Vernetzung von Unten
Die als global bezeichneten Widerstandfestivals angesichts von Megakonferenzen der Weltbank, WTO, EU und anderer Machtinstitutionen sind nur eine kleine Spitze vielfach lokal oder regional stattfindender Handlungen. Multidimensionale Strategien zu vielfältigen Themen vereinigen sich erfolgreich zu Widerstand. Im folgenden ein kleiner Ausblick in die Vorgänge in einzelnen Ländern rund um die damit verbundene Vernetzung von Initiativen.
TATblatt
Weltweite Tätigkeit ist spätestens seit dem Entstehen von Greenpeace nichts neues, sehr wohl aber die Breitenwirkung. Diese ist Folge der jahrelangen und bei manchen Initiativen nunmehr fast 20 Jahre währenden Aufbauarbeit.
Als Veteran kann bereits das Rainforest Action Network (RAN) in San Francisco bezeichnet werden. Das RAN ist eine direkte Folge der Geburt der radikalen Umweltbewegung in den USA, indem der Gründer aus Australien in den USA an Aktionen teilnahm, später solche auch in Australien organisierte und dann in den USA weltweit für den Schutz der Regenwälder tätig wurde. Das RAN ist wichtiger Anknüpfungspunkt für Betroffene in den Ländern mit Regenwäldern und für AktivistInnen in den Industrieländern, wobei als Gegner meistens Multis wie Mitsubishi oder Holzkonzerne wie Weyerhaueser oder Georgia Pacific dienen. Da häufig indigene Minderheiten Betroffene sind, ergeben sich automatisch Verbindungen mit Organisationen, die zum Schutz von Minderheiten agieren. Ein Beispiel dafür wäre Survival International in London.
Ähnlich dem RAN haben sich mit den Jahren weitere Netzwerkorganisationen gebildet, die thematisch Initiativen verknüpfen. Zum Thema Bergbau ist das Minewatch in Großbritannien tätig. Minewatch arbeitet eng mit Partizans zusammen, die ausschließlich den größten Bergbaukonzern der Welt, Rio Tinto, bekämpfen. In den USA ist in weiterer Folge Project Underground entstanden, das sich ebenfalls dem Bergbau widmet. Zu den Strategien gehört unter anderem die Einladung von Betroffenen zu Generalversammlungen der Konzerne, wo diese dann AktionärInnen die Folgen der Konzernpolitik erläutern - nicht ohne Konflikte. Rassistische Äußerungen gegen Aborigines gehören zu Aktionärsversammlungen von Rio Tinto ebenso wie lautstarke Demos vor der Tür.
Ein wesentlicher Erfolg dieser vernetzten Strategien zeigt sich gerade bei den Bergbaukonzernen darin, daß der Bekanntheitsgrad mancher Konzerne in einer Vielzahl von Ländern auf für diese unangenehme Art gesteigert wird. Proteste in einem Land dienen zugleich auch der Verbreitung von Informationen zu weiteren Vergehen der Unternehmen in anderen Ländern, sodass Papuas gemeinsame Aktionen mit Aborigines, brasilianischen Indigenas oder FarmerInnen in den USA durchführen können, weil an all diesen Orten Rio Tinto oder Freeport oder Billiton usw. das Land zerstören, die Bevölkerung vertreiben, Militär einsetzen, PolitikerInnen korrumpieren und was es sonst noch an Beeinflussung gibt.
Waren diese Netzwerkorganisationen zunächst nur auf den Norden beschränkt, weil dort die Finanzierung leichter und die politischen Verhältnisse einfacher waren, so gibt es mit Oilwatch in Ecuador nun auch im Süden ein großes Netzwerk. Wie der Name schon sagt, widmet sich Oilwatch den Ölkonzernen, wobei sich selbstverständlich auch hier sofort Querverbindungen ergeben, weil Ölkonzerne gleichzeitig oft auch Bergbaukonzerne sind, etwa bei Shell-Billiton. Sofern wie im Fall von Occidental Petroleum, an dem Ex-US-Vizepräsident Gore (die angebliche Ökoalternative zu Bush) ein Aktienpaket hält, ein Konzern indigene Minderheiten terrorisiert, und das im Amazonas, sind weitere Kontakte vorprogrammiert. Speziell zum Amazonas arbeitet Amazonwatch.
Merkmal all dieser Organisationen ist, daß sie nicht mehr wie
Greenpeace als hierarchisierte Gruppen von Eliten zu verstehen sind, sondern
als überregionaler Zusammenschluss von Basisinitiativen. Das mag auch
eine Erklärung dafür sein, das sie in manchen Ländern sehr
stark, in anderen praktisch nicht existent sind. In allen Ländern,
in denen die "community", also das Konzept einer sozialen Verbindung auf
lokaler Ebene, und damit mehr als die Gemeinde, Grundlage für soziale
Organisation ist, sind diese Art von Organisationen sehr stark. Es sind
das die Amerikas, praktisch alle angloamerikanischen Länder, aber
auch zahlreiche romanische Länder und Asien. In Afrika wird der Aufbau
von solchen Organisationen durch die zahlreichen Militärdiktaturen
und dem teilweise völligen sozialen Zusammenbruch durch Bürgerkriege
und Ökokatastrophen stark behindert.
