Erneut Polizeiübergriffe bei Straßenfest
in Graz
Nach Unfall Beamte unter Verdacht der unterlassenen
Hilfeleistung
Massive Einschüchterungsversuche gegenüber
Mayday-AktivistInnen
von MayDay2000, gekürzt
Es scheint kein Ende der polizeilichen Übergriffe gegen die linken
Szene in Graz in Sicht zu sein: Nach den Vorfällen vom 6. 10. kam
es am 14. 10. beim Besuch der "Kulturkarawane gegen rechts" und einem anschließenden
Straßenfest erneut zu Eskalationen. Schon die Tatsache, dass ein
abendlicher Demonstrationszug von ca. 50 Leuten von ca. doppelt so vielen
Beamten der Sondereinheit "Taurus" permanent eingekesselt war, sagt einiges
über das momentane Klima aus. Noch dazu, wo die TeilnehmerInnen, die
sich durchwegs friedlich verhielten, ständig und aufdringlich gefilmt
wurden. Kleinigkeiten wie eine kleine Performance mit FeuerschluckerInnen
nutzte die Polizei für sofortige Einsätze und Anzeigen. Ein massiver
Übergriff fand dann im Verlauf des späteren Abends am Eisernen
Tor statt: Ein Jugendlicher habe angeblich Polizisten bedroht, was eine
Personalienaufnahme ja noch erklärt hatte. Doch anstatt einfach die
Daten aufzuschreiben, griff die "Taurus"-Einheit ein und verhaftete den
Burschen.
Als der Versammlungsleiter dazukam und den Grund für die Verhaftung
wissen wollte, wurde er selbst von den Beamten angegriffen, mit den Worten
"Wenn Sie nicht verschwinden, sind Sie auch dran...", weggestoßen,
der Arm wurde ihm nach hinten verdreht und er wurde am Boden weggeschleift.
Seine Rufe machten andere FestteilnehmerInnen aufmerksam, die daraufhin
ebenfalls hinliefen, sich dazwischen stellten und von der Polizei eine
Rechtfertigung für ihr Vorgehen verlangten. Die "Taurus"-Beamten drängten
auch sie mit Gewalt zurück, dabei fielen gegenüber Mayday-Leuten
Drohungen wie: "Wenn Sie da nicht verschwinden, nehmen wir noch einen mit.",
oder - noch schlimmer:"Dein Gesicht merk ich mir, pass auf, dass du mir
nicht allein über den Weg läufst." Als wir danach vom Einsatzleiter
eine Erklärung für den gesamten Vorfall verlangten, hatte der
nichts gesehen und gehört. Er meinte nur, wir könnten ja eine
schriftliche Beschwerde einreichen.
Um etwas klar zu stellen: Beim Straßenfest handelte es sich nicht
um eine Veranstaltung von Mayday 2000, wohl haben viele von uns mitgemacht.
Wir wissen nicht, was dieser Jugendliche getan oder nicht getan hat. Aber
seine Verhaftung war auf keinen Fall gerechtfertigt, sondern eine sinnlose
Provokation, und klar rechtswidrig war das brutale Vorgehen gegenüber
dem Versammlungsleiter. Deswegen haben wir eingegriffen, und wir protestieren
energisch gegen die Drohungen und die Gewalt uns gegenüber!
Unterlassene Hilfeleistung
Doch noch erschreckender ist der zweite Zwischenfall dieses Abends: Ein Teilnehmer des nächtlichen Demozuges war beim Burgtor unter den Demowagen geraten, das Auto überfuhr sein Bein. Auf Grund der Dunkelheit unter dem Torbogen, des Gedränges und der lauten Musik bemerkte niemand außer zwei Jugendlichen und den Einsatzpolizisten diesen Unfall. Etwas Unglaubliches passierte: Die Polizisten unterließen es nicht nur, sofort die Rettung zu rufen, sondern forderten die Jugendlichen, die helfen wollten, auf, weiterzugehen: "Geht's weiter, lasst ihn liegen, er ist selber schuld." Zum Glück taten die beiden das nicht, sondern alarmierten noch zwei weitere DemonstrantInnen und riefen die Rettung - was gut 20 Minuten dauerte, da sie keine Handys bei sich hatten. Als dann das Unfallkommando die Jugendlichen zum Unfallhergang befragte, trafen Beamte der Sondereinheit ein und begannen, die Leute einzuschüchtern: Warum sie jetzt noch demonstrieren müssten, ob sie wieder etwas getan, vielleicht eine Sachbeschädigung begangen hätten...
