Haiders innewohnende Tendenzen...
Am 18. April 2001 sprach das Oberlandesgericht Wien den Politikwissenschafter Anton Pelinka vom Vorwurf der üblen Nachrede in letzter Instanz frei. Dem vorangegangen war die Feststellung Pelinkas, dass "Haider (...) in seiner Karriere immer wieder Aussagen gemacht" habe, "die als Verharmlosung des Nationalsozialismus zu werten sind. Er hat einmal die Vernichtungslager ,Straflager' genannt. Insgesamt ist Haider verantwortlich für eine neue Salonfähigkeit bestimmter nationalsozialistischer Positionen und bestimmter nationalsozialistischer Äußerungen". Der Politikwissenschafter war in erster Instanz verurteilt worden, was international für Aufsehen gesorgt hat.
(TATblatt)
Dem Kärntner Landeshauptmann sei, so das Oberlandesgericht, "abstrahiert zum Vorwurf zu machen, mit einer gewissen Nähe zum Nationalsozialismus zu kokettieren und Grauzonen zu betreten, in welchen die Greueltaten dieses Regimes in ihrer tatsächlichen Dimension nicht akzeptiert werden". Allen von Anton Pelinka - über die "Straflager"-Aussage hinaus - im Verfahren angeführten Erklärungen Haiders würde "im Wesentlichen eine mehr oder weniger ausgeprägte Tendenz innewohnen, die Intensität der NS-Gewaltmaßnahmen von ihrem Gewicht her zu verringern, selbst wenn mit aller Regelmäßigkeit die sofortige Abschwächung der an den Nationalsozialismus erinnernden Statements unmittelbar nachfolgt".
...und ambivalenten Einstellungen
Auch in der "Straflager"-Aussage "bricht die ambivalente Einstellung
des Privatanklägers wiederum durch, wenn er sich zunächst einer
Diktion bedient, die durch ihren semantisch herunterspielenden Charakter
eine Anlehnung an das NS-Gedankengut initiiert, die aber schon mit dem
nächsten Halbsatz den ursprünglichen Aussagesinn weitestgehend
entschärft und in seiner Bedeutung zurücknimmt", heißt
es in dem von Senatsvorsitzenden Herbert Körber unterzeichneten Urteil.
Das Oberlandesgericht hält - unter Hinweis auf Artikel 10 Menschenrechtskonvention
- ausdrücklich fest: "Kritik zu üben ist kein Sakrileg. Wer Verhaltensweisen
anderer, insbesondere Äußerungen und Handlungen einer kritischen
Beurteilung unterzieht, braucht das Strafrecht nicht zu fürchten.
Dass sich der Kritisierte irritiert oder verletzt fühlt, ist nachfühlbar,
rechtlich aber unmaßgeblich..."
Die Grenzen für kritische Werturteile müssten freilich eingehalten
werden. Strafrechtlich relevante Wertungsexzesse seien "erst abfällige
Beurteilungen, die entweder in Relation zum Tatsachensubstrat ganz unverhältnismäßig
überzogen sind oder jedes Maß an Sachlichkeit vermissen lassen."
Die Äußerung Pelinkas im italienischen Fernsehen sei aber "noch
nicht unverhältnismäßig überzogen bzw. bewegt sich
innerhalb des Sachbezogenen und bleibt demnach für eine persönliche
Diffamierung allein kein Raum".
Um Haiders Fortüne in Gerichtssachen scheint es überhaupt
schon einmal besser bestellt gewesen zu sein. Am 6. Mai 2001 wurde bekannt,
dass profil-Herausgeber Rainer vor dem Oberlandesgericht Wien in einem
Verfahren gegen Haider Recht bekommen hat. Rainer hatte in der Zeitschrift
trend gemeint, Haider bediene sich Nazi-Parolen. Das Oberlandesgericht
Wien bestätigte nunmehr das Urteil des Landesgerichts, wonach Rainers
Kommentar eine Form "zulässiger politischer Kritik" darstelle. Und
am 22. April hatte das Handelsgericht Wien Haider in erster Instanz schuldig
gesprochen, weil er im September 1999 im ORF-Radio gesagt hatte: "Ich hätte
mir gewünscht, dass ein Regierungsmitglied mal die Frage gestellt
hätte, was hat denn dieser Drogendealer, der da ums Leben gekommen
ist, alles an unseren Kindern verbrochen, denen er die Drogen verabreicht
hat?" Der Wahrheitsbeweis, dass Omofuma ein Drogenhändler gewesen
sei, sei laut Gericht nicht erbracht worden. Laut Erstinstanzurteil müsse
Haider seine Aussage im Radio widerrufen und die Prozesskosten der klagenden
Partei übernehmen. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig.
aus TATblatt Nr. +165 vom 10. Mai 2001
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