TATblatt  

Rezensionen:

  • Tintenfass, Das Magazin für den überforderten Intellektuellen
    Nr. 24: Verbrechen, die sich lohnen
  • Klaus Schönberger (Hg.)
    Vabanque, Bankraub.Theorie.Praxis.Geschichte


Lohnende Verbrechen

"Verbrechen, die sich lohnen" heißt die neueste anläßlich der Frankfurter Buchmesse vom Diogenes Verlag herausgegebene Ausgabe der Zeitschrift Tintenfass. Auf reichlich ausgetretenen Pfaden werden hier praktisch sämtliche der zu Recht ziemlich erfolgreichen KriminalautorInnen des Verlages, von der bereits verstorbenen Patricia Highsmith über die höchst Lebendigen wie Ingrid Noll oder Donna Leon, wiederverwertet. Unverblümt kommt einem die klassische Mordgeschichte entgegen, an der sich vor allem zwei Dinge lohnen: die Honorare der AutorInnen und die Erlöse des Verlages. Aber ist es deswegen schon ein lohnendes Verbrechen, in handlicher und preiswerter Form, das sei zugegeben, den wievielten Aufguß von StarautorInnen unter einem nicht nachvollziehbaren Titel, denn die Belohnung in den Geschichten erschließt sich auch bei erheblicher krimineller Energie selten, "überforderten Intellektuellen" (Untertitel des Tintenfass) nachzuwerfen?
Dass es sich bei einer klassischen Kriminalgeschichte eigentlich um einen simplen Plott handelt, nämlich diesem, daß eine aus den Fugen geratene abgeschlossene Welt durch vornehmlich DetektivIn/PolizistIn wieder ins Lot gebracht wird und dieser Vorgang als psychische Sublimierung von Wünschen und Frustrationen der LeserInnen verstanden werden kann, davon geht auch ein gänzlich unterschiedliches Buch über Bankraub aus. Neben einer erklecklichen Anzahl von Beispielen des Bankraubes finden sich in "Vabanque" sehr unterschiedliche Ansätze zu Theorie und Praxis von Banküberfällen. Wie es sich für linke Verlage gehört, darf auch der Klassenaspekt nicht fehlen, allgemein dürfte der Ansatz jedoch im weitesten Sinne einer Spontisoziologie zuzuordnen sein. Allerdings ist den AutorInnen auch hier anzumerken, daß sie sich in lustvollen Gedankenspielen gewälzt haben, somit ohne moralische Komponente des klassischen Kriminalromans so etwas wie subversiven Tagträumereien nachgegangen sind. Aus diesem Kontext bricht nur ein Autor heraus, nämlich Klaus Viehmann, der selbst wegen angeblicher Beteiligung an einem Bankraub der Bewegung 2. Juni vor Gericht gestanden hat. Seine profunden Kenntnisse in "Handwerk hat goldenen Boden - reale Technik und ein fiktiver Raub" kommen im Gegensatz zu anderen Beiträgen ohne irgendeine Fußnote über Quellen aus. Erfahrung spricht, wo andere imaginieren. In "Notgroschen der Revolution" bedauert er denn auch ein bißchen, daß Bankraub "als linker Gelderwerb ausgedient" hat und von Lohnarbeit, Erbschaften, Stiftungen und Staatsgeld abgelöst worden ist. "Eine Linke, die geklautes Geld nutzt, hat sicher eine andere Haltung als eine, die sich unbedingt legal finanziert".
Aber auch wer mit dem Viehmannschen Postulat etwas überfordert ist, wird einen Befreiungsschub für ihre bzw. seine verschüttete kriminelle Energie, die im bürgerlichen Rechtsstaat psychohygienisch ungesund unterdrückt wird, durch die Geschichten von Ronald Biggs und Co. fühlen.

Tintenfass, Das Magazin für den überforderten Intellektuellen
Nr. 24: Verbrechen, die sich lohnen
Diogenes Verlag
258 Seiten
öS 73,-

Klaus Schönberger (Hg.)
Vabanque, Bankraub.Theorie.Praxis.Geschichte
VLA-Schwarze Risse-Rote Strasse
324 Seiten
ca. öS 250,-

TATblatt +154, S.10 

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