Pressemitteilung anlässlich einer PK
am 13. April 2000
Stellungnahmen von:
Vereinigung Alternativer Zeitungen und
Zeitschriften (VAZ)
Verband Freier Radios Österreich
(VFRÖ)
konsortium.Netz.kultur
IG Kultur Österreich
Verband Freier Radios Österreich (VFRÖ)
konsortium.Netz.kultur
Vereinigung Alternativer Zeitungen und Zeitschriften
(VAZ)
IG Kultur Österreich
Unterstützt von:
Österreichische Journalistengewerkschaft
International Press Institute (IPI)
Kommunikationsbasis in der Kunst- und Kulturszene gefährdet.
Geplante bzw. im Raum stehende Massnahmen der neuen Bundesregierung
entziehen dem publizistischen Auftreten des dritten Sektors den finanziellen
Boden.
Medienvielfalt und Meinungsvielfalt in Österreich stehen starke
Einschränkung bevor.
Auslösendes Moment dieser Pressekonferenz ist die drohende ersatzlose Streichung des vergünstigten Postversandtarifs. Doch auch die Finanzierung der Netzkulturinitiativen und der Freien Radios scheint gefährdet. Obwohl es bislang noch keine offiziellen Termine mit dem zuständigen Staatssekretär Franz Morak gab, lassen seine Wortmeldungen (etwa im Kultur- ausschuss) nichts Gutes für die Finanzierung der Bereiche ahnen. Nachdem die Neuen Medien in keinen Regelbudgets verankert sind, drohen die allgemeinen Kürzungen in diesen Bereichen mit bis zu 100% zu Buche zu schlagen. Vor allem stellt Staatssekretär Morak den Zusammenhang mit Kunst und Kultur in Frage.
Dem ist entgegen zu halten, dass schon beginnend mit der Ankündigung von Kunst- und Kulturveranstaltungen über Kulturvermittlung bis zur Nutzung von Medien im Sinne erweiterter Bühnen für künstlerischen und kulturelle Ausdrucksformen Kommunikation und die Nutzung von Kommunikationsmitteln essentieller Teil künstlerischer und kultureller Praxis ist.
Sollten die im Raum stehenden bzw. bereits beschlossenen Maßnahmen ohne Gegensteuerung umgesetzt werden, droht mehreren 100 Zeitungstiteln, 8 Netzkulturinitiativen und 10 Freien Radios der Konkurs. Damit würde auch die hierzulande ohnedies karge Medienlandschaft maßgeblich ausgedünnt werden und die Meinungsvielfalt und nicht zuletzt die freie Meinungsäußerung massive Einschränkungen erfahren. Hierbei handelt es sich um verfassungsrechtlich geschützte Grundrechte.
Die oben genannten Initiativen sind der Auffassung, dass es nicht Aufgabe des Marktes sein darf, Meinungsvielfalt und freie Meinungsäußerung sicherzustellen. Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Lentia 2000 ua., 1993) ist der Staat oberster Garant der Werte Meinungsfreiheit und Medienvielfalt.
Die Freien Medieninitiativen in Österreich fordern die neue Bundesregierung, insbesondere aber Staatssekretär Morak und Infrastrukturminister Schmid auf, dieser demokratiepolitischen Verpflichtung nachzukommen und aktiv für die Sicherung dieser Grundwerte Sorge zu tragen.
Böcke und Schafe unter dem Verfassungsbogen
Der Mörder ist immer der Gärtner
Alternative Zeitschriften sind solche, die sich nicht hauptsächlich Markterfolg zum Ziel gesetzt haben, sondern hauptsächlich die Herstellung womöglich kritischer Öffentlichkeiten. Früher hatte man das als "bürgerliche Öffentlichkeit" bezeichnet und unter anderem für förderungswürdig befunden. Heute bezeichnen das bürgerliche Politiker wahlweise als "links-alternativ-terroristisch", "bockig", "außerhalb des Verfassungsbogens stehend", jedenfalls als in erster Annäherung nicht förderungswürdig und in eventu verfolgungswürdig.
Aktuelle Aktivitäten auf der Baustelle "Verfassungsbogen": Der Postzeitungsversand soll im neuerlichen Anlauf - nein: nicht einfach abgeschafft werden. Herr Khol will bloß irgendwelche "Böcke" von irgendwelchen "Schafen" trennen.
