TATblatt, elektronikfrühstück, Standard
Billiger Journalismus
Gerade die Ereignisse am Rande der Großkundgebung am 19.2. zeigen, wie sehr sich auch als "kritisch" titulierte JournalistInnen an der von der Exekutive vorfabrizierten Hetzkampagne gegen angeblich "gewaltbereite" DemonstratInnen willigst beteiligen.
Sie stützen sich in ihren Artikeln und Kommentaren zumeist nur auf die vorbereiteten Pressemitteilungen der Exekutive bzw. auf Aussagen einzelner Exekutivbeamter. Eine Überprüfung durch unabhängige Quellen, Beteiligte, etc. findet fast durchwegs nicht statt.
Gerade eine Wiener Polizei, die in den letzten Jahren immer wieder aufgrund ihrer Übergriffe gerade gegen Menschen mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft zurecht medial kritisiert wurde, wird bedenkenlos als einzige Informationsquelle herangezogen.
Der Generalinspektor der Wiener Sicherheitswache, Schnabl wird als Sinnbild des korrekten Polizisten verkauft, er wird von Westenthaler kritisiert, daraufhin wird alles, was von Schnabel kommt, per se als gut und richtig akzeptiert. Dabei hat gerade Schnabl den Prügeleinsatz am Westbahnhof geleitet und daher auch die Verantwortung dafür zu tragen. Nichts davon in den Medien, Schnabl darf nicht angepatzt werden.
ORF-Kamerateams weigerten sich beharrlich, die Prügeleinsätze der Exekutive in der Wiener Josefstadt zu dokumentieren. Es gibt zahlreiche AugenzeugInnen, die uns bestätigten, dass sich Kamerateams immer wieder weigerten, die Übergriffe der Exekutive zu dokumentieren.
APA-Fotografen weigerten sich, Aufnahmen zu machen, zeigten sich nicht
an den Aussagen von Polizeiwillkür Betroffener interessiert.
Zynischer Innenminister
Der neue Innenminister Strasser (ÖVP) zieht eine durchaus intelligente Strategie in der Öffentlichkeit durch. Einerseits gewährt er vollmundig das Recht auf Versammlungsfreiheit (wobei er niemals gefragt wird, weswegen er andauernd großmütig die Inanspruchnahme eines Grundrechtes gestattet), auf der anderen Seite definiert er ganz klar in der medialen Öffentlichkeit die Feindbilder, die es gemeinsam zu bekämpfen gilt - die sogenannten "Gewaltbereiten". Was dieser Begriff bedeuten soll, wer damit gemeint ist - keineR frägt nach, alles wird geschluckt.
Prügeleinsätze und exzessive polizeiliche Schikanen wie am letzten Wochenende werden dann von ihm als "exzellent vorbereitet" und "hervorragend umgesetzt" nach außen verkauft und akzeptiert.
Strasser muß sich bewusst sein, mit den Einsätzen am letzten Samstag die Gewaltspirale in Gang gesetzt zu haben, für die Demo am 2.3, der Tag an dem auch der Opernball stattfindet, läßt dies nichts Gutes erahnen.
Gleichzeitig umarmt er Organisationen wie SOS-Mitmensch, und es gelingt
ihm widerspruchslos auch SOS auf seine Linie festzunageln.
Umarmtes SOS-Mitmensch
Stets wenn die Polizei zuschlägt, erfolgt auch die Distanzierung seitens SOS von den als "gewaltbereit" titulierten DemonstrantInnen. Während die Polizei noch in den Nachtstunden des 19.2. Menschenjagd betrieb, fand sich schon die Distanzierung des SOS-Mitmensch-Sprechers Max Koch in den Medien.
Stets in vorauseilendem Gehorsam distanziert sich Max Koch von Ereignissen, deren Augenzeuge er nie war.
