TATblatt


Leserinnenbrief
Sexismus und Widerstand
zu sexistischen Kabarett-Einlagen auf der Volkstanz-Demo über Orange 94,0.
 
Reaktionen auf den Brief siehe unten:
von "Volkstanz"
von den SendungsmacherInnen vom "Club Karate"
Stellungnahme von Orange 94,0
NEU: Brief vom Vorstand des MitarbeiterInnenvereins von Orange 94,0


liebe leute vom tatblatt!

am samstag, 18. märz war ich wieder auf der volkstanz demo. alles war wonnig usw. bis dann im radio orange ein lustiger kabaretist als haider witzige sprüche von sich zu geben versuchte. die lustigkeiten beinhalteten u.a. die riess-passer als frau zu erniedrigen: "sie wird einen auftritt haben im moulin rouge, da wird sie dann die bluse aufmachen müssen und wir werden sehen, wie gut sie wirklich ist.." natürlich ist die riess-passer ein fall für sich, aber sexistische erniedrigungen gegen sie als frau ist ein unmögliches vorgehen, egal in welchem rahmen. die frauen die auf der demo waren und alle radio orange hörten, sahen sich seltsam berührt an, manche männer lachten, manche auch nicht. wutentbrannt rief ich radio orange an und verlangte von der redakteurin, daß sie ein statement dazu abgeben sollten. nichts geschah. der sprecher erging sich in aufregenden, total erfundenen schilderungen, wie die demo gerade am josefsplatz eingekesselt und verdroschen würde. (während wir am josefsplatz standen und nichts dergleichen geschah. [Anm. TATblatt: Derartige Vorfälle hat es erwiesenermaßen gegeben - siehe unsere Chronologie - das ändert aber klarerweise nichts an deiner Kritik]) also rief ich wieder an. unter einem vorwand, daß ich was über die demo-geschehnisse sagen wolle, sicher nicht über sexistische orange-meldungen, (unterstellung meinerseits: sont wäre ich nicht live geschalten worden) kam ich auf sendung. ich beschwerte mich über den sexistischen kaberetisten und bekam zu hören, auch live, so circa, daß ich zu blöd sei, um den zynismus der so die fpö und deren sexismus entlarven wollte, zu kapieren. danke, sehr lieb! großartige sache. wir demonstrieren gegen rassismus und sexismus, dchte ich?! wozu soll ich als frau auf die demos gehen (und radio orange hören), um frauenfeindlichen mist zu hören und für dumm verkauft zu werden? so wird der widerstand gespalten, großartige leistung, die coolheit von radio orange ist wichtiger als eine auseinandersetzung mit (linkem) sexismus. wie 60ies - mässig. ich hoffe also auf euch tatblättlerInnen, daß vielleicht auf diesem wege eine auseinandersetzung stattfinden kann. ich bitte euch, diesen leserinnenbrief zu veröffentlichen, vielleicht traut sich ja wer - sogar von den orangen - was damit zu tun...

liebe grüße

k

Anm: TATblatt: Wir haben Orange 94,0 und Volkstanz um eine Stellungnahme dazu gebeten. Wir würden es auch begrüßen und selbstverständlich hier veröffentlichen, wenn wir auch weitere Kommentare und Stellungnahmen dazu bekämen: hier klicken.
 

Reaktion von Volkstanz:

Einige Leute haben Statements der Moderatoren der Radio Orange Sendung als sexistisch und beleidigend verstanden. Diese Aussagen - im Rahmen einer kabarettistischen Einlage - waren zwar als Scherz gemeint wurden aber leider von einigen als sexistisch verstanden. Dies war selbstverständlich nicht die Intention! Wir wollen uns bei all jenen entschuldigen, die sich durch diese Meldung angegriffen fuehlten. Denn Volkstanz setzt sich vehement gegen Rassismus, Sexismus und Intoleranz ein. Wir möchten weiters darauf hinweisen, daß VOLKSTANZ.NET eine Plattform darstellt, an der sich jede/r beteiligen kann, der seine/ihre Statements/Kritik an Schwarz Blau äußern will. Wir wollen dabei die eingeladenen KünstlerInnen und Personen in keinster Weise  zensurieren. Wenn es dabei zu Mißverständissen oder unguten Meldungen kommt, dann können wir uns hierfür nur entschuldigen. Wir wollen aber diese freie, unzensurierte Form weiterhin beibehalten.
 

Reaktion der Orange-SendungsmacherInnen vom "Club Karate"

Als Reaktion auf die schweren Vorwürfe, mit denen wir uns nach der Live-Sendung am Samstag 18.3.2000 konfrontiert sahen, möchten wir darauf verweisen, dass der eindeutig als satirisch erkennbare Inhalt der fingierten Haider-Rede weder in der Absicht von sich aus sexistisch zu wirken noch in der Absicht Widerstand zu spalten transportiert wurde. Vielmehr steckt hinter der deutlichen Aussprache von Sexismen und Klischees unter Verwendung der Stimme des betreffenden Herren die Intention Politikverständnis und Zugang zum Frauenthema der Freiheitlichen Partei Österreichs hervorzuheben. Als positiv kann die Reaktion dahingehend gesehen werden, dass in der Tat eine Sensibilisierung stattgefunden hat und ähnliche Inhalte, verdeckt durch rhetorische Figuren und Windungen, in Zukunft vielleicht mit derselben Schärfe auch von denjenigen, die vielleicht nur die verdeutlichte Form verstanden haben und zu interpretieren wissen zurückgewiesen werden. Zum Vorwurf der nachgesagten Blödheit möchten wir entgegnen, dass die Gelegenheit zum Diskurs live auf Sendung geboten wurde und mit keinem Wort die Intelligenz der betreffenden Hörerin in Frage gestellt wurde, sondern dass vielmehr der Versuch unternommen wurde Klarheit zu schaffen. Die Form der Anschwärzung durch Konsultierung eines unbeteiligten Mediums darf hier jedoch als höchst zweifelhaft interpretiert werden.

