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Völkerrechtswidrige Asylgesetznovelle?

Die Bundesregierung plant, wie aus der Regierungsvorlage zur Asylgesetznovelle ersichtlich ist, die so genannten Drittstaatensicherheit völlig aufzuweichen. Schon dem ehemaligen Innenminister Schlögl war es ein Dorn im Auge, dass nicht alle Nachbarstaaten Österreichs automatisch als sichere Drittstaaten galten, und wollte sie einfach per Gesetz (später als Verordnung) pauschal dazu erklären, was ihm aber aufgrund allzu heftigen Widerstands dann doch nicht gelungen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in Entscheidungen immer wieder darauf hingewiesen, dass es nicht ausreicht, wenn der Drittstaat AsylwerberInnen einen formellen Zugang zu einem Asylverfahren gewährt, sondern dass die Vollzugspraxis auch eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags beinhalten muss und diese kein "Einfallstor für Kettenabschiebungen" über weitere Drittstaaten sein darf.

Die Bundesregierung möchte nun besonders schlau sein und tut so, als würde sie die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes berücksichtigen, führt die ganze Regelung bezüglich der Drittstaatensicherheit aber ad absurdum, indem sie zur allgemeinen Feststellung, dass ein Asylverfahren nach der Genfer Flüchtlingskonvention offen stehen muss etc. lapidar ergänzt, dass der "Schutz im sicheren Drittstaat (...) oder im Wege über andere Staaten gesichert ist (Asylverfahren) (...)". Das widerspricht ganz klar den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, der darauf hingewiesen hat, dass von einer Drittstaatensicherheit nicht gesprochen werden kann, wenn sich der Drittstaat seinerseits auf eine Drittstaatensicherheit beruft und so eine Kettenabschiebung möglich wird. Aus einem Entscheid des Verwaltungsgerichtshofes: "Die Anwendung einer Drittstaatenregelung in Bezug auf einen "Viertstaat" - als mögliches weiteres Glied in einer unter Umständen längeren Kette - unterscheidet sich unter dem Gesichtspunkt ihres Verständnisses als Verweigerung des Zuganges zu einem Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention im Drittstaat auch nicht von der Rückverweisung auf Österreich als sicheren Drittstaat. Die von Davy (...) vertretene Ansicht, der Drittstaat dürfe das Asylbegehren nicht seinerseits auf der Grundlage einer Drittstaatsklausel erledigen, deckt sich überdies mit dem, was zumindest nach Teilen der Fachliteratur auch völkerrechtlich geboten ist."

Die Tatsache, dass die Behörden künftig nicht nur die Drittstaatensicherheit, sondern Viert und Fünftstaatensicherheit zu prüfen hätten, würde nicht gerade zu einer Verfahrensvereinfachung führen.
 

aus TATblatt Nr. +169 vom 29. Juni 2001
 
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