Zur Besetzung der AMS-Zentrale am 19. 10. 00 Presseerklärung vom 20.10.00
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Frauenwiderstand
gegen die Arbeits- und Wirtschaftspolitik
Wir haben am Donnerstag, den 19.10.00 die Bundesgeschäftsstelle
der AMS besetzt. Wir schafften es trotz erhöhter Einsatzbereitschaft
der hauseigenen Security, die den gesamten Gebäudekomplex absicherten,
um 11 Uhr den Sitzungssaal des AMS-Vorstandes im 5.Stock mit all unseren
Utensilien zu erreichen.
Um 11 Uhr betraten wir maskiert den Sitzungssaal, in dem gerade ein
Treffen der Landes- und Bundesgeschäftsstellen der AMS stattfand.
Wir teilten ihnen mit, daß hiermit die Bundesgeschäftsstelle
besetzt ist und hängten Transparente aus den Fenstern und im
Sitzungssaal mit folgenden Aussagen auf:
Die FrauenLesbenKundgebung, die um 9 Uhr vor dem Wirtschaftsministerium
und um 11 Uhr vor der AMS- Bundesgeschäftsstelle demonstrierte, nahm
die Transparente freudig auf und solidarisierten sich mit der Besetzung.
Wir haben ihnen die Flugblätter und die Presseerklärung hinuntergeschmissen.
Während der Besetzung gab es immer wieder Kontakt und gemeinsame Parolen
und wir bestärkten uns gegenseitig.
Mit der Besetzung stellen wir Frauen und Lesben uns gegen die herrschende Arbeits- und Wirtschaftspolitik,
Diese Strukturanpassungsmaßnahmen sind Teil einer EU- und
weltweiten neoliberalen Politik.
Wir Erwerbslose, Alleinerzieherinnen, Kranke „working poor“ und Erwerbstätige lassen uns nicht mit „sozialer Treffsicherheit“ abschießen und mit „sozialer Abfederung“ belügen.
Das AMS ist die Institution, die die Arbeitsmarktpolitik des Wirtschaftsministeriums gegen Erwerbslose umsetzt und uns mit verstärkten Kontrollen, Schikanen, Sperren und Zwangsarbeit in Billigstarbeit und Beschäftigungsprogramme zwingt.
Wir forderten und fordern:
In der ersten Presseaussendung um ca. 11.15 Uhr haben wir unsere
Inhalte und Forderungen öffentlich gemacht und zu einer Pressekonferenz
um 14 Uhr in der AMS geladen. In der Aussendung haben wir angekündigt,
daß wir so lange bleiben, bis folgende Vertreter sich hier einfinden:
° Wirtschaftsminister Bartenstein, als Regierungsverantwortlicher
der Wirtschaftspolitik in Österreich
° AMS-Vorsitzende Herbert Böhm und Herbert Buchinger, als
Verantwortlicher der Arbeitsmarktpolitik der
AMS-Stellen
° EU-Kommissions-Mitglied Walter Wolf, als ein Vertreter der Koordination
der EU-weiten Arbeitsmarktpolitik
° Präsident der Volkshilfe Josef Weidenholzer und Fritz Meißl,
Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungs Fond
(WAFF), beide als Vertreter von Organisationen, die sich an
der Umsetzung der Zwangsmaßnahme INTEGRA
beteiligen
° Gewerkschaftsvorsitzender Fritz Verzetnitsch, da der ÖGB
einerseits im Aufsichtsrat des AMS sitzt und damit
die Arbeitsmarktpolitik des AMS mitbestimmt. Andererseits haben
die Maßnahmen gegen Erwerbslose
Auswirkungen auf alle Erwerbstätigen, und der ÖGB
ist aufgefordert, gegen die herrschende
Arbeitsmarktpolitk Stellung zu beziehen und zu handeln.
Wir haben die Angestellten der AMS für 12:30 Uhr in den Sitzungssaal
geladen, um an einem Spiel zur „sozialen Treffsicherheit“ teilzunehmen,
bei dem es möglich war, „Arbeits-Lose“ zu gewinnen.
Einige Angestellte waren bereit, mit uns über z.B. INTEGRA zu
diskutieren. Ihre Auseinandersetzung ging aber nie über den Punkt
hinaus, daß es scheinbar alle gut meinen, aber nicht verantwortlich
sind, und nicht mehr tun können. Einige Angestellte waren auch sehr
aggressiv und ablehnend.
