Wunderwelt der Technik Folge 3
Katapulte
Als Cäsar die Barbaren besiegte war das Katapult bereits eine alte Erfindung. Mittlerweile ist es etwas aus der Mode gekommen, ebenso wie zur Verteidigung gebaute Burgmauern. Doch die kleine Variante davon, die Schleuder, hat sich seit den alten Griechen erstaunlich im Bewußtsein gehalten und ist zum ein kulturellen Welterbe geworden.
Der Grieche Dionysius der Ältere aus Syracus erfand 399 v.Chr. das erste Katapult. Mit diesem konnten bis zu 175 kg schwere Steine verschossen werden.
Die Römer verwendeten das Cheirobalista, das Pfeile über große Distanzen schleudern konnte, das ebenso wie die kleineren Varianten Acrubalista und Manubalista griechische Erfindungen waren und von der römischen Armee als Artilleriewaffe perfektioniert wurden. Das Cheirobalista war im Gegensatz zu den von den Griechen entwickelten Katapulten aus Metall statt aus Holz, leichter, kleiner und mit höherer Schleuderkraft ausgestattet.
Zwischen dem 14. und dem 19. Jahrhundert verschwanden die meisten Katapulte,
aber nicht alle. Im englischen Sprachgebrauch wurde um 1870 das Wort neu
eingeführt, als ein Kind ein elastisches Band dazu nutzte Steine zu
verschießen. Damals wurde dieses Ding "catapult" nach dem historischen
Vorbild getauft, was heute eine "slingshot"-Schleuder ist und als solche
verkauft wird.
Echte Katapulte wurden auch im 1. Weltkrieg verwendet, nämlich
als Granatwerfer, wobei meistens einfach ein Baum mittels einer Schlinge
am oberen Ende umgebogen und dann losgelassen wurde. Professioneller waren
schon die eigens gebauten Granatwerferkatapulte der sowjetischen Armee
im 2. Weltkrieg.
Kulturell ist das Katapult häufiger Bestandteil von Filmen. Beispiele dafür sind "Der heilige Gral" von Monthy Python, Robin Hood (neu mit Kevin Kostner oder auch älter mit Errol Flynn) oder auch die wunderbaren Sandalenfilme der 60er Jahre. In den USA haben Untersuchungen ergeben, daß viele Menschen das Katapult erst durch Filme kennenlernten, aber auch, daß das Katapult zu den bekanntesten Waffen überhaupt zählt.
Schleudern - "slingshot"
Früher hatten auch in Europa die meisten Kinder eine Schleuder.
Der Film "Der Krieg der Knöpfe" zeigt, daß Schleudern durchaus
zu Auseinandersetzungen zwischen Kindern mit zum Teil erheblichen Verletzungen
verwendet wurden.
Die Schleuder als Gebrauchsgegenstand ist außerhalb der Industrieländer
heute noch sehr häufig. Ein Indiz dafür ist die Erwähnung
in der Literatur.
Der südafrikanische Schriftsteller J.M. Coetzee läßt
seine Hauptfigur in dem Roman "Life & Times of Michael K." den Regelungen
des Apartheidregimes zeitweise dadurch entkommen, indem dieser sich in
eine Erdhöhle in der Steppe zurückzieht und nur mit einer Schleuder
durch das Abschießen von Vögeln überlebt.
In seinen Kurzgeschichten schildert Jacob Ross aus Grenada anhand eines
10-Jährigen, worauf es ankommt, technisch wie moralisch:
"Gestern hat er eine neue Steinschleuder gebaut. Er ging in den
Busch, um den kleinen Y-förmigen Ast zu finden, entrindete ihn, schnitt
ihn zurecht und bearbeitete den Griff nach seinen Vorstellungen. Dann umwickelte
er ihn mit Gummistreifen, die er von einem gebrauchten Autoreifen heruntergeschnitten
hatte. An jede Spitze des gegabelten Stocks knotete er zwei gleichlange,
besonders rote Gummistreifen, diesmal vom Schlauch eines Lastwagens. Schließlich
fügte er an die Enden der starken Gummistreifen eine einzelne Lederzunge,
die er aus einem alten Schuh geschnitten hatte. Die Streifen bildeten so
eine einzige Schlinge, und die Zunge war die Stelle, wohin er die Steine
zum Abschuß plazieren würde.
Danach ging Ken in den Wald, um nach Vögeln Ausschau zu halten...
