Präventives Prügeln für einen "präventiven" Krieg
Am 21. Mai ließen Kameradschaftsbund und der "Verein Wehrgeschichtliches Museum" zum Vortrag "Russlandfeldzug 1941- war es ein Präventivkrieg?" des russischen Revisionisten Viktor Suworow (alias Vladimir Rezun) ins Institutshaus für Gesellschaftswissenschaften der Uni Salzburg aufmarschieren. Schon im Vorfeld der Veranstaltung, die auch von Akademikerverbänden und dem "Arbeitsverein für Kultur und objektive Geschichtsforschung" (sic!) unterstützt wurde, war es zu einer heftigen Kontroverse um den Inhalt des Vortrags gekommen, die schließlich in einer Protestkundgebung von StudentInnen und Lehrenden während der Veranstaltung ihren Höhepunkt finden sollte.
TATblatt
Der "Historiker" und ehemalige KGB-Offizier Suworow vertritt in seinen Publikationen die - trotz oftmaligem Wiederholung nicht richtiger werdende - These, Hitlers Angriffskrieg in Osteuropa wäre ein "notwendiger Abwehrkampf" gegen die Expansionspolitik der Sowjetunion gewesen. AnhängerInnen dieser sogenannten "Präventivschlag"-These versuchen auf diese Weise die rassenideologische Motivation des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges zu relativieren. Die industrielle Ermordung der osteuropäischen JüdInnen durch Nazis und Wehrmacht wird als unerwünschte, aber nun einmal nicht vermeidbare, "Nebenwirkung" eines "Abwehrkampfes" gegen Stalin bzw. die kommunistische "Bedrohung" dargestellt. Kurz gesagt: Als patriotisch-antikommunistischer Zweck, der die verbrecherischen Mittel der Wehrmacht also reinwaschen soll. Eine These die nach Angaben des Historikers Albert Lichtblau schlicht "außerhalb jeglichen wissenschaftlichen Diskurses" steht und nur in Neonazikreisen anklang findet.
Kritik an dem Inhalt des Vortrags hatte der Salzburgs Landtagspräsident Helmut Schreiner von der ÖVP schon Tage vorher - historisch fundiert – als "eine irrsinnige Sauerei" bezeichnet. Da, laut Schreiner, niemand die "Kriegsschuldfrage neu zu stellen" gedenke, gelte schließlich auch hier "Gedanken- und Redefreiheit". Der SP-Landtagsabgeordnete David Brenner hatte Schreiner zuvor bezichtigt in seiner Funktion als Präsident des "Verein Wehrgeschichtliches Museum", ein "braunes Süppchen warm zu halten". (Auch der Obmann des Co-Veranstalters Kameradschaftsbund, Gemeinderat Johann Wirrer, gehört, nebenbei bemerkt, zur ÖVP.)
Zu einer Gegenkundgebung hatten in Folge Salzburger KPÖ, KSV und
KZ-Verband zusammen mit einigen HistorikerInnen, darunter auch Lehrbeauftragte
des dortigen Instituts für Geschichte, und StudentInnen aufgerufen.
Eine Hand voll AktivistInnen erklomm schon zu Beginn des Referats von Suworow
das Podium des Hörsaals 381, hielt Schilder mit Fotografien aus der
"Wehrmachtsausstellung" in die Höhe und äußerte durch Pfiffe
deutlichen Unmut über den Inhalt der Veranstaltung. Nach nur einigen
"Schrecksekunden" stürmten sichtbar erregte BesucherInnen das Podium
und begannen, auch unter Zuhilfenahme von Stühlen, auf die Protestierenden
einzuschlagen und zu treten. Die restlichen 200 anwesenden ZuhörerInnen
reagierten mit Sprechchören. "Kommunisten raus" war einer der "originellen"
Slogans, der zum Beispiel vom Salzburger FPÖ-Funktionär Franz
Spitzauer vorgegeben wurde und dabei großen Anklang fand. (Spitzauer
selbst hat seine stramme ideologische Haltung übrigens auch schon
in der Vergangenheit als Autor für die rechtsextreme "Junge Freiheit"
mehrmals unter Beweis gestellt.)
Obwohl keinerlei Gegengewalt ausgeübt wurde, ließen die
aufgebrachten BesucherInnen nicht ab und prügelten die TeilnehmerInnen
der Protestkundgebung kurzerhand aus dem Veranstaltungssaal. Bei der Polizei
wurden in Folge zahlreiche Anzeigen wegen Körperverletzung erstattet.
Im Zuge der "Räumung" des Saales durch besondere Brutalität hervorgetan, hat sich ein voll uniformierter Offizier des Bundesheeres aus dem weiteren Dunstkreis des Freiheitlichen Akademikerverbandes. Selbiger war in der Vergangenheit nicht nur durch seine Mitschriften von einschlägigen Vorträgen und Veranstaltungen des Akademikerverbandes, veröffentlicht auf der Homepage der Salzburger Offiziersgesellschaft, aufgefallen, sondern ist - bezeichnender Weise - auch Autor des im Österreichischen Milizverlag erschienenen Buches "Ein kleines Edelweiß". Das Buch handelt laut Angaben des Verlages von der "Kriegserinnerung des Ritterkreuzträgers Herbert Hodurek" 1934 - 1945 ("Polen- und Griechenlandfeldzug, Eismeerfront und Russland").
In einer Stellungnahme gegenüber dem ORF, welche aus Anlass einer in der ZIB3 gezeigten Videoaufzeichnung des Vorfalls vom Landeskommando Salzburg abgegeben worden war, distanzierte sich der Sprecher des Bundesheeres zögerlich von der Veranstaltung und kündigte eine Untersuchung des Vorfalles speziell um das Verhalten des anwesenden Offiziers an.
Eine Vorgangsweise mit der die Offiziersgesellschaft Salzburg, auch sie gehörte zu den VeranstalterInnen, wohl nicht ganz einverstanden sein wird: "Nachdem kein Ende dieser Störaktion abzusehen war, griffen einige Zuhörer zur Selbsthilfe und entfernten die Störenfriede aus dem Hörsaal", heißt es von dort lapidar zu der "Störaktion linker Elemente". Des weiteren halluzinieren die Offiziere – recht verschwörerisch - "eine Gefährdung der Demokratie ... wenn gewisse – von wem auch immer bestimmte – Themen nicht diskutiert werden dürfen bzw. Vorträge zu Themen, die wem auch immer nicht passen, verboten werden sollten" herbei.
Eine Ausführliche Dokumentation des Vorfalls, inklusive Video,
gibt es auf der Homepage des Instituts für Geschichte der Uni Salzburg:
>>>http://www.sbg.ac.at/ges
aus TATblatt Nr. +167/168 vom 15. Juni 2001
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