Widerstand in Graz
Seit der Angelobung der neuen Bundesregierung haben in Graz Tausende Menschen auf den Straßen gegen FPÖ und ÖVP demonstriert.
von einigen Leuten aus Graz
Am 4. Februar riefen Grüne und ein Protestforum - eine Plattform verschiedenster Organisationen von der KPÖ bis ins katholische Lager - zu einer Kundgebung "für ein anderes Österreich" auf. Etwa 1500 GrazerInnen versammelten sich vor der ÖVP-Zentrale und harrten zahlreiche Redebeiträge lang unter der Nationalflagge und in der Kälte aus. Die einzigen Auseinandersetzungen auf der Demo spielten sich zwischen dem Donauwalzer der OrganisatorInnen und den Sprechchören einiger MusikbanausInnen unter den TeilnehmerInnen ab.
Für den 5. Februar kündigte MayDay 2000 einen Protest an unter dem Motto "Stoppen wir blau-schwarz! Keine Koalition mit dem Rassismus!": Unter MayDay hatten sich in diesen Tagen mehrere Menschen spontan zusammengefunden, um abseits von Parteien einen aktiven und lebendigen Widerstand in Graz zu organisieren. Die Kundgebung am Samstag, für die MayDay 30 TeilnehmerInnen polizeilich angemeldet hatte, wurde von DemonstrantInnen förmlich überrannt. Binnen Minuten kam der öffentliche Verkehr zum Erliegen, die Versuche der Polizei, die Leute von den Schienen zu vertreiben, erwiesen sich als hilflos. Die Menge strömte auf den Hauptplatz und kurz darauf bewegte sich eine Spontandemo von über 2000 Menschen mit viel Lärm und mit kampflustiger Stimmung und viel "Widerstand! Widerstand!" zu den Parteizentralen der Rechts-Rechtsextrem-Koalition. Vor dem Haus der FPÖ besetzte ein Teil der DemonstrantInnen eine Kreuzung, die sie erst nach einem Räumungsultimatum der mittlerweile höchst genervten Polizei wieder freigaben. Mühsam ließ sich die Einsatzleitung schließlich das Zugeständnis abringen, die Demo noch einmal unbehelligt zum Hauptplatz zurückkehren zu lassen. Dort erklärten die OrganisatorInnen die Kundgebung nach einem lautstarken Abschluß für beendet. Mitten in der allgemeinen Auflösung hatten einige Jugendliche die Idee, ein bißchen die Straßenbahn zu blockieren, und bevor die anderen begriffen, was sich abspielte, saßen sie schon auf dem Gleis. Der seitens der staatlichen Gewalt willkommene Vorwand war da: Ohne Vorwarnung stürmte das Mobile Einsatzkommando (MEK) mit Helmen und gezogenen Schlagstöcken den Hauptplatz und stürzte sich auf alles, was an der Demo teilgenommen hatte und sich noch in der Nähe der Schienen aufhielt. Die Beamten prügelten auf Leute ein, die am Boden lagen, und schleiften und zerrten andere brutal über den Platz. Angesichts solcher Gewaltausbrüche griffen sogar unbeteiligte PassantInnen mit Rufen wie "Keine Gewalt!" ein. Das MEK verhaftete schließlich vier junge Leute, die nicht einmal auf den Schienen gesessen hatten, wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt". Unklar ist, wieviele DemonstrantInnen Anzeigen erhalten werden. Daß an diesem Abend nicht noch mehr passierte, ist der engagierten Anwesenheit einiger Grün-PolitikerInnen zu verdanken, die intervenierten, auf die Polizeiwachzimmer gingen und einen Anwalt herbeitelefonierten.
Trotz des Schocks über den für Grazer Verhältnisse ungewohnt harten Polizeieinsatz ging es weiter: Am 7. Februar trafen sich wieder ein paar Hundert Leute zu einer kurzen, aber lebhaften Kundgebung vor dem Rathaus, die ohne irgendwelche Zwischenfälle verlief.
MayDay 2000 rief dabei erneut zur einer Großdemo am kommenden Freitag auf und stieß damit etablierte Organisationen wie die Grünen vor den Kopf, die den Protest gegen blauschwarz a) nicht so schnell und b) nicht von einem aus ihrer Sicht derart unberechenbaren Haufen wie MayDay organisiert sehen wollte. Doch die Straße hatte längst auch im verschlafenen Graz ihre Eigendynamik entwickelt: Die ÖVP wetterte über den "Mißbrauch der Schulen", da die Flugblätter für die Demo massenweise in den Klassenzimmern auftauchten. Die steirische FPÖ wußte von 100 ÖS für "normale Demonstranten" und 600 ÖS für "Linksradikale", die MayDay angeblich ausbezahle. Jeder noch so bescheidene Infostand löste einen Großalarm der Grazer Polizei aus. Am Tag der angekündigten Großdemo kontrollierte Staatspolizei anhand von Namenslisten sogar die Züge aus Wien.
Der 11. Februar wurde trotz allem zu einem lokalen Höhepunkt des antifaschistischen Widerstandes: Nach anfänglichen Mißverständnissen (ziemlich viele hatten sich am falschen Treffpunkt eingefunden) zogen über 3000 Menschen durch die Innenstadt und machten ihrer Wut und ihrem Zorn vor der FPÖ-Zentrale Luft. In einigen Straßen kamen die AnwohnerInnen auf den Gehsteig und klatschten, andere lehnten sich mit dem Siegeszeichen und beifälligen Zurufen aus dem Fenster. Auf sog. Ausschreitungen seitens der DemonstrantInnen wartete das bestens ausgerüstete MEK im Hof der Freiheitlichen freilich vergeblich, und auch einige rechte Provokateure brüllten die von den Medien erwartete Eskalation nicht herbei. Ein paar Eier trafen zur Freude der Kundgebung unter der lautstarken Aufforderung "Haut ab!" ihr Ziel. Erst nach Stunden, nach denen viele keine Stimme mehr für Sprechchöre hatten, erreichte die Demo den Hauptplatz, wo die Schlußkundgebung stattfand. Aber: Die Proteste werden andauern, und zwar, wie ein Aktivist von MayDay ankündigte, solange, "bis diese Regierung fällt!"
MayDay 2000 ruft weiterhin zum Widerstand auf: jeden Freitag um 15 Uhr Treffpunkt am Grazer Hauptplatz. "Stoppt schwarz-blaues Regieren! Gegen Sexismus, Faschismus und Sozialabbau! Gemeinsamer Widerstand jetzt!"
Wer bei MayDay mitmachen oder uns Nachrichten, Ideen oder gar Soli-Spenden (für die politische Arbeit und vor allem die Rechtshilfe) zukommen lassen will: Mayday2000Graz@hotmail.com, Infotelefon: 0663-945 20 35.
Spendenkonto: Sparbuch 32 226 185, BZL 38 000, Bezeichnung: MayDay2000 Graz.
Wir bitten dringend um Soli-Spenden! Vier junge Leute haben Prozesse wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt" zu erwarten, ob wohl sie nur an einer friedlichen Kundgebung teilgenommen haben. Wir sammeln Geld für die Verteidigungskosten und sind auf solidarische Unterstützung angewiesen.
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