Gürtelschlaufen gezogen hatte und riß ihn so ab, daß alle Gürtelschlaufen dabei zerstört wurden.
Ich beschwerte mich und meinte, daß der Beutel auch einen Verschluß gehabt habe. Daraufhin brüllte er mich an, daß ich ruhig sein solle, packte meinen Kopf an den Haaren und schlug ihn gegen die Steinmauer. Spätestens jetzt war mir klar, daß es sich hierbei nicht um eine Routinekontrolle handelte.
Jetzt fing er an, alle Taschen meiner Hose, auf- bzw. abzureißen unabhängig davon, ob diese einen Inhalt hatten oder nicht. Wo es ihm nicht sofort gelang, probierte er solange herum, bis er sie zerstört hatte.
Nun öffneten die Polizisten die Tür eines nahegelegenen Hausdurchgangs und drängten uns hinein mit der Bemerkung, dort drinnen könnten sie uns besser behandeln. Als wir drinnen war, verschlossen sie die Tür so daß niemand von außen zusehen konnte.
Die folgenden Ereignisse dauerten ca. 20 Minuten. Während der ganzen Zeit wurden wir immer wieder geschlagen, an den Haaren gezogen, zwischen die Beine getreten und unsere Finger überdehnt.
Wir mussten die ganze Zeit mit gespreizten Armen und Beinen an der Wand stehen. Wer nicht auf die Wand schaute, wurde geschlagen.
Nun ging einer der Polizisten herum und brüllte uns an, was wir denn hier wollen würden. Einer von uns antwortete, wir wollten gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ demonstrieren.
Daraufhin packte einer der Polizisten mich, zog meinen Kopf an den Haaren nach hinten und brüllte mich an: Er wisse genau, wir seien Anarchisten aus dem Ausland, wir wollten sie verleumden, sie seien keine Nazis, das wäre eine Lüge, wir würden Lügen verbreiten. Wir wären keine Österreicher, dies sei nicht unser Land und wir hätten hier nichts zu suchen. Wir sollten hier auf der Stelle verschwinden.
Nun wollten die Polizisten wissen, woher wir kämen, ob wir über das Internet organisiert seien, ob wir Kontakte zu anderen Gruppen hätten, ob wir alleine gekommen seien, wo wir übernachten würden, usw. Wer nicht sofort antwortete, wurde geschlagen.
Aus unseren Sachen die mittlerweile auf dem ganzen Boden zerstreut waren, suchten sie alle Schlüssel heraus und wollten wissen, welcher wem gehört, anscheinend um herauszufinden, ob wir alleine wären.
Sie durchwühlten auch unsere Unterlagen mit der Bemerkung "Die wissen alles aus dem Internet, die haben alles". Sie nahmen alle Unterlagen, aus denen Telefonnummern etc. ersichtlich waren, mit.
Sie nahmen das Handy von einem von uns und fanden die Nummer des Infotelefons gespeichert,  sie fragten was dies für eine Nummer sei und wofür wir die brauchten. Dann bearbeiteten sie den Besitzer des Handys mit der Frage, was das Codewort sei, das man da sagen müsse.
Daraufhin nahmen sie die SIM-Karten aus allen Handys und zerkratzten sie an der Wand. Zusätzlich wurden die Handys auf den Boden geworfen und darauf herumgetreten, bis die Schale zertrümmert war.
Auch meine Uhr wurde vom Handgelenk abgerissen und zerstört. Die Weste eines meiner Freunde wurde komplett in Fetzen gerissen.
Nun brüllten sie jeden von uns einzeln an, was wir nun machen würden, bis er antwortete: Heimfahren. Sie wollten außerdem wissen, über welchen Grenzübergang wir gekommen seien, und welche anderen Gruppen aus Deutschland noch da seien und ob wir "Wessis" oder "Ossis" seien, wahrscheinlich weil im Personalausweis von einem von uns Magdeburg als Hauptwohnsitz angegeben war.
Nun gaben sie außerdem unsere Personalien per Funk vor der Tür durch und durchwühlten unser Auto komplett, wobei sie noch einige Gegenstände mitnahmen. Dann wurde ein Fotograf in Zivil hereingerufen, der von uns Portraitaufnahmen machte. Uns wurde gesagt, die Bilder würden an das BKA weitergegeben. Einer von uns wurde unter höhnischem Gelächter der Polizisten dazu gezwungen, in die Kamera zu lächeln.
Nun mußten wir uns wieder nebeneinander an die Wand stellen und unsere Schuhe ausziehen. Diese wurden mitgenommen. Daraufhin erklärte einer der Polizisten: Jeder Polizist könne uns daran erkennen, daß wir keine Schuhe hätten, wir sollten nicht wagen auf die Demo zu gehen, wenn wir dies doch tun würden, gelten wir automatisch als verhaftet und wir könnten uns ausdenken, was dann mit uns passiert. Außerdem hätten wir in Zukunft in Österreich nichts mehr zu suchen.
Unsere Schuhe könnten wir uns an der letzten Tankstelle vor der Autobahn abholen. (Dort kamen sie natürlich nie an). Daraufhin verließen die Polizisten den Hausflur, schlossen die Tür und fuhren davon.
Wir verließen daraufhin die Innenstadt schnellstmöglich, an einer Telefonzelle wandten wir uns an das Rechtshilfetelefon. Dort riet mensch uns, auf keinen Fall Kontakt mit der Polizei aufzunehmen oder dieser unseren Standort zu verraten. Außerdem sollten wir nicht nach Deutschland zurückkehren, sondern uns erst einmal in Wien verbergen, da man uns wahrscheinlich an den Grenzübergängen schon erwarte. Daraufhin wandten wir uns an die deutsche Botschaft. Der Mitarbeiter dort meinte, nun ja, dies seien eben die österreichischen Gesetze und wir sollten uns doch am Montag nochmals melden, wenn die Botschaft wieder geöffnet sei.
Zu unserem Glück trafen wir per Zufall an der Tankstelle den Vater einer Journalistin, der den Kontakt zu ihr herstellte. Sie versorgte uns freundlicherweise wenigstens mit Socken und gab uns ihre Karte mit, mit der Bemerkung, Kontakte zur Presse  würden die Polizei normalerweise einschüchtern, so daß wir es wagen könnten, die Grenze zu übertreten.
Es ist davon auszugehen, daß auch noch andere TeilnehmerInnen der Demonstration diese Vorgehensweise erlebt haben und dies einen kleinen Vorgeschmack auf zukünftige "freiheitliche" Verhältnisse in Österreich bieten soll. Bürgerliche Rechte werden da wohl nicht mehr das Papier wert sein, auf dem sie geschrieben stehen. Die Linke in Österreich verdient die Solidarität gegen die faschistoide FPÖ-Regierung deshalb in höchstem Ausmaße.
Der Sachschaden an unserem Eigentum beläuft sich auf über 1000 DM, wir erwägen Anzeige zu erstatten und eine Zivilklage auf Schadensersatz einzureichen. Allerdings sehen wir dies als chancenlos an.