Dort schoß er einen Pikayo, der in einer Wolke grauer und weißer
Federn zu Boden fiel. Aber es war nicht mehr derselbe Vogel, der er einen
Moment zuvor gewesen war, der in den Zweigen des hohen Seidenbaumwollbaums
gehockt war und sich die Seele aus dem Leib gepfiffen hatte. Auf dem Teppich
verfaulender Blätter schien er nicht mehr zu sein als ein saft- und
kraftloser Haufen von Federn, noch warm vom Leben und seines nicht beendeten
Liedes.
Ken war den Tränen nahe, es tat ihm so leid. Er begrub ihn
unter demselben Baum, auf dem er gesungen hatte, murmelte eine Entschuldigung
und ein Gebet."
Wurfschleuder - "sling"
Ein von der Steinzeit bis heute bekanntes Gerät ist die Steinschleuder,
die geschwungen wird. Diese besteht aus einem Flecken in der Mitte und
zwei gleichlangen daran befestigten Bändern. Ein Stein oder ein anderes
Wurfobjekt wird auf den Flecken gelegt, das ganze geschwungen und dann
eines der beiden Bänder losgelassen, woraufhin das Objekt bei guter
Technik bis zu 300 Meter weit fliegt.
Bekanntester Wurfschleuderer der Geschichte ist David, der bekanntlich
Goliath mit einer solchen ins Jenseits beförderte. Die Griechen hatten
ebenso wie die Babylonier militärische Wurfschleudereinheiten, auch
in der Bibel werden Schleuderer häufig erwähnt. Schleudern waren
auch auf den pazifischen Inseln sehr verbreitet, und die spanischen Konquistatoren
berichteten über Schleuderer in Peru.
Bauweise
Für Slings genügt als Material Leder, Nylon oder alte Textilien
mit einem Maß von ca. 7-8 cm mal 11-12 cm. Daraus entsteht der Flecken
in der Mitte, in dessen Mitte ein Loch geschnitten wird, damit das Wurfobjekt
gut liegt. An den beiden Enden werden die Schnüre befestigt, wobei
eine der beiden Schnüre eine Schlaufe hat, in der beim Werfen ein
Finger eingehängt wird. Die andere Schnur hat keine Schlaufe, weil
das Ende beim Wurf losgelassen wird.
Wenn Du das fertige Gerät in der Hand hast, lege zur Probe einen
Stein (etwa so groß wie ein Ei) auf den Flecken und drücke diesen
gut hinein, notfalls mit Hilfe von Wasser und längerem Zusammenbinden,
damit der Flecken ein Höhlung bildet. Dann ist die Sling fertig.
Jetzt geht es ans Üben. Es gibt drei Arten von Grundschwüngen:
Im Uhrzeigersinn seitlich von unten, gegen den Uhrzeigersinn seitlich von
oben und den Propellerschwung über dem Kopf rotierend. Am einfachsten
ist der Schwung von unten, wobei etwa vier- bis fünfmal rotiert wird
und dann, wenn das Objekt ganz unten ist, die Schnur losgelassen wird,
woraufhin der Stein in Richtung vorne in einer leicht aufwärtsführenden
Bahn fliegt.
Beim Schwung von oben wird die Schnur losgelassen, wenn der Stein am
höchsten Punkt ist, woraufhin der Stein grade nach vorne fliegt. Der
Schwung von oben ist weniger kraftvoll als der von unten, hat aber den
Vorteil, daß die Flugbahn gerade ist.
Der Propellerschwung muß gut beherrscht werden, da das Objekt
sonst ziemlich gefährlich, nämlich völlig unvorhersehbar,
durch die Gegend fliegt.
Mit der Sling kann vom kleinen Stein bis hin zum Ziegel oder zum Molotov-Cocktail
alles verschossen werden. Bei schweren Wurfgeschossen werden einfach die
Schnüre länger und der Flecken größer gewählt.
Die Slingshot ist dagegen nur für kleinere Geschosse geeignet, also alles, was gleichmäßig ist. Das können Stahl- oder Glaskugeln aus dem Waffengeschäft oder auch Schraubenmuttern und ähnliches sein. Slingshots werden weniger häufig selbst gebastelt, da es in Waffengeschäften technisch ausgefeilte mit Armstütze um 300,- Schilling gibt, wobei es in Österreich keine Kauf- oder Besitzbeschränkungen gibt.
Moderne Anwendungen
Slingshots und Slings sind auch heute noch häufig in Gebrauch,
etwa durch aufständische Zivilbevölkerungen gegen Polizei- und
Besatzungstruppen. Weit verbreitet sind sie in Nordirland, Palästina,
diversen Ländern Lateinamerikas, aber auch bei manchen Auseinandersetzungen
in den Industrieländern, wie etwa den Anti-AKW-Kämpfen Deutschlands.
