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Salzburg: Widerstand gegen WEF formiert sich
Exekutive rüstet zum größten Einsatz in der Zweiten Republik

Wie bereits berichtet, findet von 1. bis 3. Juli 2001 in Salzburg der "Europäische Wirtschaftsgipfel" des WEF statt. Die Vorbereitungen dafür sind auf allen Seiten im Laufen. In Salzburg müssen noch die Bauarbeiten am neuen Kongresszentrum abgeschlossen werden, für den Gipfel selbst haben sich zahlreiche Staats- und RegierungschefInnen, WirtschaftsbossInnen und SpitzenmanagerInnen angekündigt. Die Polizei rüstet im Vorfeld des Gipfels, um Proteste so weit wie möglich zu verhindern, und die Medien versuchen bereits Monate vor dem Ereignis Angst zu schüren und vor Krawallen zu warnen, um ein Klima der Repression mit breiter Akzeptanz vorzubereiten. Auf der anderen Seite haben etliche Organisationen das Großereignis in Salzburg für Proteste ins Auge gefasst.

Die Gegenaktivitäten

Nachdem es in den vergangenen Jahren, in denen das WEF in Salzburg tagte, zu kaum nennenswerten Protesten gekommen ist, bereiten sich heuer verschiedene Organisationen und zum Teil neu gegründete Plattformen auf das Ereignis vor. Zahlreiche Widerstandsaktivitäten sind für die Zeit vom 30. Juni bis zum 3. Juli 2001 geplant. Den Höhepunkt wird die Demonstration am Sonntag sein, zu der fast alle Organisationen aufrufen. Die darauffolgenden Tage sollen von zivilem Ungehorsam gezeichnet sein. ATTACK plant außerdem einen Gegengipfel in Salzburg mit prominenten ReferentInnen. Etliche Gruppen werden eigene Aktion bereits im Vorfeld des WEF durchführen. So gab es bereits einige Solifeste und Informations- und Diskussionsveranstaltungen. Straßentheater wird es ebenso geben wie eine Informationstour Ende Mai/Anfang Juni (Termine: klicke hier).
In den Tagen vor dem 1. Juli soll es in Salzburg jedenfalls einen Infopoint und diverse Workshops geben. Während der Proteste wird ein Medienzentrum eingerichtet. Rechtshilfe- und Sanigruppen sind noch im Aufbau. zur Organisierung selbst wollen wir hier noch mal auf die Organisierung über Bezugsgruppen hinweisen, über die ihr in der TATblatt global.action Schwerpunktnummer einen Beitrag findet.
Treffpunkt für die bisher noch nicht untersagte Demo ist Sonntag, 1. Juli um 16.00 am Bahnhofsvorplatz. Die angemeldete Route führt vorbei am Kongresshaus, wo die Sitzungen des WEF stattfinden werden, über den Mirabellplatz und die Staatsbrücke zur Residenz, wo sie enden soll. In diversen Aufrufen wird von einer konfrontativen Haltung gesprochen.
Ob dies gelingen wird, hängt sicher davon ab, wie sich die Vorbereitungen entwickeln werden. In Salzburg selbst gibt es relativ wenige Strukturen und auch an Leuten, die sich aktiv beteiligen, dürfte es noch fehlen. Hier sei jedenfalls für alle Unentschlossenen angemerkt, dass ein erfolgreicher Protest sehr von einer guten Vorbereitung abhängt.
Bei Ereignissen, die immer wieder zum Vergleich hergezogen werden - wie etwa Prag oder Nizza, wo die Vorbereitungen viel länger dauerten - war es meist so, dass Leute von außerhalb die lokalen Gruppen unterstützten. Viele der Voraussetzungen, die für einen Vergleich wichtig wären, treffen aber auf Salzburg nicht zu. Vielmehr sollte jedes Ereignis als eigenständige Mobilisierung gesehen werden. Denn sonst ist es schwer, auf regionale Gegebenheiten einzugehen und die jeweilige Situation zu berücksichtigen. Wichtig ist dagegen in jedem Fall, die (gemeinsamen) Inhalte hervorzustreichen, die oft viel zu kurz kommen.
So wird sich der Protest in Salzburg vor allem auch gegen die schwarzblaue Regierung in Österreich richten. In einem Aufruf der Anti-WEF-Koordination, einem Zusammenschluss verschiedener autonomer Gruppen und Einzelpersonen, heißt es dazu: "In Österreich ist seit Februar 2000 eine rechts-rechte Regierung, bestehend aus der rechts-konservativen ÖVP und der rechtsextremen FPÖ, an der Macht. Der FPÖ-Finanzminister schnürt Belastungspakete, die die Menschen in sozial schwächeren Schichten besonders hart treffen, während um Milliarden neue Kampfflugzeuge gekauft werden, der Repressionsapparat aufgerüstet wird und UnternehmerInnen Steuergeschenke erhalten. Die knallharte Umsetzung neoliberaler Ideen und Konzepte, geprägt von Privatisierungen und einer Verschärfung des gesellschaftlichen und politischen Klimas im Land, gepaart mit den ideolgischen Elementen von FPÖ und ÖVP verschlimmern die Bedrohungslage für viele Menschen in Österreich. Rassismus und Anbiederung an die NS Vergangenheit waren in der österreichischen Politik bereits vor dieser Koalition weit verbreitet, die neue Regierung hat dieser Etablierung jedoch extremen Vorschub geleistet und zu einer neuartigen Salonfähigkeit verholfen."