15.30: Westbahnhof
Stellungnahme der Grün-Alternativen Jugend

Betrifft: Polizeiwillkür

Auseinandersetzungen auf der Mariahilferstraße

Wir möchten den ORF-Berichten zu angeblichen gewalttätigen Ausschreitungen von seiten autonomer AntifaschistInnen heute nachmittag auf der Mariahilferstraße widersprechen. Wenn Franz Schnabl (Generalinspektor der Wiener Sicherheitswache, Anm.) in der ZIB um 17.00 Uhr behauptet, dass auf der Mariahilferstrasse eine "gefährliche Situation" entstanden sei, weil sich "Autonome mit normalen  Demonstranten" mischen wollten, gibt er damit - unfreiwillig - zu, dass die Wiener Polizei offensichtlich nicht bereit ist, dass Recht jedes Menschen sich einer Demonstration anzuschließen, zu respektieren.  Ohne jeden Anlass, versuchte die Polizei, die Demonstration zu spalten, indem sie den sogenannten autonomen Block am Losgehen hinderte. Beamte blockierten die Demoroute und prügelten auf DemonstrantInnen und Umstehende ein. Diesem gewalttätigen Akt waren keinerlei (!) Provokationen vorausgegangen.  Wir wollen hiermit gegen die verfälschte Darstellung im ORF protestieren  und unsere Solidarität mit den Opfern der Polizeigewalt ausdrücken.
Mindestens genauso wichtig:  Wir mussten erfahren, dass sich Mitglieder der Demokratischen Offensive nach den Vorfällen OHNE sich bei den Betroffenen oder bei AugenzeugInnen zu informieren, von den angeblich gewalttätigen AntifaschistInnen distanzierten. Wir halten dieses Vorgehen für ein Armutszeugnis insbesondere für eine Organisation, die das schöne Wort "demokratisch" in ihrem Namen führt. Wir ersuchen die Angesprochenen um Klarstellung und erwarten in Zukunft eine deutliche Ablehnung derartiger Spaltungsversuche des antifaschistischen Widerstandes.