In Zusammenhang mit dem skrupellosen Verhalten der Polizisten bei diesem
Unfall müssen auch die Drohungen, die bei dem Straßenfest gegen
AktivistInnen gefallen sind, ernst genommen werden.
Schon ein paar Wochen zuvor hatten Beamte einer Sondereinheit drei
junge Leute aus dem Stadtpark grundlos mitgenommen, beschimpft und erklärt,
das könne man je locker als drei Selbstmorde ausschauen lassen. Wenige
Tage nach dem Straßenfest reagierte die Einheit "Taurus" darauf,
dass Mayday 2000 den brutalen Polizeieinsatz vom 6. 10. öffentlich
gemacht hatte: In Briefen an die Lokalzeitungen überhäufte die
Polizei die Gruppe und besonders jene Leute, die für Mayday-Aussendungen
namentlich unterzeichnet hatten, mit Verleumdungen und Vorwürfen.
Für alles, was an angeblichen Beleidigungen und Aggressionen gegenüber
der Polizei passiert sein soll, macht "Taurus" Mayday verantwortlich. Damit
werden nicht nur die LeserInnen, sondern sämtliche Polizisten gegen
uns aufgehetzt, und besonders gegen jene AktivistInnen, deren Namen amtsbekannt
oder öffentlich für Mayday stehen. Nicht umsonst hat ein angeblich
Verantwortlicher für Mayday am 15.10. für das Verteilen von Flugblättern
vor dem Sitz der Landesregierung wieder eine Anzeige erhalten - wegen "nicht
genehmigten Verteilens von Flugblättern" (Anm.: für politische
Flugblätter gibt es eigentlich keine Genehmigungspflicht). Doch angesichts
der momentanen Einschüchterungsversuche und Drohungen durch die Polizei
sind es nicht nur Anzeigen, die wir befürchten. In einer Situation,
in der sich einige Angehörige der Exekutive offenbar immer mehr zu
Aktionen im Graubereich der Legalität ermutigt fühlen und offen
Leute bedrohen, heißt das, dass die Beschuldigungen von "Taurus"
uns massiv gefährden und zur Zielscheibe machen.
Was muss eigentlich noch passieren, damit in Graz öffentlicher
Protest gegen die Polizei laut wird, z.B. innerhalb der politischen Opposition?
Dass am 6. 10. junge Leute in Handschellen festgenommen, angezeigt, gedemütigt
und misshandelt wurden, nur weil sie ein Transparent hochgehalten und ein
paar Zwischenrufe gewagt hatten, reichte offenbar nicht. Schweigen konnte
die Polizei nur als Ermutigung auffassen, und so macht sie weiter...
Anfragen im Gemeinderat, im Landtag oder im Parlament; Stellungnahmen
in der Presse, Protest direkt bei der Polizei, was auch immer, aber meldet
euch endlich zu Wort!
PS: Wir danken den solidarischen Menschen aus anderen Bundesländern ganz herzlich für ihre Rückmeldungen und Unterstützungsangebote und bitten weiterhin um eure Solidarität! Wir greifen eine Anregung auf und informieren hiermit alle, die direkt ihren Protest bei der zuständigen Stelle ausdrücken wollen: Bundespolizeidirektion Graz, Paulustorgasse 8, 8010 Graz, tel. 888 0; Polizeidirektor Dr. Franz Stingl.
Nach wie vor ersuchen wir dringend um Spenden für die Rechtshilfe:
BLZ 38 000, Sparbuchnummer 32 22 61 85, Bezeichnung Mayday 2000
Graz.
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