In Europa gibt es eine Zone der Trostlosigkeit, in der solche Projekte
kaum bis gar nicht existieren: "Das kleine Arschloch" in der geografischen
Mitte sowie Ungarn, Slowenien, Slowakei und einige Nachbarländer.
Interessant ist, daß in Polen und Tschechien mit seinen starken Zivilgesellschaften
sehr rasch nach dem Zusammenbruch der Diktaturen dieses Konzept aus dem
angloamerikanischen Raum importiert wurde.
Von den einzelnen themenspezifischen Bereichen, wie Bergbau oder Öl, war der Schritt nicht weit zu Initiativen, die Kampagnen gegen das Wirtschaftssystem überhaupt vorantreiben. Die Bandbreite geht von Zusammenfassung und Weiterverbreitung auf regionaler oder örtlicher Basis bis hin zu weltweiten Kampagnen. Als gemeinsamer Nenner könnte hier "end corporate tyranny", also die Beendigung der Tyrannei durch Konzerne, genannt werden. Solche Initiativen sind u.a. Corporate Watch in Großbritannien, aber auch der Multinational Monitor in den USA, NACLA in den USA, die ausschließlich zu Lateinamerika arbeiten, und viele andere mehr. Diese Initiativen sind manchmal stark akademisch geprägt, wie NACLA, oder kommen aus dem lokalen Kampf, wie Corporate Watch.
Berufliche Zusammenschlüsse
Ein Kennzeichen all dieser Initiativen ist, das sich Standesvertretungen des Nordens aus wohlstandschauvinistischen Überlegungen nobel zurückhalten und teilweise offene Allianzen mit den Konzernen eingehen. Im Süden ist die Lage anders, dort sind die millionenstarken Verbände der Landlosen in Brasilien oder der Farmer in Indien Teil dieser Vernetzung bzw. überhaupt deren Hauptträger. Im Norden gibt es eigentlich nur ein bedeutendes Gegenbeispiel dafür, und das ist die Confederation Paysanne in Frankreich. Die CP, deren Vorsitzender Jose Bové mittlerweile weltberühmt geworden ist, entstand als Alternative zum traditionellen Bauernverband, der wie alle Bauernverbände konservativ und von Großbauern dominiert ist. Breitenwirkung erhielt der Kampf gegen Monsanto und Konsorten im zentralistischen Frankreich ohne kommunale Traditionen erst dann, als die USA Sanktionen gegen Frankreich verhängte, weil der Import von Genprodukten verboten worden war. Dann wurden allerdings Lagerhallen mit Genmais zerstört und ein McDonalds demoliert. Bei den Demonstrationen in Seattle oder beim Anti-WEF-Gipfel in Brasilien ergab sich dann für die CP schnell eine Verbindung zur brasilianischen Landlosenbewegung und US-FarmerInnen, wobei beispielsweise in Brasilien gemeinsam ein Monsanto-Gebäude gestürmt wurde.
Neue Bewegung
Wenn etwa die britischen Ökoanarchos von Earth First! in Brighton ein Jahrbuch "Do or Die" als "Stimmen aus dem ökologischen Widerstand" mit hunderten Seiten herausgeben, in dem nepalesische UntergrundkämpferInnen ebenso zu Wort kommen wie israelische Ökoanarchas und FreiheitskämpferInnen der Organisation Freies Papua, dann ist etwas entstanden, das sich in völlig neuen Bahnen bewegt. GegnerIn ist zwar noch immer das System, aber es hat Namen und Adresse. Es ist der Generaldirektor vom Konzern, der in unzerstörtem Gebiet bohren oder baggern läßt und dabei Polizeisondereinheiten, Militär oder Todesschwadronen auf die Bevölkerung hetzt, oder auch auf nur ein paar einzelne WiderstandskämpferInnen.
Traditionelle Linke, und dazu zählen mittlerweile auch Autonome alter Schule, verteidigen zwar bei schwindenden Mitglieder/AktivistInnen/zahlen noch angestammte theoretische Gedankenkonstrukte und Reviere, die Polizei ist aber in vielen Ländern einen Schritt voraus. In den USA, Großbritannien und Italien sind Sondereinheiten der Polizei mittlerweile ausschließlich damit beschäftigt, solche AktivistInnen zu verfolgen bzw. Gruppen zu neutralisieren. In Brasilien sind solche Personen ohnehin schon seit längerem bevorzugtes Ziel von bezahlten Killern.
aus TATblatt Nr. +167/168 vom 15. Juni 2001
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