Rezensionen:
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Lohnende Verbrechen
"Verbrechen, die sich lohnen" heißt die neueste anläßlich
der Frankfurter Buchmesse vom Diogenes Verlag herausgegebene Ausgabe der Zeitschrift
Tintenfass. Auf reichlich ausgetretenen Pfaden werden hier praktisch sämtliche
der zu Recht ziemlich erfolgreichen KriminalautorInnen des Verlages, von der
bereits verstorbenen Patricia Highsmith über die höchst Lebendigen
wie Ingrid Noll oder Donna Leon, wiederverwertet. Unverblümt kommt einem
die klassische Mordgeschichte entgegen, an der sich vor allem zwei Dinge lohnen:
die Honorare der AutorInnen und die Erlöse des Verlages. Aber ist es deswegen
schon ein lohnendes Verbrechen, in handlicher und preiswerter Form, das sei
zugegeben, den wievielten Aufguß von StarautorInnen unter einem nicht
nachvollziehbaren Titel, denn die Belohnung in den Geschichten erschließt
sich auch bei erheblicher krimineller Energie selten, "überforderten
Intellektuellen" (Untertitel des Tintenfass) nachzuwerfen?
Dass es sich bei einer klassischen Kriminalgeschichte eigentlich um einen simplen
Plott handelt, nämlich diesem, daß eine aus den Fugen geratene abgeschlossene
Welt durch vornehmlich DetektivIn/PolizistIn wieder ins Lot gebracht wird und
dieser Vorgang als psychische Sublimierung von Wünschen und Frustrationen
der LeserInnen verstanden werden kann, davon geht auch ein gänzlich unterschiedliches
Buch über Bankraub aus. Neben einer erklecklichen Anzahl von Beispielen
des Bankraubes finden sich in "Vabanque" sehr unterschiedliche Ansätze
zu Theorie und Praxis von Banküberfällen. Wie es sich für linke
Verlage gehört, darf auch der Klassenaspekt nicht fehlen, allgemein dürfte
der Ansatz jedoch im weitesten Sinne einer Spontisoziologie zuzuordnen sein.
Allerdings ist den AutorInnen auch hier anzumerken, daß sie sich in lustvollen
Gedankenspielen gewälzt haben, somit ohne moralische Komponente des klassischen
Kriminalromans so etwas wie subversiven Tagträumereien nachgegangen sind.
Aus diesem Kontext bricht nur ein Autor heraus, nämlich Klaus Viehmann,
der selbst wegen angeblicher Beteiligung an einem Bankraub der Bewegung 2. Juni
vor Gericht gestanden hat. Seine profunden Kenntnisse in "Handwerk hat
goldenen Boden - reale Technik und ein fiktiver Raub" kommen im Gegensatz
zu anderen Beiträgen ohne irgendeine Fußnote über Quellen aus.
Erfahrung spricht, wo andere imaginieren. In "Notgroschen der Revolution"
bedauert er denn auch ein bißchen, daß Bankraub "als linker
Gelderwerb ausgedient" hat und von Lohnarbeit, Erbschaften, Stiftungen
und Staatsgeld abgelöst worden ist. "Eine Linke, die geklautes Geld
nutzt, hat sicher eine andere Haltung als eine, die sich unbedingt legal finanziert".
Aber auch wer mit dem Viehmannschen Postulat etwas überfordert ist, wird
einen Befreiungsschub für ihre bzw. seine verschüttete kriminelle
Energie, die im bürgerlichen Rechtsstaat psychohygienisch ungesund unterdrückt
wird, durch die Geschichten von Ronald Biggs und Co. fühlen.
Tintenfass, Das Magazin für den überforderten Intellektuellen
Nr. 24: Verbrechen, die sich lohnen
Diogenes Verlag
258 Seiten
öS 73,-
Klaus Schönberger (Hg.)
Vabanque, Bankraub.Theorie.Praxis.Geschichte
VLA-Schwarze Risse-Rote Strasse
324 Seiten
ca. öS 250,-
TATblatt +154, S.10
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