Grünalternative Jugend Wien

22.15: vor dem Burgtheater

Wir (5 Personen) kamen um ca. 22.15 zur ÖVP-Zentrale. Dort bemerkten wir ein Großaufgebot Polizei und eine Abteilung Polizisten, die die Josefstädterstraße hinauf gingen. Wir folgten ihnen, da wir uns dachten, daß wir so zur Demo finden würden. Beim Theater in der Josefstadt trafen wir auf weitere Polizeieinheiten, die Kreuzung war abgesperrt und aus einer Seitengasse waren vereinzelte Pfiffe zu hören. Die Polizisten waren alle sehr hektisch und agressiv. Wir trafen einige Bekannte und beschlossen, daß es gesünder wäre, den Platz zu verlassen. Wir irrten dann (teilweise von Polizisten begleitet) in der Josefstadt umher. Unterwegs trafen wir auf mehrere Gruppen von Polizistinnen die als DemonstrantInnen erkennbare Personen durchsuchten. Eine Gasse war von der Polizei gesperrt und dahinter standen ca. 14 Personen mit erhobenen Händen gegen die Wand gelehnt. So standen sie ca. 1 Stunde bis sie alle durchsucht und fotografiert worden waren.
Wir (eine Gruppe von nunmehr 12-15 Personen) gingen dann Richtung ÖVP-Zentrale. Unterwegs trafen wir jemanden, der uns erzählte, dass dort Leute grundlos perlustriert und verprügelt wurden.
Daraufhin beschlossen wir, zu der Diskussion ins Burgtheater zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt wurden wir bereits von einem Polizeiauto verfolgt. Im Rathauspark waren außer diesem Auto auch einige Polizeibusse hinter uns. Nach allen Polizeiübergriffen, die wir an diesem Tag bereits erlebt und gesehen hatten (Der Polizeiüberfall beim Westbahnhof, Polizeiprügel gegen außerhalb der Demo befindliche, zwar laute aber völlig friedliche Jugendliche beim Parlament... ) bekamen wir Angst, weil es in dem finsteren Park keine Zeugen gegeben hätte. Also stellten wir einige Parkbänke quer über den Weg und begannen aus dem Park Richtung Burgtheater zu laufen.
Vor dem Theater befand sich ebenfalls ein Bus der Polizei und als sie uns kommen sahen sprangen sie heraus. Mir gelang es noch, bis zum Eingang zu laufen. Dort drehte ich mich um und sah, wir einer aus unserer Gruppe auf dem Boden lag und ein Polizist auf ihn einschlug. Das war um ca. 23.30. Was weiter geschah, weiß ich nicht, weil ich ins Burgtheater rannte, um die dort diskutierenden über die Vorfälle zu informieren.
 