Was er damit meint, bliebe ebenso dunkel, wie seine früheren, finsteren Entwürfe des "Verfassungsbogens", wüßten wir nicht inzwischen, worauf der hingepfuschte Neubau gegründet ist: Herr Khol und seine neuen Koalitionsfreunde wollen sich nach eigenem Gutdünken und unbelastet von irgendwelchen rechtlichen Normen aussuchen können, wen oder was sie mit staatlichen Mitteln fördern oder - weil's lustiger ist - nicht fördern. Welche Medien im öfentlichen Interesse an der Herstellung von Öffentlichkeiten wünschenswert sind, möchten Khol und seine Freunde möglichst privat entscheiden und sich dabei nicht an allgemeine - etwa: gesetzliche - Kriterien binden lassen.
Solchen Khol'sche Begehrlichkeit führte in den vergangenen Jahren dazu, daß das Bundesgesetz über der Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik nur noch durch wiederholten Bruch vollzogen werden konnte - auch noch, nachdem es nach Khols eigenen Wünschen novelliert worden war.
Mißliebige Medien sollen wirtschaftlich derart diskriminiert werden, daß von der JournalistInnengewerkschaft eigens für die österreichischen Verhältnisse der Begriff "Wirtschaftszensur" eingeführt werden mußte.
So viel wissen wir also von "Schafen" und "Böcken". Politiker vom Schlag eines Herrn Khol und seiner Koalitionsfreunde zu Beurteilern von Gemeinnützigkeit und Gemeinwohl zu machen, bedeutet jedenfalls: den Bock zum Gärtner zu machen. Was in der Krimi-Literatur längst langweilig geworden ist, kommt im österreichischen Polit-Krimi noch einmal zur Geltung: Der Mörder ist immer der Gärtner!
Zur Information über das gewaltige Einsparungspotential durch Ruinierung alternativer Zeitschriften: Die Zahl der beförderten Exemplare beträgt etwa 1,67 Promille (!) der insgesamt beförderten Zeitungen und Zeitschriften (geschätzte 1,5 Millionen Exemplare von 900 Millionen Exemplaren).
Forderungen des Verbandes Freier Radios Österreich:
- Gesetzliche Verankerung Freier Radios und der Minderheitenradios im
Privatrundfunkgesetz
- Staatliche Förderung der Dienstleistung Freier Radios an der
Öffentlichkeit
Für das Jahr 2000 besteht eine Gesamtförderbedarf an Bundesmitteln in der Höhe von ATS 7.000.000 .
2 Jahre Freie Radios on air
Der Beitrag der Freien Radios zur Meinungsvielfalt in Österreichs Privatradiolandschaft ist evident. Zwei Jahre nach der Zulassung privaten Hörfunks in Österreich steht ausser Frage, dass Freies Radio das Spektrum an Möglichkeiten zur freien Meinungsäußerung entscheidend verbreitert hat, und damit einen einzigartigen Beitrag zur Meinungs- bzw. Medienvielfalt in Österreich leistet. Die Praxis der letzten eineinhalb Jahre hat erwiesen, dass im wesentlichen der Faktor ”Werbefreiheit” jene unnachahmliche Offenheit bei der Programmierung ermöglicht, welche die Freien Radios auszeichnet. Diese Offenheit ermöglicht eine Programmvielfalt, die sich unter anderem durch Mehrsprachigkeit, eine Musikauswahl von Klassik bis HipHop, Kinder- und Seniorenprogramme und vor allem durch die Breite an kulturellen und künstlerischen Sendungen auszeichnet.
Zur Zeit befinden sich Österreichweit neun Freie Radios in Betrieb, die in Summe über eine technischen Reichweite von bundesweit rund 2 Millionen Einwohner verfügen. Von diesen neun lizenzierten Mitglieder des Verbandes Freie Radios - Österreich betreiben 4 Freie Radios täglich ein 24 Stunden-Vollprogramm (ORANGE 94.0, Radio FRO 105.0, freequENNS 100.8, Radio Helsinki 92.6).
Die beiden "freien" Volksgrupenradios teilen sich jeweils mit einem kommerziellen Anbieter ihre Frequenzen. Mitglied des Verbandes Freier Radios – Österreich sind die beiden Volksgruppenradios AGORA 105.5, MORA 106.3, Freies Radio Salzkammergut 100.2, PRO - TON 104.6, Radiofabrik 94. Neben den sendenden Freien Radios vertritt der Verband Freie Radios Österreich noch 5 Freie Radio-Projekte, welche sich zur Zeit um eine Lizenz bewerben, bzw. im Rahmen von Eventfunk-Lizenzen bereits für einige Wochen einen Sendebetrieb aufgenommen haben.
