Wunderwelt der Technik
Folge 6: Verstecken
Über das Verstecken gibt es zwei Ansichten: Die Ansicht derjenigen, die andere gerne ausfragen, bespitzeln oder überwachen, ist, daß wer nichts zu verbergen hat auch nichts zu verstecken hat. Entgegengesetzt ist die Ansicht jener, die meinen, daß Geheimnisse nötig sind, schon weil die anderen gerne Spitzeln, ohne selbst etwas preisgeben zu wollen. Als Sonderfall sind jene zu betrachten, die zu blöd sind etwas dabei zu finden, daß sie bespitzelt werden.
Aufmerksame Menschen sollten schon aus Prinzip möglichst viel verbergen, denn es finden sich immer genügend Leute, die schnüffeln. Um diese gründlich zu frustrieren, insbesondere wenn sie in amtlicher Funktion glauben Türen eintreten und Wohnungen auf den Kopf stellen zu können, wollen wir uns diesmal einer Technik widmen, die den öffentlichen Raum nutzt, nämlich dem Verstecken von Gegenständen außerhalb der Privatsphäre.
Am Anfang war das Eichhörnchen. Dann sah ihm ein überdurchschnittlich begabtes Exemplar der Spezies Mensch zu und entdeckte dadurch, daß mühsam mit der Keule erlegte Beutetiere nicht unbedingt herumliegen müssen, sondern auch vor Zugriff geschützt werden können. Damit begann eine neue evolutionäre Stufe, unregelmäßige Ernährung gehörte der Vergangenheit an.
Das Eichhörnchen machte vor, was zunächst paradox klingt, nämlich daß ausgerechnet im öffentlichen Raum Privatpersonen gehörende Gegenstände sicher untergebracht sein sollen. Aber eben dieser scheinbare Gegensatz zwischen allgemeiner Zugänglichkeit und privater Aneignung ist genau jener psychologische Vorteil, den Verstecken in der Öffentlichkeit gegenüber Verstecken in privaten Räumen bietet.
Öffentliche Räume sind anders zu betrachten als üblich,
nämlich nicht auf ihren offensichtlichen Nutzungszweck beschränkt.
Also ist ein Park nicht mehr nur ein Park, ein Parkplatz dient nur nebenbei
zum Parken. Ein Prinzip, dem alle Räume unterliegen, ist das Kommen
und Gehen. Demnach können Plätze von der einen Seite vollkommen
sichtgeschützt sein, von der anderen aber ganz offen. Es ist daher
beim Verstecken stets darauf zu achten, daß der Platz nach diesem
Prinzip untersucht wird.
Ein weiteres Kriterium sind Grenzen. Räume sind in Nutzungskategorien
aufgeteilt, die aneinander grenzen. Ein deutlicher Fall ist, wenn ein Park
an eine Straße grenzt und als Abgrenzung ein Gebüsch oder eine
Mauer steht. Grenzen unterliegen fast nie einer direkten Nutzung und sind
daher ideale Versteckplätze. Allerdings ist auch hier auf das Kommen
und Gehen zu achten, denn eine Mauer kann zwar von einer Seite idealen
Sichtschutz bieten, aber von der anderen Seite her unter Umständen
denkbar ungeeignet sein, etwa wenn ein Weg daran entlangführt.
Um nun etwas zu verstecken, gibt es drei Arten von Transaktionen: Einweg, indem eine Person etwas versteckt und später abholt, Einweg, indem eine Person etwas versteckt und jemand anderer dieses abholt, und Zweiweg, indem jemand etwas versteckt, jemand anderer dieses abholt und ebenfalls etwas dort läßt.
Als weiteres Prinzip gilt, daß etwas darüber, darunter, innendrinnen
oder dahinter versteckt werden kann.
Damit sind alle Grundregeln erklärt. Alles andere sind auf diesen
Prinzipien aufbauende Ideen.
Miniaturen
Eine Mischform dieser Prinzipien sind Gebilde, die als Versteckplatz in der Öffentlichkeit dienen. Ein schönes Beispiel dafür kommt aus der Welt der Spionage, nämlich der Abfall im präparierten Mistkübel, in dem sich die Mikrofilme befinden. Als Behälter dienen Säcke, die wie Müll aussehen, aber kein Müll sind. Eine Person deponiert die Ware, die andere nimmt sie auf, wenn sie ein entsprechendes Signal erhält.
