Wunderwelt der Technik Folge 5
Die Alarmanlage
Das bürgerliche Subjekt fühlt sich bedroht, immer mehr. Es schließt sich stärker von der Umwelt ab, kapselt sich ein. Doch die Angstneurose wird trotzdem schlimmer. Da bietet die Polizei, obwohl sie für die Behandlung von Angstneurosen nicht die richtige Behörde ist, einen Ausweg. Alarmanlagen. Endlich, das Subjekt fühlt sich wieder sicher. Doch der Schein trügt ...
Ängste sind auch etwas kollektives, und so fühlen sich kollektive Vereinigungen wie Firmen immer stärker bedroht und rüsten auf. Die polizeiliche Beratung kann da nicht mithalten, und so bietet die Polizei in ihrer Beratung schlicht an "vom Fachmann eine Alarmanlage installieren zu lassen". In Wirklichkeit weiß jede/r PolizistIn, daß diese in den meisten Fällen ziemlich nutzlos ist, ebenso wie Gegensprechanlagen (siehe Folge 1). In der Zeitschrift "Der Kriminalbeamte" wird etwa Alarmanlagen der Firma Quorum durch einen Gutachter der Bundespolizeidirektion Graz ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Zum Test wurde ein Einbruchsversuch simuliert. Bei langsamen Öffnen der Tür löste der Alarm überhaupt nicht aus. Auch das Abbrechen des Schloßzylinders führt zu keinem Alarm. Der Lautsprecher an der Außenmauer konnte ohne Probleme geöffnet und das Kabel durchtrennt werden. Das Gerät konnte weiters durch Versenken im Wasserbecken zum Schweigen gebracht werden. Dafür ist ein Fehlalarm durchaus möglich, weil das Gerät auch beim Schlagen einer Hand auf die Scheibe auslöste. Der Kriminalbeamte merkt zusätzlich an, daß ein Fehlalarm, bei dem die Polizei oder Gendarmerie ausrückt, 1.000,- Schilling kostet.
Damit ist die gesamte Problematik kurz umrissen. Doch Alarmanlage ist nicht gleich Alarmanlage. Immerhin gibt es Geländeüberwachungsanlagen, die technisch sehr aufwendig und teuer sind und trotzdem hohe Fehlermeldungsraten haben, damit verbundene oder eigens installierte automatisch meldende Videokameras, Infrarotlichtschranken, kapazitive Zäune, bei denen durch Drähte ein Magnetfeld aufgebaut wird, Mikrowellenschranken, akustische Melder (Zaunmikrofone), elektromagnetische Bodenkabel und verschiedene Durchbruchmelder (Magnetkontakte, Glasbruchmelder, Körperschallmelder u.a.). Die Vielzahl von Systemen und die Ausweitung der Anwendung hat dazu geführt, daß die Fehlalarme exorbitant gestiegen sind. Die Polizei fährt andauernd zu Fehleinsätzen.
Trotz vermeintlicher zusätzlicher Sicherheit sind diese Systeme also einerseits sehr teuer, andererseits alles andere als perfekt. Zudem gibt es einfache Methoden sie außer Gefecht zu setzen.
Rütteln
Die einfachste Methode ist das wiederholte Auslösen von Fehlalarmen,
was zunächst paradox klingt. In stürmischen Nächten kommt
es ohnehin zu häufigen Fehlmeldungen, sodaß davon ausgegangen
werden kann, daß in solchen Nächten ein guter Teil der Alarmanlagen
außer Betrieb ist.
Eine eintrittswillige Person steht also vor einem Zaun und sieht verdächtige
dünne Kabel in der Mitte des Zaunes in Höhe von etwa eineinhalb
Meter verlaufen, dazu in regelmäßigen Abständen sehr kleine
Kästchen oder ähnliches, das sind Sensoren. Dann ist der Zaun
vermutlich alarmgesichert und die Rüttelmethode zielführend.
Die Person rüttelt, zieht sich dann vom Zaun zurück und beobachtet
aus sicherer Entfernung das weitere Geschehen. Möglich, daß
nach wenigen Minuten bis zu einer halben Stunde ein Einsatzwagen kommt,
ein Wachmann nachsieht oder ähnliches geschieht. Häufiges Rütteln
führt beim Bewachungspersonal mit Sicherheit zur Annahme, daß
der Zaunalarm technisch defekt ist und deswegen abgeschalten wird.
Alarmgesicherte Zäune können aber auch dadurch überwunden
werden, indem unter diesen durchgegraben wird. Dabei darf der Zaun nicht
erschüttert werden.
