TATblatt


Prag, S26ff
Widerstand gegen IWF und Weltbank

Die diesjährige Tagung von Währungsfond (IWF) und Weltbank in Prag wird von einer breiten Koalition von Basisgruppen mit Protesten und Widerstandsaktionen konfrontiert. Trotz Medienhetze in Tschechien und Schikanen an den Grenzen kamen zum Höhepunkt der Aktionen am 26. September bis zu 20.000 Menschen. Die tschechische Regierung hat 11.000 PolizistInnen aufgeboten um die Tagung zu schützen. Die AktivistInnen ließen sich davon wenig beeindrucken, einige Gruppen schafften es sogar bis ins Tagungsgebäude einzudringen.

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Bereits zwei Wochen vor Beginn der Tagung verschärften die Grenzbehörden die Einreisekontrollen. Penibel wurden alle Formalitäten kontrolliert, ein älteres Passfoto oder ein fehlendes Pannendreieck im Auto reichten schon für die Verweigerung der Einreise. Zusätzlich erhielten die tschechischen Behörden von befreundeten Polizeidienststellen im Ausland Listen von "gefährlichen" AktivistInnen. Diesen wurde die Einreise verweigert. Nach Angaben der Behörden waren davon über 200 Personen betroffen. Schließlich schafften es einige tausend AktivistInnen nach Prag zu reisen.

Am Wochenende vor der Tagung gab es in Prag einen Gegengipfel, der trotz Behördenschikanen (ständige Auflösung von Mietverträgen) stattfinden konnte. An diesem Wochenende gab es auch die ersten Aktionen auf der Straße, die jeweils bis zu 1.500 Personen versammelten. So gab es eine Demonstration zum Innenministerium um gegen die Schikanen an der Grenze zu protestieren. Am Samstag, den 23. September gab es eine Antifademo gegen einen angekündigten Aufmarsch von rechtsextremen Skinheads. Schon an diesen Tagen war das Stadtbild von Prag von den zusammengezogenen Polizeikräften dominiert. In den großen Geschäftsstraßen waren alle 20 Meter PolizistInnen postiert. Immer wieder fuhren Konvois von Mannschaftswägen durch die Stadt.
 
 

Dienstag, 26. September
 
 

Zur Eröffnung der IWF/WB-Tagung rief das tschechische Bündnis INPEG zu Blockadeaktionen auf. Es sollte versucht werden, im Laufe des Tages das Tagungsgebäude und damit die DelegiertInnen einzuschließen. Die DelegiertInnen von IWF und Weltbank sollten solange nicht aus dem Gebäude gelassen werden, bis sie ihre Selbstauflösung beschlossen hätten.

Im Morgengrauen wurden die DelgiertInnen mit Bussen von ihren Hotels zum Kongressgebäude gebracht. Die GegendemonstrantInnen versammelten sich ab 9.00 am Namesti Miru-Platz. Einige Tage zuvor hatten die Behörden diesen Treffpunkt und die anschließende Demonstration für illegal erklärt. Etwa 5.000 Menschen versammelten sich nach und nach am Treffpunkt, gemeinsam ging es dann Richtung Tagungsort. Die Demonstration wurde nur von wenigen Polizeikräften begleitet. An einer Brücke stieß die Demo an eine befestigte Polizeisperre, die den Weitermarsch verhindern sollte. Bereits während der Demonstration verließen einige Gruppen von AktivistInnen den Zug um auf anderen Wegen in die Nähe des Tagungsortes zu kommen. Unabhängig davon waren andere Gruppen zum Kongreßzentrum unterwegs. Am frühen Nachmittag schätzte die Polizei die Zahl an AktivistInnen auf bis zu 9.000.

Die Polizei beschränkte sich am Nachmittag weitgehend darauf, ihre Sperren rund um das Tagungsgebäude zu halten. In der Anfangsphase versuchten die Behörden noch, einzelne Blockaden anzugreifen und aufzulösen. Die entschlossene Gegenwehr vieler Menschen verunmöglichte ihnen diese Versuche. Daneben griffen immer wieder große Gruppen von (vor allem anarchistischen und autonomen) DemonstrantInnen Polizeisperren an. Die PolizistInnen wurden mit Pflastersteinen und vereinzelt auch mit Molotovcocktails angegriffen. Die Polizei antwortete mit Wasserwerfern, Tränengas und Schockgranaten (diese Granaten explodieren mit einem lauten Knall).

