Gene wie Du und ich
"Obstbäume sind Pflanzen wie Du und ich" beschreibt die Forscherin Laimer da Camara Machado etwas nebulos ihre Tätigkeit als Genklempnerin am Institut für Mikrobiologie an der Universität für Bodenkultur in Wien, ortet ansonsten aber "Null Interesse" an dem was sie tut. Kein Wunder, denn außer der guten Frau glaubt kein Mensch mehr daran, daß mit genmanipulierten Pflanzen noch irgendein Geschäft laufen wird. Die Multis schließen schon ihre Abteilungen und verkaufen diese ab.
TATblatt
Die Genindustrie ist derzeit beinahe jeden Monat in einer neuen Konstellation um die Gentech-Bereiche bei der Pflanzenproduktion mit möglichst wenig Verlusten abzustoßen. Im Oktober entstand so Syngenta, in der Novartis (früher Ciba Geigy und Sandoz) und AstraZeneca ihre jeweiligen Geschäftsbereiche ausgegliedert hatten.
Schöne Genvergangeheit
Alles war so schön gelaufen, zumindest zwischen 1995 und 1997. Die EU-Kommission hatte Genmais von Novartis zugelassen, aber schon 1997 waren 13 EU-Länder auf nationaler Ebene gegen Genmais. Dann ging es Schlag auf Schlag mit Importverboten in Österreich und Luxemburg. Im November 1997 verbot Norwegen sämtliche Genimporte. Während 1998 der Widerstand in Frankreich und Großbritannien schnell wuchs, ließ die EU-Kommission auch Genmais von Monsanto zu. Nationale Widerstände, das Europaparlament und massive KonsumentInnenboykotte brachten schließlich den Umschwung.
In die Krise
Der ehemalige Vorreiter bei Gentech, Monsanto, wird derzeit vom neuen Eigentümer,
dem Pharmamulti Pharmacia & Upjohn, in Einzelteile zerlegt. Während
Upjohn die Genpflanzenabteilung abstößt, werden in der Pharmaabteilung
die lukrativsten Medikamente Monsantos in den Mutterkonzern übertragen.
Vom Rest wird bald auch nicht mehr viel übrig sein.
Diese Entscheidung wurde im November bzw. Dezember zusätzlich durch den
Star Link-Skandal beeinflußt. In verschiedenen Ländern wurde gentechnisch
veränderter Weizen der Marke Star Link des französischen Konzerns
Aventis (früher Höechst und Rhone Poulenc), der nur zur Tierfütterung
zugelassen ist, in Lebensmittelprodukten entdeckt. Daraufhin erließen
auch kleine Länder wie El Salvador reihenweise Importverbote gegen zahlreiche
Produkte. Star Link fand sich vor allem in Tortilla Chips und ähnlichem,
weshalb sogar in den USA die Regale leergeräumt wurden. Die US-Regierung
entschädigte vorerst US-Farmer und kaufte Star Link zurück, schloß
aber mit Aventis umgehend einen Vertrag, worin sich Aventis verpflichtet, den
Schaden von etwa 90 Mio. US$ zu tragen.
Aber auch sonst gab es Niederlage um Niederlage für die Genindustrie. Im
August verbot Saudi-Arabien jeglichen Import von Genlebensmitteln, nachdem dort
im März Gensoyaöl aus Thailand entdeckt worden war. Im selben Monat
wurden auch in Dänemark endlich gegen den Widerstand der Agrarlobby praktisch
alle Genprodukte verboten, die bereits längere Zeit im Handel waren. In
Griechenland wurden im August mehrere tausend Hektar Genbaumwolle auf Anordnung
des Lanwirtschaftsministers vernichtet, die Rechnung dafür wurde vom Umweltminister
an die schuldigen Konzerne geschickt.
Auch in Schweden tat sich im August grundsätzliches. Dort wurde angeordnet,
daß alle Genrapsfelder zerstört werden müssen.
In Frankreich gelang es Novartis zwar durch eine Gerichtsentscheidung im November
eine Freisetzungsgenehmigung für Genmais zu erlangen, aber Konkurrent Syngenta
kündigte am Tag danach an, daß Syngenta trotz des Urteils auf Freisetzungen
von Genmais in Frankreich verzichten wird.
Im Mai drangen Unbekannte in ein staatliches Agrarinstitut in Toulouse ein und
zerstörten die Forschungspflanzen.
In Deutschland wurden die bereits erteilten Freisetzungsgenehmigungen für
Novartis-Genmais aufgehoben.
Die Niederlassung von McDonalds in Deutschland verkündete im November,
daß McDonalds in zahlreichen Ländern auf sämtliche mit Genfutter
ernährten Tiere in der Produktion verzichten wird.
