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Ver-Rott-ete Berichterstattung?

eine Standard- und TATblatt- Abonnentin

Immer wieder tut es weh, wenn sich einst kritische Journalist/innen in einer Situationen wie dieser zu einer unseriösen Berichterstattung hinreißen lassen.

Die gewaltsamen Übergriffe der Polizei am Samstag (19. 2.) am Westbahnhof gegenüber Demonstrant/innen werden von Thomas Rottenberg (einst bei der "Musicbox" und beim "Falter", jetzt im "Standard" beschäftigt) für den Nachrichtensender "n-tv" folgendermaßen kommentiert: "Es gab am Nachmittag einen Block von 100-150 Autonomen, die versuchten ein bißchen Zoff zu machen. Nur 150 Randalierer bei 200.000 Demonstranten, da kann man schon von einer friedlichen Demonstration sprechen". Nun, die Jagd kann beginnen! Dieser Kommentar wurde von "n-tv" bereits am Samstag um 20:06 gesendet. Am Montag habe ich den Thomas Rottenberg dann im Standard angerufen, weil ich diesen Kommentar unverantwortlich und dumm finde, und mich mittlerweile auch noch über einen seiner Artikel im Montag-Standard geärgert habe ("Beim Versuch, die Autonomen zu durchsuchen, war es beim Westbahnhof zu Rangeleien gekommen. Ein Beamter wurde verletzt", "die Vermummten" etc. und wieder kein Wort über die Polizeigewalt). In diesem wahrscheinlich für beide Seiten nicht sehr erfreulichen Gespräch kam einmal schnell heraus, daß der Thomas Rottenberg am Samstagnachmittag gar nicht beim Westbahnhof war. Sehr wohl sei er jedoch am Abend in der Josefstadt gewesen, und die Jugendlichen, denen er gefolgt sei, die seien eindeutig auf Zoff aus gewesen, erzählt er mir. Ein Jugendlicher, der von der Polizei "ein paar Watschn bekommen hat" sei zu ihm gerannt und habe ihn um Hilfe gebeten. Natürlich habe er ihm nicht geholfen, weil der habe ja vorher angeblich eine Fensterscheibe eingeworfen (oder wars ein umgeworfener Mistkübel?) Ich versuche ihm zu erklären, was es am Samstag geheißen hat, von der Polizei "ein paar Watschn" zu bekommen, und frage ihn, ob er es wirklich für gerechtfertigt hält, wenn die Polizei Leute schwerstens verprügelt, weil diese angeblich Blumentöpfe und Mistkübel umgeworfen oder Schaufenster eingeschlagen hätten. Naja, schwerstens verprügeln findet er nicht mehr okay, aber.... Dann schreit er mich an, ich solle ihn ausreden lassen, er wollte mir nämlich schon wieder erzählen, wie arg das ist, wenn Jugendliche Mistkübel umwerfen und Scheiben einschlagen und glauben, sie können ihn dann um Hilfe bitten, wenn sie geprügelt werden. Außerdem seien mehrere Jugendliche zu ihm gekommen und hätten ihm von Polizeiübergriffen erzählt, aber wenn sie ihm nicht ihren Namen und genaue Adressen nennen wollen, dann würde es ihm auch leid tun, dann könne er eben nichts darüber schreiben. Daß sie vielleicht aus berechtigter Angst und weil Polizist/innen danebenstehen, mit denen sie ihn vorher reden gesehen haben, nicht ihre Namen nennen wollten, hat er nicht verstanden. Da hat er den Artikel eben so schreiben müssen, wie er es letztendlich getan hat. Er sollte aber in seine Überlegungen ("warum sagen mir die nichts Konkretes mehr?") miteinbeziehen, daß das Vertrauen vieler Menschen in ihn als seriösen Journalisten gesunken ist.

Während die Polizei noch Jagd auf Demonstrant/innen und Passant/innen gemacht hat, hat sich SOS-Mitmensch bereits Samstagnachts von den Demonstrant/innen distanziert. Max Koch hat sich dabei, als er später darauf angesprochen wurde, auf die Einschätzung von Thomas Rottenberg berufen. Nun, Thomas, Du hast offensichtlich einiges wieder gut zu machen!



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aus: TATblatt nr. +134  (5/2000) vom 24. februar 2000
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