Auch wenn die Privatrundfunkbehörde den Freien Radios ausschliesslich Lokalradiolizenzen zugewiesen hat, beschränkt sich ihr Wirken keineswegs auf den lokalen Raum ihrer Versorgungsgebiete. Vor dem Hintergrund einer technischen Reichweite von insgesamt ca. 2 Mio. Einwohnern und der Tatsache, dass die Freien Radios auf vielen Ebenen eng miteinander kooperieren ist auch die bundesweite Relevanz ihrer Tätigkeit zu sehen.
Als wahrscheinlich grösster Erfolg in der Umsetzung des Konzeptes "Freies Radios" in Österreich ist die hohe Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber dem Prinzip des offenen Zugangs ("public access") zu werten. Mehr als 1000 Bürgerinnen und Bürger erstellen bundesweit pro Radiostation 30 bis 120 verschiedene Sendungen. Das weisst auf das evidente Mitteilungsbedürfnis und den Gestaltungswille der Bürgerinnen und Bürger hin.
Verantwortlich für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur und des laufenden Betriebs zeichnen zur Zeit ca. 30 Angestellte, in deren Zuständigkeit auch die wirtschaftliche Leitung der neun Freien Radios fällt.
Im Betriebsjahr 1999 setzten die Freien Radios ohne die beiden Volksgruppenradios AGORA und MORA im Rahmen ihrer Tätigkeit in Summe rund ATS 11.675.000.- um. Davon machten die Förderungen der Kunstsektion im Bundeskanzleramt ATS 3.980.000.-, also 34% des Gesamtumsatzes aus. Weitere ATS 3.355.000.- (das sind ca. 29%) stammten aus unterschiedlichen Förderetats der Länder und versorgten Gemeinden. ATS 4.340.000.-, also gut 37% machte im Betriebsjahr 1999 die Eigenaufbringung der Freien Radios aus.
Für einen Austrian Cultural Backbone, ein elektronisches Netzwerk der österreichischen Kunst und Kultur.
Angesichts der gesellschaftlichen Umbrüche und der rasanten Entwicklungen im Bereich der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien erfährt die Zusammenführung von sozialer, kultureller und technischer Kompetenz eine immer größere Bedeutung.
Initiativen der Netzkultur haben neben ihrer sozio-kulturellen Funktion (Public Access Internet-Providing, Vermittlung von Medienkompetenz, Content-Produktion) immer auch zur Bewusstseinsbilung in diesem Zusammenhang beigetragen.
Es ist daher nicht zuletzt auf ihre konsequente Arbeit und die vielen Appelle an die Politik zurückzuführen, dass der ehemalige Kunststaatssekretär Peter Wittmann im letzten Interview seiner Amtszeit (FORMAT, 17. Jänner 2000) bei der Auflistung der kulturpolitischen Versäumnisse der letzten Jahre die fehlenden Maßnahmen im Bereich der österreichsichen Netzkultur als besonders schwerwiegend bilanzierte.
Es ist aus diesem Grunde umso erstaunlicher, dass die kulturpolitische Wahrnehmung einer öffentlichen Verantwortung für die Verbindung von zeitgenössischer Kunst und Kultur mit neuen Medien im Regierungsprogramm von FPÖ und ÖVP nun erst recht zur Gänze fehlt.
Vor diesem aktuellen Hintergrund zielt konsortium.Netz.kultur, die im März 2000 gegründete Interessenvertretung der österreichischen Netzkulturinitiativen, verstärkt auf die Förderung der künstlerischen und kulturellen Auseinandersetzung in und mit digitalen Netzwerken sowie auf die kritische Analyse und breite Diskussion ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen.
Dazu zählt:
- die Einrichtung und Förderung von Schnittstellen im Kunst und
Kulturbereich, die allgemein freien, offenen und niedrigschwelligen Zugang
zu Forschungs-, Produktions-, Vermittlungs- und Diskursplattformen mit
neuen Informations- und Kommunikationstechnologien bieten.
- der Aufbau und die Vermittlung von Medienkompetenz im Sinne eines
gemeinnützigen, selbstbestimmten und selbstorganisierten Umgangs mit
neuen Informations- und Kommunikationstechnologien.
