Reaktion auf eine Rezension
Alles Lüge?
Über die antifaschistische Verpflichtung im Kosovo
einer vom TATblatt
Im TATblatt +155/156 erschien eine Rezension des Buches des Konkret-Autors Jürgen Elsässer über Kriegsverbrechen im Kosovo-Konflikt. Elsässer behandelt in seinem Buch vor allem die Propagandalügen der NATO und beteiligter Regierungen. Dabei verwendet er eine Vielzahl von Pressemeldungen und Berichte von verschiedenen NGO's (Nicht-regierungs Organisationen). So weit so gut. Beim Lesen des Buches kommen immer wieder Passagen und Formulierungen vor, die deutlich zeigen, daß der Autor in diesem Konflikt Partei ergreifen will. Elsässer leugnet nicht grundsätzlich Kriegsverbrechen der serbischen Seite, für ihn sind solche jedoch jeweils das Werk von kriminellen EinzeltäterInnen, die von den serbischen Behörden verfolgt würden. Sollten bei Aktionen des serbischen Militärs ZivilistInnen zu Schaden kommen sein, sei dies einzig und allein die Schuld der "albanischen Terroristen". Die serbischen Sicherheitskräfte hätten ja große Probleme gehabt, die UCK-KämpferInnen von zivilen AlbanerInnen zu unterscheiden. In einem Exkurs zum Bosnienkrieg spricht Elsässer sogar von "begreifbaren Emotionen", wenn Serben Massaker und Exekutionen verübt hätten. Den bosnisch-muslimischen KämpferInnen werden solche "begreifbare Emotionen" nicht zugestanden, denn in ihren Reihen kämpften mafiöse Clans, die sich noch dazu gegenseitig umbrächten.
Im Weltbild von Elsässer ist der Konflikt im Kosovo ein Kampf der serbischen AntifaschistInnen gegen die albanischen FaschistInnen (und in einem solchen Konflikt ist jedes Mittel recht). Die SerbInnen sind für ihn "eine Gemeinschaft, die sich in der Vergangenheit durch Verzicht auf Nationalismus ausgezeichnet" habe. Nirgendwo außerhalb Israels sei "der Antisemitismus so schwach wie im Belgrader Staat." (so plump würde nicht einmal das serbische Informationsministerium argumentieren.) Auf der albanischen Seite sieht Elsässer ein Wiederaufleben der 30er Jahre, Großalbanien wird zu Großdeutschland. An mehreren Stellen des Buches schreibt Elsässer, daß er einen direkten Vergleich der Shoah mit den Ereignissen im Kosovo ablehnt. Dies ist notwendig, damit er Deutschlands Verteidigungsminister Scharping für seine Holocaust-Vergleiche angreifen kann. Elsässer selbst verwendet jedoch immer wieder Assoziationen mit dem Nationalsozialismus um die albanische Seite zu entlarven. Die belagerten Wohnviertel der SerbInnen und Roma werden zu Ghettos, in denen die BewohnerInnen dahinvegetieren (den LeserInnen sollen wohl die Bilder von Ghettos im Dritten Reich in Erinnerung gerufen werden). Ein ganzes Kapitel wird unter dem Titel "Der albanische Faschismus" geführt. Es werden darin Berichte von Morden und anderen Übergriffen an SerbInnen, Roma und JüdInnen zitiert. Unbeantwortet bleibt die Frage, warum dieser unerträgliche Zustand Faschismus sei und auf welche Faschismustheorien Elsässer sich dabei beruft. Solche Ereignisse wie im Kosovo sind "normale" Begleiterscheinungen eines ethnischen Bürgerkrieges, wie es in den letzten Jahren immer wieder passierte. (Der Völkermord an den Tutsis in Ruanda kann wohl kaum unter die Kategorie "Hutu-Faschismus" verbucht werden.) Die Faschismusvergleiche eignen sich jedoch vortrefflich, die eigene deutsche Geschichte zu entsorgen. Wenn die AlbanerInnen dasselbe machen wie die Nazis, verlieren deren Taten ihre besondere Scheußlichkeit.
Schlecht zu sprechen ist Elsässer auf die KriegsgegnerInnen der verschiedensten Strömungen. Jeder Strömung werden ihre Versäumnisse vorgehalten, die einzig wahre Kriegskritik kam von der Zeitschrift "Konkret" und Konkret-Autor Elsässer selbst. Bei genauerem Betrachten des Buches zeigt sich, daß Elsässer den KriegsgegnerInnen eigentlich vorwirft, sich nicht auf die Seite Belgrads gestellt zu haben - was für ihn ja eine "antifaschistische Verpflichtung" ist.
aus TATblatt +158, S. 10
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