Wipe Out WEF
Dieses Interview mit VertreterInnen der Anti-WEF-Koordination wurde
Ende Mai geführt, hat aber inzwischen nicht unbedingt an Aktualität
verloren...
TATblatt: Von 1. bis 3. Juli tagt wie
in den letzten Jahren das World Economic Forum in Salzburg. Welche Formen
des Widerstandes hat es in den letzten Jahren gegeben?
Otto: Letztes Jahr hat es eine Demonstration gegeben mit sehr wenigen TeilnehmerInnen und eine Transparent-Aktion, die aber ziemlich untergegangen sein dürfte. Sonst ist mir eigentlich nichts bekannt.
TATblatt: Warum gibt es heuer erstmals mehr Widerstand?
Otto: Ich glaube, das ist die Antiglobalisierungswelle und die Vernetzungen, wie sie durch summit-hopping nach Prag oder versuchtes summit-hopping nach Davos passiert. Es dürfte auch ausschlaggebend sein, dass heuer erstmals der European Economic Summit ist und vorher nur der Middle and Eastern Europe-Summit war und das ganze so eine globalere Bedeutung bekommt und auch mehr Prominenz zugegensein wird.
TATblatt: Warum findet ihr, dass man gegen das WEF Proteste machen soll?
Norbert: Ich persönlich denke, dass das WEF eine
konkrete Form des kapitalistischen Systems ist, in dem wir leben, und ein
Gipfeltreffen ein ziemlich gutes Angriffsziel ist. Vor allem dadurch, dass
jetzt sehr viel Aufmerksamkeit darauf gerichtet wird, kann mensch viele
Leute gewinnen und über den antikapitalistischen Protest aufklären
.
Mafalda: Und wir verstehen uns da als Teil einer wirtschaftlichen
Anti-Globalisierungswelle.
Norbert: Naja, das WEF ist eine von den Institiutionen,
wo bestimmte Personen und WirtschaftsvertreterInen anwesend sind, die dieses
ganze System einfach irrsinnig stützen und vorantreiben. Das WEF ist
auf jeden Fall eine ideologische Basis für kapitalistische Globalisierung.
Irrsinnig viele Herrschaftsverhältnisse, die es jetzt schon gibt,
werden da einfach reproduziert und verstärkt und deshalb ist der Widerstand
global gesehen relativ groß.
TATblatt: Für mich stellt sich die Frage, was das für eine Welle ist, als Teil derer mensch sich sieht und wie die Aktivitäten in Salzburg als Teil dieser antikapitalistischen Bewegung verstanden werden können.
Norbert: Die Bewegung, welcher wir uns angehörig
fühlen, ist für mich - als Teil der Anti-WEF-Koordination - eine
emanzipatorische Bewegung, die versucht, die globalen Zusammenhänge
irgendwie zu verdeutlichen. Ich meine im Westen, oder in Mitteleuropa,
wo wir leben, ist es nun mal bei weiten nicht so spürbar, was die
Politik von solchen Organisationen und Konzernen für Auswirkungen
hat. Es kommt da einfach kaum wer mit, wenn nicht Öffentlichkeitsarbeit
dafür gemacht wird. Das ist auch Aufgabe der globalen Bewegung, dass
mensch Kampagnen von anderen Ländern im eigenen Land bekannt macht.
Otto: Also ich denke, dass es bei uns schon spürbar
ist, aber bei weiten nicht in den Ausmaßen. Also gerade jetzt, Stichwort
Sozialabbau, was wir jetzt als Kürzung empfinden, wäre für
Menschen in anderen Ländern einfach totaler Luxus. Und auch so Geschichten
wie konkret Abschiebung, als Beispiel, das einfach Menschen betrifft, die
marginalisiert und aus der Öffentlichkeit verdrängt werden. Und
dass wir versuchen sollten - was auch ein bisschen Selbstkritik ist -,
Menschen und Organisationen, die mit diesen Menschen zusammenarbeiten,
von diesen Menschen getragen werden, also jetzt den Marginalisierten, stärker
die Möglichkeit geben, ihre Anliegen, Forderungen, ihre Sicht der
Dinge darzulegen.
TATblatt: Passiert das im Rahmen der Proteste in Salzburg?
Norbert: Ich denke, dass da auf alle Fälle noch daran
gearbeitet werden muss, weil grundsätzlich schon ein bisschen von
dem da ist und, es sind nicht nur Leute aus Salzburg, die da etwas machen.
Eigentlich ist das eine bundesweite Geschichte. Aber es ist auch negativ,
dass zum Beispiel nicht-österreichische Gruppen, also Gruppen, die
in Österreich tätig sind, türkische und kurdische Gruppen
zum Beispiel, so gut wie gar nicht eingebunden werden. Das hat zum Teil
auch Gründe, dass es die Kontakte nicht gibt, aber ich meine, dass
das ein Anlass sein sollte, dass man die Kontakte aufbaut.