Innerhalb der ersten Stunde wurde die hauseigene Security und Polizei auf Weisung des AMS-Vorstandes Buchinger angefordert, und uns wurde die Räumung angedroht. Buchinger stellte fest, daß er die Pressekonferenz im AMS nicht zulassen wird. Kurz später hat er angeboten, die Pressekonferenz zuzulassen, wenn wir das AMS um 19 Uhr verlassen. Wir stimmten zu, bis 19 Uhr zu bleiben, aber setzten keinen Zeitpunkt fest, wann wir die Besetzung beenden. Wir forderten, daß die Polizei die Räumlichkeiten verläßt, was auch geschah. Die anwesende Security blieb am Gang vor dem besetzten Saal. Während der gesamten Besetzung wollten die meisten Security-Typen immer wieder eine Eskalation provozieren, sie drohten uns körperlich, und attackierten uns mit sexistischen (frauenfeindlichen und lesbenfeindlichen) Sprüchen und Bemerkungen.
Um 14h fand die Pressekonferenz statt und stündlich haben wir die
geladenen Vertreter telefonisch aufgefordert zu kommen. Als einzige reagierte
um ca. 17 Uhr das Wirtschaftsministerium und Bartenstein bot an, vier Delegierte
von den Besetzerinnen zu empfangen. Wir lehnten ab, da wir fünf weitere
Vertreter aufgefordert hatten, in die Räumen des AMS zu kommen. Daraufhin
gab es das Angebot eine Vertretung zu schicken. Wir wollten dieses Zusammentreffen
mit einer 2. Pressekonferenz verbinden. Die Gesprächsbereitschaft
wurde eine halbe Stunde später vom Wirtschaftsministerium zurückgenommen.
In einer 2. Presseaussendung um ca. 18 Uhr veröffentlichten wir
erneut unsere Forderungen und stellten klar, daß die Besetzung aufrecht
bleibt. Wir forderten die Grünen auf, die Inhalte und Forderungen
der Besetzung im Parlament in der Budgetdebatte einzubringen.
Um 19 Uhr drohte Buchinger erneut mit Räumung.
Kurz darauf machte Buchinger in Begleitung mit einem Anwalt das Angebot,
über Nacht bleiben zu können, wenn eine der Besetzerinnen ihre
Identität preisgibt und die Verantwortung für eventuell auftretende
Schäden übernimmt (obwohl keine Sachschäden in den besetzten
Räumen entstanden waren). Es wurde nochmals eine schriftliche öffentliche
Stellungsnahme vom AMS zu den Forderungen der Besetzerinnen gefordert und
klargestellt, daß keine Namen und Adressen offen gemacht werden.
Daraufhin ging Buchinger weg mit den Worten, daß er die Räumung
veranlassen wird.
Die Grüne-Abgeordnete Madeleine Petrovic kam unserer öffentlichen
Forderung an die Grünen nach. Um ca. 20 Uhr konnte sie zu uns kommen,
um zu veranlassen, daß unsere Forderungen und Inhalte im Parlament
eingebracht werden.
Auch die stellvertretende Bundesvorsitzende der KPÖ, Heidi Ambrosch
solidarisierte sich bereits am Nachmittag in Form einer Presserklärung
mit den Besetzerinnen und deren Inhalten.
Um ca. 20 h fuhr auch ein großes Aufgebot an Polizei vor dem AMS
auf und riegelte die Treustraße ab.
Die „Donnerstags-Demo“, die seit Februar wöchentlich gegen die
SchwarzBlaue-Regierung demonstriert, solidarisierte sich offensichtlich
mit der Besetzung und mit dem FrauenLesben-Widerstand gegen die herrschende
Arbeits- und Wirtschaftspolitik und kam zur AMS-Zentrale. Da die Zugänge
zur Treustraße gesperrt waren, ging die Demo durch den Innenhof in
die Treustraße zur FrauenLesben-Kundgebung.
Wir wollten und wollen mit der Besetzung aufzeigen, daß es notwendig
ist, gegen die rechtsextreme Regierung, gegen die herrschende Arbeitsmarkt-
und Wirtschaftspolitik, gegen Sexismus und Rassismus Handeln zu setzen!
Mit der Aktion wollen wir feministische Inhalte und Forderungen öffentlich
machen und eine breitere inhaltliche Auseinandersetzung ermöglichen.
Wir wollen die Verantwortlichen und Ausführenden der Politik benennen
und angreifen und eine breitere Auseinandersetzung über notwendige
Aktionsformen erreichen.
Wir beschlossen die Besetzung zu einem Zeitpunkt zu beenden, der für
uns günstig erschien, ohne Perlustrierung und Festnahme, um eine Kriminalisierung
aktiv zu verhindern. Wir schafften es, trotz körperlichen Angriffen
durch die Security , das Gebäude zu verlassen und mit der Demonstration
wegzugehen.
In der ganzen Zeit war uns wichtig, uns nicht durch Scheinangebote
benützen und vereinnahmen zu lassen, unsere Ziele und Interessen durchzusetzen
und unsere Forderungen öffentlich zu machen. Das war ein hartes Stück
Arbeit. Die Kampf geht weiter.
feministische Grüße
die Besetzerinnen
autonome FrauenLesben
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