Von dieser Technik gibt es unzählige Abarten. Um die Sicherheit zu erhöhen, kann der Grauslichkeitsfaktor ins Spiel gebracht werden. Dabei wird das Risiko, daß eine unbeteiligte Person durch Herumstierln stört, gegen Null gesenkt. Beliebt sind etwa Imitate von Hundescheiße, die innen ausgehöhlt sind. Die Annahme geht dabei in die Richtung, daß kaum jemand Hundescheiße aufheben und darunter nachsehen wird. Als Draufgabe ist es auch möglich ein solches Imitat mit einem Stinkspray, erhältlich in Waffengeschäften, einzudüfteln. In diese Kerbe schlägt auch die Strategie zu Versteckendes in richtigen Kadavern unterzubringen. Von dieser Methode berichtete u.a. ein sowjetischer Spion in den USA, der Material in einer verwesenden Katze deponierte. Sehr wirksam ist es etwas in stark nach Urin riechenden Ecken zu verstecken. Vorsicht ist nur dort geboten, wo Grausliches automatisch einen Putztrupp in Bewegung setzt. Ebenso sollte eine gewisse Logik walten. Wer das Hundescheißeimitat in Schönbrunn auslegt, hat schlicht nichts verstanden. In Schönbrunn sind Hunde verboten.
Ähnliche, aber etwas gemäßigtere Verstecke sind ausgehöhlte Baumstämme. Aus der Kindheit können wir uns an den Limonadenbaum von Pippi Langstrumpf erinnern. Im Bastelunterricht gelernte Pappmacheskulpturen sind Vorlage für den Pappmachestein, der durch Mörtel an der Außenseite zum täuschend echten Steinimitat wird.
Hohle Holzpflöcke sind ebenfalls bestens geeignet. Dazu organisierst Du Dir einen Holzpflock, wie er zum Beispiel an Straßenrändern herumsteht. Dieser wird der Länge nach aufgespalten, ausgehöhlt und gefüllt, dann wieder zusammengefügt. Anschließend steht er wieder harmlos an irgendeinem Ort herum, wenn geht nicht in der Nähe von Grill- und Lagerfeuerplätzen.
Orte
Eiserne Regel: Der Ort muß so beschaffen sein, daß was immer auch versteckt werden soll, auch bei Tageslicht deponiert werden kann. Das ergibt sich aus der Notwendigkeit sofort kontrollieren zu können, ob wirklich nichts sichtbar ist, ein bei Nacht schwieriges Unterfangen.
Im Freien sind einige Orte wie geschaffen fürs Verstecken. Es sind das u.a. Bahnschienen (sofern sie nicht von Streckenwärtern abgegangen werden), die der Straße abgewandte Seite von Leitplanken, Randsteinen, Unterhöhlungen von Fahrbahnen, usw. Eine erstaunliche Vielzahl von Hohlräumen gibt es in und unter Telefonzellen, bei Plakatwänden, Trägern und Pfosten aller Art, in Mauern (insbesondere älteren mit Steinen), Mistkübeln, ausrangierten Zeitungsbehältern oder unter Wurzeln. Hier wird mit dem Eindruck operiert, daß das Versteck scheinbar kompakt in der Gegend herumsteht, während es etwa wie bei vielen Pfosten bewegt werden kann, auf hohlen Sockeln steht oder sonstwie eingebuchtet ist. Hier ist einfach ausprobieren angesagt, nämlich ein Wechsel der Perspektive. Wenn Du Dich hinkniest und darunter oder dahinter siehst, womöglich alles abgreifst, so wird sich eine neue Dimension eröffnen. Der Wert solcher Verstecke ist ja der, daß sie nicht sichtbar und gänzlich unvermutet sind.
Öffentliche Gebäude bieten ebenfalls eine große Zahl an Verstecken an. Wahre Paradiese sind Bibliotheken, wo etwa kleinere Gegenstände in Bücherrücken deponiert werden können. Das auszusuchende Buch sollte möglichst langweilig sein und in einer kaum frequentierten Abteilung stehen. Außerdem sind alle Orte mit Schließfächern, Gepäckaufbewahrung oder Garderobe bestens für kurzfristige Zwischendepots geeignet.
Die Post bietet überhaupt ein eigenes Service an, daß nämlich Dinge leicht dadurch versteckt werden können, indem sie der Post als Brief oder Paket, adressiert an die eigenen Adresse, anvertraut werden. Falls der Brief eingeschrieben geschickt wird, ist damit sogar ein absolut sicheres Versteck über mehrere Wochen gesichert. Vom Versand von tickenden Uhren sollte jedoch abgesehen werden.