Der Gipel

Das WEF selbst findet unter dem nichtssagenden Titel: "Europa - Bauen auf Vielfalt!" statt. In einer Ankündigung heißt es: "Mit dem Jahr 2001 wird der European Economic Summit ersetzt durch den Central and Eastern European Economic Summit. In den letzten 5 Jahren war letzterer ein absoluter Erfolg. Aber mit dem Übergang von der Kommandowirtschaft zur Marktwirtschaft glauben wir, dass die europäischen Länder als Ganzes nun mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede besitzen. Wir haben deswegen entschieden, Europa als Ganzes - wenngleich nicht homogen - zu betrachten. Das Thema für 2001, Europa: Bauen auf Vielfalt, soll dies wiederspiegeln." Die Themenschwerpunkte werden laut WEF die EU-Osterweiterung und damit verbunden die Beziehungen zu den noch nicht assoziierten Staaten Südost- und Osteuropas sowie Migrationsbewegungen, Bio/Gentechnologie, (De-)Regulierung der Arbeitsmärkte und Pensionsreformen sein.

Repressive Massnahmen

Die Polizei nimmt die Proteste einmal mehr zum Anlass, um kräftig aufzurüsten. In verschiedenen Medien meldeten sich sogenannte Staatsschützer zu Wort, um vor der drohenden Gefahr, die von den DemonstrantInnen ausgehe, zu warnen.
Das World Economic Forum wird heuer in Salzburg nach Davos/Schweiz im Jänner und Cancun/Mexico im März zum dritten mal auf Proteste von AntikapitalistInnen und GlobalisierungsgegnerInnen treffen. An beiden Orten kam es zu massiven Repressionen seitens der Exekutive. Obwohl für Salzburg noch nicht klar ist, wieviele Leute sich an den Protesten beteiligen werden, warnt die österreichischen Exekutive via Kurier, die "drohenden Proteste (...) Anfang Juli in Salzburg könnten alles, was Österreich bisher gesehen hat, in den Schatten stellen."
Ein Staatsschützer, dessen Name nicht genannt wird, prophezeit, dass dagegen "selbst die wildeste Opernball-Demo in Wien ein gemütlicher Abendspaziergang" war. Wenn mensch sich an die unverhältnismäßige Repression gegen die Opernballdemo vor einigen Wochen erinnert (siehe TATblatt +161), bei der etliche DemonstrantInnen von wildgewordenen Polizisten die Schädel blutig geschlagen wurden, dann ist diese Drohung wohl ernst zu nehmen, sollen doch in Salzburg mehr als 5000 PolizistInnen zusammengezogen werden, darunter zahlreiche demoerprobte Beamte von den Sonderkommandos aus Wien, Graz usw.
Sie sollen für jene Ruhe sorgen, die sich die "global leaders" so sehr wünschen. Als TeilnehmerInnen am diesjährigen Wirtschaftsgipfel in Salzburg haben sich etliche Regierungschefs wie der russische Präsident Putin, Giuliano Amato aus Italien, Gerhard Schröder (Deutschland), Tony Blair (GB) und der José Maria Aznar aus Spanien angekündigt. Besonders Putin sorgt immer wieder für größere Polizeieinsätze. Als er vor einiger Zeit nach Wien kam, wurde die Hofburg, in der er empfangen wurde, großräumig abgesperrt. Sogar die seit Feber 2000 rund um die Uhr offene "Botschaft besorgter BürgerInnen" musste aus diesem Anlass für einige Stunden ihren Container am Ballhausplatz räumen. Auch für Salzburg werden großräumige Absperrungen angekündigt. So schrieb Peter Grolig im Kurier von 6. Mai: "Schon Tage vor Beginn des Gipfels werden Grenzkontrollen verstärkt, die Reisefreiheit innerhalb der Schengen-Staaten aufgehoben, Namenslisten und Fotos bekannter Krawallmacher aufgelegt und Unterkünfte überprüft. Mit Hilfe der ÖBB werden Züge zusätzlich bewacht. In der Stadt werden drei Sperrkreise rund um das Kongresshaus, wo der Gipfel statt findet, gezogen. Die beiden inneren sind ausschließlich für WEF-Gäste reserviert. Im Schloss Mirabell wird die Einsatzzentrale eingerichtet, in einer nahen Schule ein Not-Lazarett."
Selbst in anderen Städten wie Innsbruck, Linz und Wien will die Polizei in Alarmbereitschaft bleiben, um jenen DemonstrantInnen, die es nicht schaffen, in Salzburg einzureisen, auch anderswo keine Möglichkeiten zum Protest zu geben. Polizei-Strategen berufen sich bei dieser Taktik auf "die Erkenntnisse aus bereits absolvierten Gipfeln."
Pressemeldungen zufolge steht die Staatspolizei seit Monaten mit ausländischen Geheimdiensten in Kontakt. Vergangene Proteste werden polizeitaktisch analysiert und die Aktivitäten im Internet beobachtet.

