TATblatt    

Kundgebung gegen die Verschlechterung der Haftbedingungen der Gefangenen im LG1: Mi, 14.2., 11.00 Uhr, Wien 9, Wickenburggasse

Gravierende Verschlechterungen im Bereich des Strafvollzugs in der Justizanstalt Josefstadt (kurz: "Landl")
Ausnahmen dürfen nicht zur Regel werden

 

GEMMI

Seit Herbst 2000 gibt es einige gravierende Verschlechterungen im Bereich des Strafvollzugs in der Justizanstalt Josefstadt (kurz: "Landl"). Diese Einschränkungen betreffen die Möglichkeit, Kleidung, Tageszeitungen oder Bücher zu erhalten. Bisher konnten Kleider, Handtücher etc. an zwei Wochentagen für die Gefangenen abgegeben werden. Zusätzlich durften BesucherInnen für sie drei Bücher und auch Zeitschriften mitbringen. Alle anderen Dinge konnten nur im Gefängnis zu sehr hohen Preisen gekauft werden, der Besitz von darüber hinausgehenden persönlichen Gegenständen war überhaupt verboten. Nun können in- und ausländische Tageszeitungen "nur mehr vom Insassen selbst auf eigene Kosten im Haus angekauft werden." Zusätzlich werden andere Zeitschriften und Bücher "nur mehr in ganz besonders berücksichtigungswürdigen Fällen, auf Ansuchen des Insassen und dessen Bewilligung angenommen". Diese Bestimmung der "besonders berücksichtigungswürdigen Fälle" ist äußerst vage und eröffnet der Willkür und unfairen Behandlung Tür und Tor. In der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten heißt es in Artikel 10/1: "Jeder Mensch hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein." Deutlicher geht's wohl nicht! Diese Deklaration lässt außer Zweifel, dass es zu den Grundrechten gehören muss, auch in der U-Haft, während der noch die Unschuldsvermutung gilt, und in der Haft weiterhin alle Formen von Informationen, sofern sie nicht den Prozess beeinflussen, beziehen zu können. Den Zugang zu Information zu verwehren, die der Unterhaltung oder der Weiterbildung dienen, ist nicht anders zu bezeichnen als Beschneidung der Meinungsfreiheit.
"Das Recht auf Bildung darf niemanden verwehrt werden." Artikel 2 (Recht auf Bildung) Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention.
Die U-Haft als Zwangsmaßnahme stellt in Österreich leider keinen Ausnahmefall im Rahmen eines Strafprozesses dar und dauert zudem überdurchschnittlich lange, oft über ein Jahr. Schon alleine deshalb ist es nicht zu rechtfertigen, U-Häftlinge quasi von der Außenwelt und der Möglichkeit sich weiterzubilden, zu isolieren. Weiters ist es unverständlich, warum U-Häftlinge in der Realität schlechter gestellt sind als Strafgefangene, für die das Strafvollzugsgesetz gilt. Dieses sieht zumindest theoretisch vor, dass Häftlinge - sollte die Gefängnisbücherei nicht ausreichend bestückt sein - Bücher bestellen können. Unwürdig ist es in jedem Fall, irgend einem Menschen - egal ob verurteilt oder nicht - Informationen zu verwehren. Nur in diesem Zusammenhang wird das gesamte Ausmaß einer menschenverachtenden Behandlung der U-Häftlinge durch die Hausordnung der Vollzugsanstalt Josefstadt erkennbar. Die Rücknahme dieser Hausordung, die das Beziehen von Büchern zum "Gnadenakt" von Seiten der Anstaltsleitung und zur Ausnahme macht, kann also nur der erste dringlichste Schritt sein. Auch die Einrichtung einer im Minsterrat diskutierten und versandeten Rechtsmittelinstanz für Beschwerden der AnstaltsinsassInnen gegen Beschlüsse der Leiter von Justizanstalten scheint jedenfalls nicht so schnell voranzugehen, wie die Realität dies verlangen würde. Gerade für Menschen mit nicht-österreichischer StaatsbürgerInnenschaft (oder solche, die nicht über gute Sprachkenntnisse verfügen) bedeuten diese neuen Bestimmungen eine besonders schlimme Verschlechterung. Sie können die deutschsprachigen Zeitungen nicht lesen oder Anträge an die Gefängnisleitung formulieren. Die ersten Erfahrungen mit den neuen Bestimmungen in der Justizanstalt Josefstadt bestätigen uns in dieser Kritik. Ja, sogar die Regelungen für die Abgabe von Wäschepaketen werden in einer willkürlichen Art und Weise ausgelegt, die nicht einmal durch die neuesten Verschlechterungen gedeckt ist: So heißt es in den neuen Bestimmungen unter Punkt 1: "Wäschepakete - ausschließlich per Post, und max. 2 Pakete pro Monat (nur Wäsche!)." In den letzten Wochen wurden jedoch einige Wäschepakete, die vorschriftsmäßig per Post abgeschickt wurden (Anm.: Früher konnte Wäsche direkt und unentgeltlich in der Haftanstalt abgegeben werden), wieder zurückgeschickt. Auf Nachfragen, wodurch ein solcher Schritt gerechtfertigt sei, erklärten BeamtInnen in der Beschwerdestelle, dass für die Wäsche seitens der Häftlinge um keine Bewilligung angesucht wurde. Auf eine erneute Nachfrage, dass Bewilligungen nach den neuen Bestimmungen doch bloß für Bücher und Zeitschriften, jedoch nicht für Kleidung eingeholt werden müssten, meinte ein Beamter wörtlich, das sei "halt blöd geschrieben".
Diese Vorgangsweise erscheint uns untragbar, weshalb wir eine sofortige Änderung dieser Zustände fordern. Es kann nicht angehen, dass Angehörigen von Inhaftierten und karitativen Organisationen die Möglichkeit kostenloser Wäscheabgabe genommen wird.
Aus diesem Anlass laden wir dazu ein, am 14. Februar 2001 um 11 Uhr vor dem Eingang zum Gefangenenhaus in der Wickenburggasse 18-20, 1090 Wien, Bücher, Zeitschriften und Kleidung mitzubringen, um so gegen die neuesten Verschlechterungen der Haftbedingungen zu protestieren. Auch eine Lesung aus diesen "verbotenen Büchern" ist geplant.

Wir fordern:

Ausnahmen dürfen nicht zur Regel werden. Das Recht auf Bildung ist ein Menschenrecht (vom Recht auf Kleidung ganz zu schweigen).
Bitte schreibt auch an Justizministerium (BM f. Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer, Museumstr.7, 1070 Wien) und Gefängnisleitung (Anstaltsleiter der Justizvollzugsanstalt Josefstadt Mag. Friedrich Nowak, Wickenburgg. 18-20, 1090 Wien).

>> TATblatt-Inhaltsverzeichnis | >> WiderstandsChronologie (Wien)

©TATblatt, 2001
Alle Rechte vorbehalten

Nachdruck, auch auszugsweise, nur in linken, alternativen und ähnlichen Medien ohne weiteres gestattet (Quellenangabe undBelegexemplar erbeten)!

In allen anderen Fällen Nachdruck nur mit Genehmigung der Medieninhaberin (siehe Impressum)