Eine Ausnahme bildet in Europa lediglich die Schweiz, mit den Konzernzentralen
von Novartis usw. usf. die Festung des Genübels. Das Institut für
Pflanzenwissenschaften der ETH Zürich kündigte im Jänner eine
Genweizen-Freisetzung in der Versuchsstation in Lindau-Eschingen an. Erst kürzlich
war ein Wissenschaftler der ETH Zürich in Wien um den "Novartis-Forschungspreis"
für genehmes Verhalten gegenüber der Industrie zu verleihen.
In der Finanzwelt blieb kein Stein auf dem anderen. Im Juli 2000 mußte
der Vorsitzende des Biotechnologie-Fonds der Rothschild Bank, Jeremy Curnock
Cook, der zugleich größter Finanzier der Biotech-Branche in Großbritannien
ist, wegen dubioser Gengeschäfte in die eigene Tasche zurücktreten.
Aventis wird sich heuer mit der Genforschung komplett aus Großbritannien
zurückziehen und nur mehr in Deutschland und Frankreich forschen.
Ende August verschickte die niederländische Rabobank, die größte
Agrarbank Europas, Richtlinien für einen Umgang mit Gensaaten an Konzerne,
wo u.a. darauf hingewiesen wurde, daß es Farmern auf jeden Fall erlaubt
sein müsse, Saatgut selbst zu lagern und (wieder)zuverwenden. Außerdem
sei die Rabobank zwar nicht prinzipiell gegen Genpflanzen, jedoch strikt für
Sortentrennung.
Veranstaltungen der Genmafia waren keinesfalls gerne gesehen. Im Mai 2000 trafen sich VertreterInnen hunderter Genfirmen in Genua, um von dort eine Propagandaoffensive zu starten. Tausende DemonstrantInnen sorgten für gutes Klima, das italienische Landwirtschaftsministerium zog die Unterstützung zurück und zahlte nichts für den Kongreß und die Polizei sorgte für den üblichen Belagerungszustand.
Die VerbraucherInnenmärkte Europas sind jedenfalls verlorenes Territorium für die Genindustrie. Seit sechs Monaten befindet sich laut Firmenangaben keine Gentechbestandteile mehr in den Produkten von Novartis, das sind u.a. Ovomaltine und Isostar. Novartis hatte schon 1999 dem großen Druck nachgegeben und seine unter dem Firmennamen Gerber geführte Kindernahrungslinie genfrei gemacht.
Rettungsversuche
Offensichtlich ist die Genbranche in so großer Bedrängnis, daß
nur mehr Schadensbegrenzung betrieben wird, um den totalen Absturz zu verhindern.
Kurz vor der Gründung von Syngenta durch Novartis und AstraZeneca beschloß
Novartis sämtliche Genprodukte vom britischen Markt zu nehmen. Darunter
befindet sich ein Süßungsmittel, das nach Ergebnissen von Untersuchungen
der US-Food and Drug Administration 92 Nebenwirkungen, darunter den möglichen
Tod, zur Folge hat. Erst danach ging die Gründung von Syngenta vonstatten.
Trotzdem mußte der neue Geschäftsführer von Syngenta, Michael
Pragnell, nach einem Bericht von zahlreichen Umwelt- und Sozialgruppen aus der
Schweiz und Schweden umgehend in die Defensive gehen, nachdem festgestellt worden
war, daß Novartis und AstraZeneca versuchen Farmer in die totale Abhängigkeit
durch Saatgutmonopole zu treiben. Trotz verschiedener Dementis der Geschäftsleitung
gegen vorgeworfene Missetaten war der Ruf schon zu Beginn dahin. Am Ausgabetag
der neuen Aktien fiel der Kurs vom Ausgabewert von 85 Schweizer Franken auf
75 SFR, woraufhin das Management beschloß, daß die Firma 10% ihrer
Aktien zur Kursstützung wieder zurückkaufen würde. Insbesondere
institutionelle Anleger hielten sich mehr als zurück. Insofern ist auch
unsicher, ob der ursprüngliche Plan von Novartis und AstraZeneca, wobei
sie von den wichtigsten Großbanken und Investmenthäusern der Welt
beraten wurden, daß sich die Aktienkurse der neuen Firma irgendwann einmal
so weit erholen werden, daß der gesamte Geschäftsbereich ohne Verluste
abgestoßen werden kann, erfüllen wird. Novartis wurde jedenfalls
mit diesem Deal 2,4 Milliarden US-Dollars an Schulden los, zumindest auf dem
Papier. Das US-Justizministerium ist davon weniger begeistert und ermittelt,
ob diese Vorgehensweise zulässig ist. Falls das Justizministerium zustimmt,
warten bereits Monsanto, Bayer und DuPont in den Startlöchern, um ähnlich
vorzugehen.
aus TATblatt +159 vom 1. 2. 2001
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