Wenn mit Schleudern auf Menschen geschossen wird, so kann dies schwerste
Verletzungen und Todesfolgen nach sich ziehen. Sofern nicht Repressionskräfte
unmittelbar mit exzessiver Gewalt mit Todesfolge gegen friedliche Menschen
vorgehen, ist der Einsatz von Schleudern durch DemonstrantInnen sicher
nicht gerechtfertigt - ganz davon abgesehen, dass, wenn aus Menschenmassen
rausgeschossen wird, zumeist auch die Umstehenden schwerst gefährdet
werden.
In vielen Ländern werden Schleudern jedoch nur als Mittel zur
Ausübung eines Sports, was auch recht lustig ist, oder als Methode
der Sabotage verwendet.
Sportlich ist es für den Beginn auf 50 Meter Entfernung einen
Baumstamm zu treffen. Weder mit Sling noch mit Slingshot ist das am Anfang
so einfach. Einen Stein auf 100 Meter zu schleudern ist schon recht gut,
aber nichts gegen die Griechen im Altertum, die 400 Meter zielgenau schleudern
konnten.
Als Sabotagegerät wird die Slingshot gerne von fahrenden Fahrzeugen
aus eingesetzt, um Schaufenster einzuschiessen. In dutzenden Sabotageanleitungen
der Animal Liberation Front und anderer Untergrundgruppen wird genau erläutert,
welche Möglichkeiten das bietet. Ein Auto fährt in angemessenem
Tempo an einem Fenster vorbei, und ein bis zwei Personen schießen
aus dem Seitenfenster. Wenn nicht etwa die Schusshand mit der Schleuder
aus dem Fenster gestreckt wird, ist es kaum wahrscheinlich, dass irgendjemand
bemerken wird, woher der Schuss kam, ja nicht einmal, wodurch jetzt diese
Scheibe zu Bruch ging. Als Geschosse werden Stahlkugeln oder Schraubenmuttern
verwendet, im Winter aber auch Eiskugeln, wodurch überhaupt keine
Spuren hinterlassen werden.
Ein weiteres Anwendungsgebiet für Slingshots ist die Zerstörung
von Straßenlampen oder Scheinwerfern, falls etwas Dunkelheit für
das jeweilige Vorhaben gewünscht ist. Ähnliches gilt für
den Angriff auf Überwachungskameras.
Slings werden hingegen dort verwendet, wo die Slingshot zu schwach ist. Das betrifft das Einschießen von festen Scheiben wie Autoscheiben, aber auch von Fenstern in großer Höhe oder weiterer Entfernung, weil dann das Vordringen auf ein abgezäuntes Gelände nicht mehr notwendig ist. Das Schleudern von Molotov-Cocktails mittels einer Sling wird wohl nur PerfektionistInnen angewendet werden, da die Eigengefährdung doch sehr hoch sein dürfte.
Alles in allem handelt es sich bei den verschiedenen Arten von Katapulten um eine Kulturtechnik, die es verdient, nicht in Vergessenheit zu geraten. Vielleicht findet sich sogar wieder einmal eine Einsatzmethode, die zur Wiederbelebung des großen Katapults führt. Bis dahin kann mit Sling und Slingshot das Gute bewahrt und das Böse bekämpft werden.
Literatur:
J.M. Coetzee: Life & Times of Michael K., Vintage
Jacob Ross: Ein Lied für Simone, Verlag Guthmann & Peterson
Cliff Savage: The Sling for Sport & Survival, Loompanics
Das Buch von Savage enthält alles nötige an Konstruktionsplänen
und Technik zur Anwendung von Slings. Zu bestellen ist es bei Loompanics, PO
Box 1197, Port Townsend, WA 98368, USA; Internet: >>>www.loompanics.com.
"Fun with Slingshots" ist ein Teil des Ökosabotagehandbuchs
"Ecodefense", das es bei Earth First!, PO Box 3023, Tucson, AZ 85702, USA zu
bestellen gibt.
Unter www.nzp.com ist ein Internetmuseum altertümlicher Militärgeräte
mit Katapultmodellen und Erläuterungen zur Geschichte eingerichtet.
Infos zu Slingshots biete auch die Internetseite >>>www.slingshots.com.
Sabotagetechniken der ALF: >>>www.animalliberation.net.
aus TATblatt Nr. +164 vom 26. April 2001
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