22.30: Rathauspark

Samstag, 19.2.2000 ca. 22:30 Als ich von zu Hause kommend die U2 am Rathausplatz verließ, bot sich mir unmittelbar ein Bild, dass ich seit Wackersdorf (Demonstrationen gegen die geplante atomare Wiederaufbereitungsanlage in Bayern) so nicht mehr gesehen hatte. PolizistInnen hetzten Menschen entlang der sogenannten 2er-Linie auf und ab.
Dabei wurde neben Tritten von Schlagstock und Schildern üppig Gebrauch gemacht. Es schien sich ein dichter Polizeikordon zum Schutz der Övp-Zentrale gebildet zu haben.
Vor dem U2-Bahn-Aufgang Josefstätter Straße hatten sich Gruppen von Menschen versammelt, die gegen die Polizeimethoden lauthals demonstrierten. Wer von der Polizei - wie mir scheint wahllos - herausgegriffen wurde, wurde perlustriert und zum Teil unter Beschimpfungen und Bedrohungen zur U-Bahn eskortiert und zum Heimfahren angehalten ("Wenn wir Dich hier noch einmal sehen...").
Die folgende halbe Stunde war davon geprägt, dass die Polizei einen immer weiter werdenden Kordon von Absperrungen errichtete, wobei auch Hunde eingesetzt wurden.
Teil der Polizeitaktik war es, gezielt Leute innerhalb des Kordons zu isolieren und ihre Personalien (unter fragwürdigsten Bedingungen) aufzunehmen. Ich traf im Laufe des Abends noch mehrere Leute, die in so einen "Kessel" geraten waren, und dort Prügeln (vor allem gegen die Knie; die PolizistInnen tragen ja neuerdings kombinierte Schienbein und Knieschützer) und Beschimpfungen ausgesetzt waren.
Nachdem die Polizisten versucht hatten, die Absperrung bis zu den umliegenden Strassen auszuweiten, beschloss ich den Platz zu verlassen, was mir gerade noch gelang. Ich wollte noch zum Ballhausplatz schauen, kehrte jedoch noch einmal zurück um zu sehen, ob die eingekesselten Personen schon gehen durften. Dabei kam mir eine Gruppe Menschen entgegen, die mir allerdings nicht sagen konnten, ob es weitere Festnahmen gegeben hatte.
Wir gingen ein Stück gemeinsam Richtung Rathauspark; vor uns ca. 10 Polizeibusse mit Blaulicht - wahrscheinlich unterwegs zum Burgtheater. Ein Geländewagen der Polizei schwenkte aus und begann uns (die Gruppe) zu verfolgen. Im Rathauspark wurde das ganze dann ziemlich unheimlich, weil ein Ausscheren oder Wegkommen nicht möglich schien. Als dann zwei oder drei VW-Busse mit Blaulicht vom Burgtheater heranrasten, konnte ich mich gerade noch mit einem Sprung auf die Seite retten. "WEGA - alle stehenbleiben - Hände in die Höhe" war ein überflüssiger Kommentar der zwei Beamten, die mich von hinten packten und gegen den nächsten Baum drückten.
Ich weiß nicht mehr wie oft ich in der nächsten halben Stunde (ca. 23:15 bis 23:45) durchsucht wurde, ich weiß auch nicht von wem. Umdrehen wurde durch Wort und Tat sofort unterbunden. Währende der Beamte der meine Personalien aufnahm nicht zu den Hardlinern gehört haben dürfte, war es die vorerst einzige Aufgabe des Zweiten, mich am Genick zu packen und mit dem Gesicht gegen den Baum zu pressen.
"Glaubt ihr wir lassen uns wochen- und nächtelang von Euch papierln? Das muss einmal vorbei sein", war eigentlich die einzige Erklärung für den ganzen Vorgang. Ich muss aber auch zugeben, dass ich im finsteren Park mit einer Gruppe von Menschen, die ich nicht kannte, es nicht wagte, Gegenfragen zu stellen oder mich zu wehren.
Nachdem ich meinen Ausweis wieder bekommen hatte, wurden mir Haube und Schuhe abgenommen, um etwaige Waffen sicherzustellen. Ich stand mit dem Gesicht immer noch gegen den Baumstamm gedrückt, sodass ich nichts sehen konnte.
Der Beamte drückte mir Schuhe und Haube in die Hand und fuehrte mich unter Androhung von Gewalt, falls ich mich auch nur einmal umdrehen sollte, zum Ring, wo er mich anwies, den Ort in Richtung meiner Wohnadresse zu verlassen. Ein APA-Journalist sah dem ganzen gelangweilt zu.
Ich bin dann auch tatsächlich mit schlotternden Knien im Schüttregen nach Hause, ohne ein einziges Mal die Männer gesehen zu haben, denen ich da 20 Minuten eine halbe Stunde ausgeliefert war. Ein Scheiß-Abgang.

Aufruf der Roten Hilfe

Als Resultat der Polizeiaktionen wurden vier Leute ins Polizeigefangenenhaus überstellt mit Anklagen wegen "Widerstand" und "Landfriedensbruch". Drei davon waren EU-Bürger. Den gesammelten Aussagen und Gedächtnisprotokollen nach wurden den ganzen Abend lang insbesondere nichtösterreichische junge Menschen gejagt, um das Konstrukt der "gewalttätigen Demonstranten aus dem Ausland" zu rechtfertigen. Durch ihre Zusammenarbeit mit der Polizei und ihre Distanzierung von angeblichen Gewalttätern, die in Wirklichkeit Opfer der Polizeigewalt waren, trug SOS-Mitmensch massgeblich zur Gewalteskalation von seiten der Polizei bei.

Alle, die Polizeiübergriffe beobachtet haben, sollen sich bitte umgehend bei der Rechtshilfe (jeden Tag ab 19 Uhr) melden.

Besonders dringend würden wir auch Fotos und Filmmaterial von JournalistInnen und Kameraleuten benötigen, damit wir dieses den Betroffenen als Entlastungsmaterial bei etwaigen Prozessen zur Verfügung stellen können. Dank im Voraus!

Tel: 535 91 09, Postadresse: Rote Hilfe, Stiftg. 8, 1070 Wien



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sowie weitere Beiträge zu Rassismus in Österreich und diverse andere Artikel aus aktuellen und älteren TATblatt-Ausgaben siehe Inhaltsübersicht auf der
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aus: TATblatt nr. +134  (5/2000) vom 24. februar 2000
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