Am späteren Nachmittag wurden die Polizeisperren immer wieder zurückgedrängt und einzelne Gruppen von DemonstrantInnen kamen bis auf 100 Meter an das Tagungsgebäude heran. Um 16.00 verlautbarte der Sicherheitsbeauftragte der Konferenz schließlich, daß das Tagungsgebäude vollständig eingeschlossen sei und ein Verlassen der DelegiertInnen nicht mehr möglich wäre. Die Behörden kündigten zu diesem Zeitpunkt an, weitere Polizeikräfte nach Prag zu verlegen. Darüberhinaus wurden die meisten U-Bahnstationen geschlossen. Gleich neben dem Tagungsgebäude befindet sich eine U-Bahnstation, den Behörden erschien die U-Bahn als der einzig sichere Weg, die DelegiertInnen aus dem Gebäude zu schaffen. Rund ums Tagungsgebäude tobten heftige Kämpfe, einige Gruppen von AktivistInnen errichteten brennende Barrikaden. Immer wieder durchbrachen DemonstrantInnen Polizeisperren und kamen dem Tagungsort näher. Gegen 16.30 erreichten einige Gruppen das Gebäude und drangen ein. Erst der massive Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken verhinderte das weitere Eindringen, die Polizei konnte die DemonstrantInnen schließlich zurückdrängen. Ein Berichterstatter des Unabhängigen Medienzentrums (IMC), der sich zu der Zeit im Tagungsgelände aufhielt, berichtete, daß sich langsam Panik unter den DelegiertInnen breitmachte.

Die DelegiertInnen von Weltbank und IWF mußten bis 19.30 warten, bis sie das Gebäude Richtung U-Bahnstation verlassen konnten. Zuvor hatten noch einzelne Gruppen von AktivistInnen versucht, die U-Bahnstrecke zu blockieren. Mit Sonderzügen wurden die DelegiertInnen in ihre Hotels gebracht (zwei Stunden später als geplant). Ein geplanter Besuch der Prager Oper wurde abgesagt, nachdem sich dort bereits 3.000 DemonstrantInnen versammelt hatten. Nach dem Abzug der DelegiertInnen aus dem Tagungsgebäude verließen die DemonstrantInnen die Blockaden und Barrikaden, viele zogen noch Richtung Innenstadt.

In den Abendstunden wurden die Auslagenscheiben vieler multinationaler Einrichtungen (McDonalds, Mercedes-Benz, Banken) eingeschlagen. Die Polizeieinheiten versuchten die DemonstrantInnen zu zerstreuen und setzten immer mehr Schlagstöcke und Tränengas ein. Nach Angaben des Unabhängigen Medienzentrums wurden in dieser Nacht etwa 500 Personen festgenommen, viele davon sollen verletzt sein: es gibt erste Berichte über Knochenbrüche und Kopfverletzungen.

An diesem internationalen Aktionstag S26 fanden Solidaritätsaktionen in aller Welt statt: in mehreren Städten in Kanada und den USA, in vielen europäischen Städten, in Bangladesh, Brasilien, Indien und Australien.
 
 

27. September
 
 

Dem Rechtshilfebüro ist noch immer nicht die genaue Zahl an Verhafteten bekannt. Den Verhafteten werden Telefonanrufe und Kontakt zu Anwälten verweigert. Am Nachmittag werden die ersten AktivistInnen mit Bussen an die Grenze gebracht und abgeschoben. Sie berichten über schwere Mißhandlungen in den Polizeistationen, verletzte DemonstrantInnen wurden nicht ärztlich versorgt. Das Unabhängige Medienzentrum (IMC) hat eine Kündigung ihrer Räumlichkeiten erhalten und muß bis Mitternacht die Büros verlassen.

Am Vormittag versammelten sich mehrere hundert DemonstrantInnen am Namesti Miru-Platz. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot präsent, einzelne AktivistInnen werden festgenommen. Zuerst sieht es so aus, als ob die Demonstration den Platz nicht verlassen kann. Später wird dies doch erlaubt, die (mittlerweile an die 1000) DemonstrantInnen ziehen los um ihre Solidarität mit den Verhafteten vom Vortag auszudrücken. Gegen 15.00 wird der Zug von der Polizei gestoppt und eingekesselt. Die Polizei verlangt von allen TeilnehmerInnen die Ausweise zu kontrollieren. Die DemonstrantInnen fordern freien Abzug und die Zusage, daß einige Anwälte die Gefängnisse aufsuchen dürfen. Gegen Redaktionschluß dieser Nummer (27. September, 16.00) sind die Verhandlungen zwischen der Polizei und den DemonstrantInnen noch im Gange.
 
 

Aktuelle Informationen finden sich auf der Seite vom Unabhängigen Medienzentrum in Prag: http://www.prague.indymedia.org/

siehe auch: http://www.no-racism.net/s26


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