- die Schaffung von realen und virtuellen Öffentlichkeiten als
neue Strukturmodelle zur Förderung von gemeinnützigen Inhalten
und gesellschaftlicher Partizipation
- die Bewahrung einer kulturellen Differenz abseits von kommerziellen
Verwertungslogiken
Während die österreichische Bundesregierung mit populären Kampagnentitel wie "Österreich ans Netz" oder "e-Austria" politische Handlungsbereitschaft zu vermitteln versucht, sieht der für Technologieentwicklung zuständige Ressortverantwortliche ganz offensichtlich wenig Veranlassung, zur erforderlichen Grundsteinlegung für eine demokratische und sozial ausgewogene Informationsgesellschaft beizutragen. So erklärte Infrastrukturminister Schmid bereits kurz nach seinem Amstantritt, der "Internet-Markt werde sich von selbst entwickeln" (Wirtschaftsblatt, 10. März 2000).
konsortium.Netz.kultur fordert daher von Staatssekretär Morak, seine Aufgabe als politisches Sprachrohr von Kunst und Kultur gegenüber dem Infrastrukturministerium zu erfüllen und seinen Verantwortungsbereich vor der Gefahr einer solchen neoliberalen Zurückhaltung zu bewahren.
Denn analog zu den öffentlichen Anstrengungen bei der Errichtung eines Universitäts-, Schul- und Bildungsnetzes bedarf es auch eines Cultural Backbone im Internet. Eines elektronischen Rückgrats für Kunst und Kultur in Österreich, das ausreichende Bandbreite und uneingeschränkten Zugang zu den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zur Verfügung stellt. Diese Verantwortung darf nicht der profitorientierten Mehrwertslogik eines freien Marktes übertragen werden!
Durch die Verbindung von Kunst, Kultur und neuen Medien erschließen
Initiativen der Netzkultur die Zukunft der Kulturentwicklung dieses Landes
und bereiten damit schon heute das digitale Kulturerbe von morgen. Eine
Einschränkung in der Förderpolitik oder ein Rückzug in der
kulturpolitischen Verantwortung würden daher einen noch unabschätzbaren
gesellschaftlichen Schaden nach sich ziehen.
konsortium.Netz.kultur
med-user.net (Dornbirn)
mur.at (Graz)
Public Netbase t0 (Wien)
Public Voice Lab (Wien)
servus.at (Linz)
subnet (Salzburg)
Sie wissen sehr wohl, was sie tun: Kulturkampf von der Regierungsbank
Der neuen Regierung scheint keine Maßnahme ungebührlich zu sein, um regierungskritische Medien und Organisationen mundtot zu machen. Die blau-schwarze (Zensur-)Mühle mahlt sich durch die (noch) bunte österreichische Medien- und Kulturlandschaft und bestraft jene, die die Hand beißen, die sie füttert.
Sie bedienen sich dabei vor allem zweier Mittel:
1. Reduzierung bzw. Streichung von Förderungen
2. Änderung gesetzlicher Rahmenbedingungen
Zu 1.
Zusätzlich zur Bedrohung, die "blau-schwarz" durch massive Kürzung der Ermessensausgaben auf Bundesebene für die Kunst- und Kulturinitiativen bereithält, stellt sie eine Förderung von Netzkulturinitiativen und Freien Radios generell in Frage.
Dabei wird schlichtweg negiert, daß diese Medieninitiativen gesellschaftlich und kulturell wertvolle Dienstleistungen erbringen. Diese Regierung weist ihnen den Weg zum Markt und damit in den Abgrund.
Darüber hinaus gerät politische Kultur- und Medienarbeit zunehmend ins Visier der Politik, die "Kürzungskeule" soll sie zum Schweigen bringen oder zum Aufgeben zwingen.
Zu 2.
Jenen, die trotz der dünner werdenden Luft noch immer dem Erstickungstod trotzen, geht die neue Regierung mit der Änderung gesetzlicher Rahmenbedingungen an die Kehle.
So zum Beispiel mit der Streichung des begünstigten Postzeitungstarifes, die die demokratie-, gesellschafts- und medienpolitische Arbeit verschiedenster Kultur- und Medieninitiativen gefährdet.
Die Ankündigung eines Herrn Khol, die bisherige "Quersubvention" durch gezielte Förderungen abzulösen (und dabei die Böcke von den Schafen zu trennen), läßt bei vielen Initiativen angesichts des bisher bewiesenen Demokratieverständnisses von blau-schwarz sowie eines Herrn Khol Endzeitstimmung aufkeimen.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Informationsfreiheit ist ein demokratiepolitisches Grundrecht und darf nicht von einer blau-schwarzen Zensurbehörde eingeschränkt werden.
STOPP DEM
ANGRIFF AUF ALTERNATIVE KOMMUNIKATION UND GEMEINNÜTZIGE VEREINE!
aktuelles zu diesem Thema auf der TATblatt-Site:
Oberösterreichische Protestseite gegen die Streichung des Zeitungsversandtarifs: vielfalt.servus.at |
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