European Summer

Doch nicht nur in Salzburg wird es in diesem Sommer Widerstandsaktivitäten geben. Im Vorfeld des EU-Gipfels treffen sich die Regierungsspitzen Deutschlands und Frankreichs in Freiburg im Breisgau. Dort wird für den 12. Juni zu bunten und vielfältigen Protest aufgerufen. In Schweden wird vom 14. bis 16. Juni im Stil von Ya Basta! gegen den EU-Gipfel in Götheborg protestiert, in Barcelona (Spanien) trifft die Weltbank (WB) vom 25. bis 27. Juni auf Widerstand, wenn sie weitere "Entwicklungsprogramme" diskutieren will. Von 16. bis 27. Juli wird der Klimagipfel in Bonn Schauplatz des Widerstandes sein.
Die wohl größte Mobilisierung und die voraussichtlich größten Proteste in Europa seit langem werden vom 20. bis 22. Juli in Genua (Italien) gegen das Treffen der G8, die Staatsoberhäupter der wichtigsten 8 Industriestaaten, stattfinden.
Bereits Anfang Juli finden in Spanien, Slowenien und Polen Grenzcamps statt, Anfang August dann am Frankfurter Flughafen das 4. Grenzcamp von kein mensch ist illegal in Deutschland. Alle diese Ereignisse haben etwas gemeinsam: internationale vernetzter Widerstand wird sich gegen die Treffen der "global leaders" bzw. die Festung Europa richten. Von Österreich aus wird die noborder nonation Volxtheater-Karawane die Orte des Widerstandes in Salzburg, Slowenien, Genua und Frankfurt verbinden.
Bei den Aktionstagen in Götheborg, Barcelona, Salzburg und Genua soll die erwartete direkte Konfrontation in Verbindung mit den tagtäglichen Auseinandersetzungen gebracht werden. Unter einer gemeinsamen inhaltlichen Ausrichtung werden Rassismen, die Situation von MigrantInnen, die Abschottung EU-Europas durch die Schengener und andere Verträge und überhaupt die Unsinnigkeit und Unnotwendigkeit von Grenzen thematisiert. Über die gemeinsame inhaltliche Orientierung und eine verstärkte Vernetzung soll aufgezeigt werden, dass es bei den einzelnen Aktionstagen um einen gemeinsamen antikapitalistischen Kampf geht.
 
weitere Informationen im Internet:
http://www.antiwef.org
http://welcome.to/globalerwiderstand
http://www.noborder.org/camps
http://www.no-racism.net/nobordertour
http://www.de.indymedia.org

siehe auch Info- und Konzerttermine hier

aus TATblatt Nr. +164 vom 26. April 2001
 
 
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