Offensichtlichkeit
Alarmsysteme sind häufig so angebracht, daß sie sofort gesehen werden können, um abzuschrecken. Zum anderen gibt es jedoch auch Systeme, die nicht erkannt werden sollen. Alarmauslösung kann Sirenen, Lichter oder Glocken aktivieren, aber auch still Meldung an Polizei oder Sicherheitsdienste geben. Internationale Erfahrungen zeigen, daß in städtischen Gebieten häufig Infrarot-Bewegungsmelder oder Wärmedetektoren eingesetzt werden.
Funktionsweise
Praktisch alle Anlagen arbeiten mit einem geschlossenen Stromkreis, der, wenn er unterbrochen wird, den Alarm auslöst. Dazu führt ein Stromkreislauf mit Niedrigspannung durch das Gebäude oder den Raum von und zur Kontrollbox, entlang des Kreislaufs sind die Sensoren eingebaut. Falls nun ein Sensor anschlägt, dann wird der Stromfluß unterbrochen, was in der Kontrollbox registriert wird und den eigentlichen Alarm auslöst.
Alarmanlage mit Magnetschalter
Die häufigsten Sensoren sind solche mit Magnet, sogenannte Kontaktschalter.
Dieser Magnet hält einen Schalter in einer Position, in der der Stromkreislauf
geschlossen bleibt. Wird nun etwa eine Türe geöffnet und die
Anlage ist aktiviert, so wird der Magnet vom Schalter entfernt und im Schalter
der Kontakt unterbrochen. Die Kontrollbox registriert dann das ausbleibende
Stromsignal.
Letztlich sind alle Alarmanlagen auf diesem Prinzip aufgebaut, gleich
ob sie mechanisch mit Magnetschaltern oder etwa mit Lichtschranken oder
Wellen arbeiten. Stets führt das Ausbleiben des Signals zum Auslösen.
Solche Anlagen können von innen heraus mehr als einfach außer
Betrieb gesetzt werden. In den USA ist dies auch die gängige Methode,
weil ein erheblicher Teil der Einbrüche von Firmenangestellten vorbereitet
oder begangen wird. Dazu wird schlicht das Kabel vor und nach dem Sensor
abgezwickt und kurzgeschlossen. Folglich wird zu einem späteren Zeitpunkt,
wenn tatsächlich die Tür aufgebrochen oder die Scheibe eingeschalten
wird, der Kontakt nicht unterbrochen, obwohl die Kontrollbox stets anzeigt,
daß die Anlage in Betrieb ist. Bei Magnetschaltkreisen gibt es ohnehin
nur ein Kabel, bei Lichtsensoren und ähnlichem zwei, wobei auch das
kein Problem ist. Man muß nur darauf achten, daß nicht die
Stromversorgung des Sensors, sondern der Kreislauf der Anlage kurzgeschlossen
wird. Diese Technik kann allerdings nur durch eine Person angewendet werden,
die Zugang zur Stelle hat, wenn die Anlage außer Betrieb ist.
Infrarotdetektoren werden häufig in Firmen eingesetzt und reagieren
auf Veränderungen der Temperatur. Obwohl sie sehr robust sind, gibt
es auch hier Gegenmaßnahmen. Neben der bereits erwähnten kann
über den Detektor im ausgeschalteten Zustand ein Sack oder ähnliches
gestülpt werden, was die meisten Anlagen nicht registrieren können.
Außerdem können Infrarotdetektoren nicht durch Mauern oder sonstige
feste Gegenstände durchsehen, was bei verstellten Räumen die
Effektivität stark beeinträchtigt. Damit die Anlage bei Kleintieren
nicht anschlägt sind viele so installiert, daß sie einen Kleintierkorridor
am Boden nicht erfassen, sodaß Kriechen zu keiner Alarmauslösung
führt. Und letztlich sind die Detektoren so eingestellt, daß
sie bevorzugt auf Queren des Raumes reagieren. Extrem langsames Daraufzugehen
löst meistens keinen Alarm aus.
Infrarotbewegungsmelder
Photoelektrische Lichtschranken sind ähnlich in ihrer Arbeitsweise,
dort muß das Empfangsteil, und nicht das Sendeteil des Lichtes, durch
Kurzschließen außer Gefecht gesetzt werden.
Ein abschließendes Wort noch zu Glasbruchsensoren, da diese sehr
häufig sind. Obwohl sie bei Firmen häufig so montiert werden,
daß sie direkt auf der Scheibe kleben und so gut sichtbar sind, gibt
es auch versteckt montierte. Außerdem gibt es noch Glasbruchsensoren,
die nicht direkt am Fenster kleben, sondern auf das Glasbruchgeräusch
reagieren, also hören können. Auch diese können kurzgeschlossen
werden.
