Iran: Mehrjährige Haftstrafen für TeilnehmerInnen
an einer Konferenz über die Zukunft der Reformen in der islamischen Republik
in Berlin
von: Ökoli
im zuge des überwältigenden parlament-wahlerfolgs der islamistischen
reformisten im iran im februar 2000, der erst im mai 2000 nach langen schikanierungen
der bevölkerung und presseverbot für über 20 pro-reformistische
zeitungen anerkannt wurde, wurden im april 2000 eine gruppe von iranischen journalistInnen
und reformistischen geistlichen zu einer konferenz über die zukunft der
reformen in der islamischen republik auf initiative der deutschen grünen,
nach berlin eingeladen. auf dieser konferenz kam es zu einer spontandemo, die
der iranische oberste wächterrat als anlass nahm, die gesamte konferenz
und all ihre teilnehmerInnen, die ihr ohnehin ein dorn im auge waren, wochenlang
im iranischen fernsehen zu diskreditieren. die teilnehmerInnen wurden bei der
rückkehr teils gleich vom flughafen weg in u-haft verschleppt. der konservative
geistige wächterrat, der im iran judikative, exekutive und medien in der
hand hat und über der funktion des staatspräsidenten und des parlaments
steht, musste im mai 1997 zum ersten mal seit der islamischen revolution im
jahre 1979 eine niederlage verzeichnen, als der reformorientierte geistliche
mohammad khatami mit ca. 70% der stimmen von vorwiegend studentInnen und frauen
gewählt wurde. auch wenn khatami in meisten bereichen die hände gebunden
sind und auch er nur eine systemimmantente variante darstellt, so konnten doch
kleine schritte in richtung pressefreiheit und frauenrechte verzeichnet werden.
... täglich beantwortet durch gewaltige rückschläge der hardliner.
zum ersten mal seit 19 jahren kam es 1998 zu so etwas wie einer studentInnenrevolte,
die sich auf khatami berief, die aber derselbe später zum mäßigen
aufrief. als antwort auf die demos wurden studentInnen im schlaf aus ihren zimmern
geworfen, ganze studentInnenheime ausgeräuchert, die sprecherInnen der
aktionen wurden im berüchtigten staatsgefängnis gefoltert. gleichzeitig
wurde von oberster stelle eine rundumschlag gegen einige führende oppositionelle
intellektuelle und schriftstellerInnen durchgeführt. auch diese wurden
im schlaf brutal ermordet. gleichzeitig wurden auf engste mitarbeiter des sich
loyal zeigenden aber hierbei machtlosen präsidenten attentate verübt.
derzeit laufen ebenfalls die verhandlungen gegen geheimdienstangestellte in
der causa mehrerer 1998 ermordeter schriftstellerInnen, hierbei hat der oberste
geheimdienstchef zum ersten mal die schuld seiner untergebenen zugegeben. ...
um so die wahren täter an oberster staatstragender stelle zu schützen.
die konservative geistlichkeit, die ihre legitimität durch die mehrheitliche
befürwortung der der reformpläne in der bevölkerung gefährdet
sieht, greift zu immer drastischeren massnahmen, ihr festhalten an der macht
zu signalisieren, erst im mai wurde das reform-parlament mit fast 70% bestätigt,
die nächsten präsidentschaftswahlen im mai stehen bevor. trotz presseverboten,
inhaftierungen und ermordungen oppositioneller wissen die hardliner, dass der
wille der bevölkerung nur mehr schwer zu unterdrücken ist.
eine weitere einschüchterungsmassnahme bilden nun die urteile vom 13.1.2001
für die teilnehmerInnen der berlin-konferenz zum thema reformen im iran:
10 jahren haft und 5 jahre verbannung sind das höchste urteil für
einen journalisten, der weiters auf die verstrickungen des staates in den journalistenmorden
hinwies.
10, bzw. 9 jahre haft für 2 übersetzer.
vier weitere teilnehmerInnen erhielten 4, bzw. 5 jahre. darunter eine journalistin,
für deren gesundheitszustand ein gefängnis-aufenthalt tödlich
sein kann.
ein weiterer journalist 3 jahre. 2 urteile stehen noch aus. ein geistlicher
wurde zum tod verurteilt. ... das verbrechen: "gefährdung der sicherheit
der islamischen republik und ihrer werte."
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