Zudem gibt es in Gebäuden jeder Art immer Einrichtungsgegenstände, die scheinbar abgeschlossen sind, aber in Wirklichkeit leicht demontiert und wieder zusammengesetzt werden können. Im Film kommt dazu häufig der Spülkasten im Klo zum Einsatz. Aschenbecher, irgendwelche Verkleidungen und ähnliches sind meistens zerleg- oder abmontierbar, um entsprechend präpariert zu werden. Nach nur wenigen Jahren gibt es in allen Gebäuden eine Vielzahl von nicht mehr benutzten kleinen Türchen, Klappen, sinnlosen Rohren und Nischen, die einmal für einen Zweck vorgesehen waren. Diese eignen sich wunderbar für dauerhaftes Verstecken.
Kamintüren sind als zeitweises Depot gut zu brauchen, denn einen Kaminschlüssel gibt es in jeder besseren Eisenwarenhandlung zu kaufen und dort wird außer vom Rauchfangkehrer zu vorangekündigten Terminen praktisch nie nachgesehen. Zudem wirkt auch hier wieder der Grauslichkeitsfaktor, es ist im Kamin einfach dreckig.
Selbst fremde Fahrzeuge können als Versteck dienen. Ein deutliches Zeichen, daß Fahrzeuge nicht verwendet werden, ist vergammeltes Äußeres plus weitere Anzeichen, wie längeres Stehen am selben Platz oder im Winter nicht entfernte Schneehaufen. Manche Firmen haben irgendwo solche Schrottkisten herumstehen, mit denen niemand fährt. Ähnliches gilt für Baustellen, wo Baufahrzeuge, Rohre, Schrott usw. ideale Verstecke bieten, die bei genauer Beachtung der Vorgänge von Stunden bis zu mehreren Wochen benützt werden können.
Widrigkeiten
Trotz des allgegenwärtigen Ordnungswahns der Normalbevölkerung
in Österreich sollte es keine Probleme machen, selbst hier Orte zu
finden, die gute Verstecke bieten. Als unangenehm können sich aber
nicht nur pedantische Aufräumwütige erweisen, sondern auch die
Natur. Zu Vergrabendes sollte durch wasserdichte Plastikfolien oder sonstige
Behälter witterungsfest gemacht werden. Brauchbar sind beispielsweise
Getränkekartons oder Plastikflaschen. Beim Hantieren in Schrotthaufen
sind Handschuhe angebracht, denn eine Wunde kann eine Blutvergiftung nach
sich ziehen.
Die größte Anforderung beim Verstecken ist wahrscheinlich
sich das Versteck zu merken. Während Du Dir das versteckte Objekt
meistens leicht merkst, ist das beim Platz nicht so. Ein psychologischer
Trick funktioniert, indem Du Dich an die damalige Situation zurückerinnerst.
Dazu gehört das Wetter, der eigene psychische Zustand, die damalige
Situation oder ob du dich kriechend oder gehend genähert hast. Zudem
hilft oft die Überlegung, welches Versteck aus Deiner Sicht ein gutes
wäre. Häufig führt das dann zum selben Ergebnis wie zuvor.
Probieren
Es gibt eine mehr als einfache Methode herauszufinden, ob ein Versteck
sicher ist, und die heißt Geld. Nimm eine Münze oder einen Geldschein
und lege diesen in das Versteck. Falls dieses jemand entdeckt, nimmt er
oder sie mit Sicherheit das Geld und Du weißt, das das Versteck nicht
sicher ist.
Aufruf
Es gehört zu mündigen BürgerInnen, daß sie paranoid
sind. Paranoia ist die ultimative Waffe gegen den Schnüffelstaat.
Auch wenn andere darüber lächeln mögen, die geschichtlichen
Lehren haben stets den ParanoikerInnen recht gegeben. Das Verstecken ist
eine so wichtige Technik, daß die Herrschenden immer schon ein Hauptaugenmerk
darauf gelenkt haben, dieses zu verhindern. Hausdurchsuchungen sind nur
eine ihrer miesen Methoden. Deshalb ist es unumgänglich sich und alles
und jedes verstecken zu können. Tausende GeheimagentInnen können
nicht irren. Also suchet und findet.
Literatur:
Dennis Fiery
How to Hide Things in Public Places
Loompanics, PO Box 1197, Port Twonsend, WA 98368, USA
aus TATblatt Nr. +167/168 vom 15. Juni 2001
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