Anstatt dass er sagt, "ich, und SOS distanzieren uns von jeglicher Gewalt", (was ja legitim ist und seinem/ihrem Selbstverständnis entspricht), "wir fordern alle Beteiligten zur Mäßigung auf", bezeichnet er DemonstrantInnen als "Wahnsinnige", distanziert sich ohne wenn und aber namens SOS und erteilt letztendlich den Hardlinern innerhalb der Exekutive stets den Freibrief zur Prügelorgie, so geschehen in der Nacht vom 4. auf den 5.2. und jetzt in den Abendstunden des 19.2.
Dafür erntet SOS-Mitmensch dann dickes Lob vom Innenminister, der ihnen seinen "persönlichen Respekt" ausspricht und sich für die Kooperationsbereitschaft bedankt.
An Max Koch sei daher jener Rat gerichtet, den andere Menschen an Jörg Haider richten "der Mann soll schweigen". Da sich Koch fraglos von Haider unterscheidet wäre zu hoffen, dass er diesem Rat auch folgt.
Obwohl derzeit schon vielen Gruppen und Menschen die Übergriffe der Exekutive bekannt sind, gibt es bis zur jetzigen Stunde keine Stellungnahme von SOS-Mitmensch oder von VertreterInnen der Demokratischen Offensive zu diesen Vorkommnissen.
Während diese Gruppierungen sonst stets flott Medienpräsenz
erlangen wenn sie es wünschen, herrscht bezüglich einer Stellungnahme
zu den Übergriffen beharrliches Schweigen.
Hochkulturelle Phrasen
Nach der Großkundgebung sammelte sich erneut geballte Kulturprominenz im Wiener Burgtheater um sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen und um ihren intellektuellen Kaffehausantifaschismus zu prolongieren.
Bernard-Henri Lévy "es ist unglaublich, dass die Österreicher heute am Heldenplatz den Vertretern der jüdischen Gemeinden zugejubelt haben", erhob sich, um den "Schwur des Burgtheaters" zu leisten: Gemeinsamer Kampf bis zum Ende der Koalition - die Redner schworen und mit ihnen das begeisterte Publikum.
Kurz darauf eine neue Gruppe im Saal: "Draußen vor dem Burgtheater prügelt die Polizei JETZT auf Demonstranten ein! Wie könnt ihr hier sitzen und Reden schwingen!" Tumult im Saal und auf der Bühne: ein leicht cholerischer Luc Bondy (designierter Intendant der Wiener Festwochen) zeigte sich bestens polizeivorabinformiert "200 deutsche Autonome" hätten "hier nichts zu suchen", ein aufgeregter Silvio Lehmann "wir lassen uns nicht instrumentalisieren", wütende DemonstrantInnen, die die Unschuld der Verprügelten beteuern, Zwischenrufe "Bondy du Arschloch!" Antwort: "Reden Sie nicht so mit mir!! So redet niemand mit mir!!", schließlich ein Kompromiss: der Gründer von sos-racisme und andere verlassen den Saal, um die Berichte zu überprüfen.
Nachdem dann doch etliche vor das Burgtheater strömen, beendet die Polizei ihre Repression und sucht das Weite.
Eine honorige Männerrunde also auf der Bühne , die von Anne Bennent bald verlassen wurde "man hat mich auf dieses Podium gebeten, weil zu wenig Frauen da sind, außerdem können sich diese Leute hier sicher besser ausdrücken, und heute hab ich zum ersten Mal Polizisten gesehen die Leute grundlos festnehmen, und ich gehe jetzt nach Hause, Wiedersehen".
Trotz Doron Rabinovicis Versuche, den Abend zu retten, senkt sich kurz darauf der eiserne Vorhang über das Geschehen.
Später sagt ein Polizist zu einer Burgschauspielerin: "Wir wissen, dass wir hier nicht erwünscht sind" und bezieht sich dabei wohl auf den angeblichen revolutionären Geruch, den die Burg zu verströmen versucht, der aber stets vor der eigenen Tür halt macht.
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