Auf Widerstand, Club Karate
 

Stellungnahme von Orange 94,0

Liebe WiderstandlerInnen, liebe HörerInnen von Orange 94.0,

Nun gab es ja schon viel Wirbel über die Volkstanzsendung bei uns auf Orange 94.0 am Samstag, den 18.März. Wir als freies Radio bekennen und verpflichen uns in unseren Grundsatzstatuten wider der rassistischen und sexistischen Bericherstattung. Karin S. schrieb dem TATblatt, daß auf Orange 94.0 "sexistische Erniedrigungen" vom Äther gegeben werden. Alexandra Bader von ceiberweiber veröffentlichte auf der widerstands-mailliste einen Artikel über den Sexismus auf Orange 94.0.

In der Sendung vom Samstag, den 18.März haben die Radiomacher von Club Karate die rassistischen, sexistischen und menschenverachtenden Äußerungen von Jörg Haider thematisiert. Wenn auf Orange 94.0 aufgezeigt wird wie frauenfeindlich die Politik der FPÖ ist, bedeutet dies nicht, daß die Berichterstatter mit den Inhalten der FPÖ-Politik einverstanden sind.

Mit "Widerstehenden" Grüßen
Manuela für das Orange-94.0-Team
 

Brief vom Vorstand des MitarbeiterInnenvereins von Orange 94,0 an K.

Vielen Dank für deine Kritik!

Die für alle SendungsmacherInnen verbindlichen Radiorichtlinien schreiben ganz klar den Ausschluss von Sexismen aus dem Programm von Orange 94,0 vor. Dennoch kann es leider immer wieder zu nicht akzeptierbaren sexistischen Aussagen kommen, die oft als Satire deklariert werden.

Als Vorstand des MitarbeiterInnenvereins kommt uns die Aufgabe zu, gegen Verstöße gegen die Richtlinien zu intervenieren. Dass dies nicht immer gelingt, liegt vor allem an der von allen Beteiligten jedoch als sehr wichtig erachteten offenen Struktur des Radios. Wir sind aber bemüht, Diskussionen zu den Richtlinien zu initiieren und aufrecht zu erhalten und damit das Bewusstsein dafür zu fördern. Wenn Probleme auftreten und uns diese bekannt werden, laden wir die SendungsmacherInnen zu Gesprächen ein.

Dabei sind wir auf Kritiken von HörerInnen angewiesen, wie sie jetzt von dir kamen. Wir werden anhand des von dir geschilderten Falls das Problem von Sexismen im Radio im nächsten RadiomacherInnenplenum erneut thematisieren.

Wir möchten dich aber auch ersuchen, Orange 94,0 nicht als homogenes Radio, sondern als pluralistisches Projekt mit all den damit verbundenen Problemen und Vorteilen zu sehen. Jede Sendung wird von anderen RadiomacherInnen gemacht, die über unterschiedlichen politischen Bewusstseinsstand verfügen. Sexistische Positionen beruhen mit Sicherheit nicht auf einem Konsens im Radio. Antisexistische leider auch nicht unter allen SendungsmacherInnen.

Zum konkreten Fall: Den von dir in Zweifel gezogenen Polizeieinsatz gegen DemonstrantInnen hat es sehr wohl gegeben. Es ist Ziel unserer Demoberichterstattung - nicht nur an diesem Tag - solche Vorfälle so schnell wie möglich an die Öffentlichkeit zu bringen, um gewalttätige Polizeiaktionen abseits von Öffentlichkeit zu verhindern. Dementsprechend haben unsere beiden ReporterInnen, die dort waren, direkt von der Demo darüber berichtet. Solche Berichte werden soweit wie möglich prioritär behandelt, was durchaus etwas Hektik erzeugt haben kann. Das entschuldigt freilich nicht sexistische Äußerungen. Wir würden nur vorschlagen, diese argumentative Verknüpfung zu entflechten. Das eine (Berichterstattung über Polizeigewalt) hat mit dem anderen (sexistische Beiträge und Kommentare) unserer Ansicht nach nichts zu tun.

nochmals Danke für deine Kritik und liebe Grüße
der Vorstand des MitarbeiterInnenvereins für ein freies Radio in Wien
 


(c)TATblatt
alle rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise, nur in linken, alternativen und ähnlichen medien ohne weiteres gestattet (belegexemplar erbeten)!
In allen anderen fällen nachdruck nur mit genehmigung der medieninhaberin (siehe impressum)


[zum TATblatt-inhaltsverzeichnis]