Vom Einsatz der Anlagen her gibt es die klare Logik, daß Bewegungsmelder
im Freien meist dann eingesetzt werden, wenn Türen etc. mit Kontaktsensoren
gesichert sind. Durch den Bewegungsmelder soll verhindert werden, daß
auf Dächer oder durch Mauern eingedrungen wird.
Letzte Gewißheit
Diese wird nur durch einen Probe aufs Exempel hergestellt. Dazu wird der Ort betreten und sofort der Rückzug vollzogen, um Reaktionen in sicherer Distanz abzuwarten. Erst zu einem späteren Zeitpunkt wird die Tat begangen.
Einfache Methoden
Sirenen können durch das Einbringen von Dichtungsschaum in den
Schalltrichter zum Beinahe-Schweigen gebracht werden.
Bei Klingeln alter Bauart wird mit einem Schraubenzieher das Läutwerk
etwas weggedrückt und dann mit einer kleinen Brechstange nachgeholfen.
Die Glocke wird so weit weggedrückt, daß diese nicht mehr anschlagen
kann.
Auch die Kontrolleinheit der Anlage ist gegen schnelles Zugreifen nicht
geschützt. Da die gesamte Anlage im Inneren eines Gebäudes ist,
muß es für Ersteintretende eine Möglichkeit geben diese
abzuschalten, bevor der Alarm losgeht. Dazu sind meistens zwischen 30 und
60 Sekunden vorprogrammiert. Die Maßnahme für Schnellentschlossene
sieht nun so aus, mit einer Axt sämtliche Kabel innerhalb dieser Zeit
durchzuschlagen. Wenn das gelingt, dann können die Sensoren melden
was sie wollen. Nur extrem gute Anlagen sind auch dagegen geschützt.
Hochsicherheit gibt es nicht
Selbst teuer gesicherte Gebäude sind letztlich keine Hochsicherheitseinrichtungen.
Trotz guter Alarmsysteme kann häufig durch das Dach durchgebrochen
werden, weil die Abdeckung den Angriff von Brechstangen nicht aushält.
Bei einem Gebäude in Einzellage ist der Durchbruch durch eine Außenmauer
ein möglicher Zutrittsweg. Dabei wird mit Hammer, Meißel und
Vorschlaghammer ein Loch geschlagen, kein Alarm schlägt an. Auch Gebäude
mit Alarmsicherungen von Türen im Inneren eines Gebäudes sind
nicht sicher. Bei Einbrüchen in britische Labors durch militante TierrechtlerInnen
wurden solche Sicherungen dadurch umgangen, indem mit einem großen
Bohrer eine Serie von Löchern in die Tür gebohrt wurde, bis letztlich
eine Platte herausgenommen werden konnte, durch die durchgestiegen wurde.
Als Hilfsmittel sind bei dieser Methode noch die Mitnahme von einer kleinen
und einer großen Brechstange, ein Bolzenschneider und zur Sicherheit
ein großer Schraubenzieher nötig.
Die größte Schwäche aller Alarmanlagen, die nicht lokal
Alarm schlagen, sondern an externe Überwachungseinrichtungen Meldung
geben, sind jedoch die Telefonleitungen. Gelingt es die Leitung zu durchtrennen,
dann meldet die Anlage ins Leere.
Bessere Aufklärung
Es ist eigentlich aus sicherheitspolitischer Sicht ein Skandal, daß das TATblatt nun auch noch den kriminalpolizeilichen Beratungsdienst im Dienste der Sicherheit der Bevölkerung übernehmen muß. Statt sich um den Schutz der Bevölkerung zu kümmern, bricht die Polizei bekanntlich lieber unsere Eingangstüre auf. Unserer Ansicht nach liegt hier ein grobes Versäumnis des Innenministers vor. Die Schulung der BeamtInnen muß stark verbessert werden. Dafür wollen wir uns in Zukunft vermehrt einsetzen. Sicherheit ist einfach eine Angelegenheit aller.
Literatur:
Wolfgang J. Friedl: Fehlalarme minimieren. Brand- und
Einbruchmeldeanlagen - Brandlöschsysteme, Technische Akademie Wuppertal,
vde Verlag, erhältlich im Buchhandel oder in Universitätsbibliotheken
Der Kriminalbeamte, April 1997
Interviews with Animal Liberation Front Activists, erhältlich
bei: NAALF-SG, Box 69597, 5845 Yonge St., Willowdale, Ontario M2M 4K3,
Canada
B. Andy: How to Circumvent a Security Alarm in 10 Seconds
or Less, Paladin Press, erhältlich bei: Paladin Press (>>>www.paladin-press.com)
oder bei Loompanics (>>>www.loompanics.com),
PO Box 1197, Port Townsend, WA 98368, USA
aus TATblatt Nr. +166 vom 24. Mai 2001
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2001
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