Mafalda: Das funktioniert aber auch nicht so einfach.
Otto: Es gibt da vom Arbeitstechnischen her ziemliche
Differenzen, weil Menschen, die zum Beispiel akut von Abschiebung bedroht
sind, Kontrolle darüber haben wollen, bei welchen Aktionen sie mitmachen.
Dass sie abschätzen wollen, wie was geht, weil sie einfach auch die
Repression ganz anders zu spüren kriegen, wo nachher auch wirklich
Existenzbedrohungen da sind.
TATblatt: Welche Themen stehen bei den Aktionstagen in Salzburg im Vordergrund?
Mafalda: Migrationsbewegungen und die EU-Osterweiterung,
was auch ein Thema beim WEF sein wird.
Norbert: Das ist jedenfalls der Hauptschwerpunkt, Abschiebung
und Festung Europa ...
Otto: Die inhaltliche Arbeit der Anti-WEF-Koordination,
wird zum jetzigen Zeitpunkt - noch - wenig intensiv betrieben, und es ist
eigentlich keine klare Profilierung da. Aber ein Ziel sollte auf jeden
Fall sein, einfach, ja, dazulernen für derartige Kampagnen, eine Vernetzung
schaffen, innerhalb von Österreich, arbeitsfähige Strukturen
schaffen. Und auch dass wir beim nächsten Mal vieles besser machen
und uns mehr darauf konzentrieren können.
TATblatt: Ihr sagt, die inhaltliche Arbeit ist noch nicht so weit fortgeschritten, daraus ergibt sich eine spezielle Frage. Es wird immer gesagt, das WEF ist ein Männertreffen - auch im Zusammenhang mit Migration. Frauenmigration ist ja ein Thema, das eigentlich kaum öffentlich thematisiert wird, auch hinsichtlich frauenspezifischer Asylgründe. Inwieweit sind Geschlechterverhältnisse Thema?
Mafalda: Willst du jetzt ein ehrliche Antwort, oder eine
utopische?
TATblatt: Eine ehrliche.
Mafalda: In Salzburg eigentlich überhaupt nicht.
Aber vor hatten wir es eigentlich schon. Das ist auch eine Sache, die nicht
nur die SalzburgerInnen zu erledigen haben. Das geht eigentlich alle an
und wird einfach viel zu wenig thematisiert. Und das ist auch der Selbstkritikpunkt,
an dem wir als erstes zu arbeiten beginnen sollten.
Norbert: Ich wollte nur sagen, dass es grundsätzlich
inhaltlich einfach total wenig Auseinandersetzung mit dem WEF und der ganzen
Politik gibt und auch wenig Arbeit dazu gemacht wird, und das einer von
den Punkten ist, die bis jetzt nicht gemacht worden sind.
Mafalda: Ich würde sagen, wir haben uns derweilen einmal auf organisatorisches
und infrastrukturelles beschränkt und wenig auf Inhalte.
Otto: Ich glaube, dass diese Frage genau wie die über
die Einbindung von Menschen mit nicht-österreichischem Pass, eben
auch Sexismus in Strukturen, die doch einen radikal-emanzipatorischen Anspruch
haben, einfach den Ansprüchen hinterherhinkt. Dass einfach die Utopie
da ist, aber im Alltag zuwenig daran gearbeitet wird.
TATblatt: Und glaubt ihr, dass dies in Zukunft mehr thematisiert wird?
Norbert: Also ich hoffe, dass es auch heuer noch irgendwie
zum Thema wird und dass, egal von welchen Leuten, inhaltlich noch etwas
passiert. Ich weiß aber nicht, wie realistisch das ist. Ja, wegen
nächstem Jahr kann ich gar nicht abschätzen, was da überhaupt
sein wird. Ob das jetzt gerade noch ein Trend ist, was dieses Jahr so passiert,
dass alle zu Gipfeln fahren und da irgendetwas machen wollen oder ob das
jetzt so bleibt, oder mehr wird, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall
haben wir sicher dieses Jahr einiges gelernt und wissen jetzt, dass mensch
nicht erst im März mit der Planung anfangen soll und dass mensch inhaltlich
nicht warten muss, bis es zwei Monate vor dem Gipfel ist, sondern dass
mensch im Juli schon anfangen kann, für das nächste Jahr. Weil
das einfach nichts ist, was viel mit dem Termin von dem Gipfel zu tun hat.
Norbert: Ja, ich glaube auch, dass die ganzen Themen
nicht gipfelbezogen behandelt werden sollten, sondern eigentlich immer.
Eigentlich bietet sich der Moment des Gipfel gut dafür an, um auch
für Salzburg einen Start zu legen, oder?
Otto: Es gibt einige wenige Texte, die sich mit Sexismus,
speziell im Bezug auf das WEF auseinandersetzen, von Kollegen und Kolleginnen
aus der Schweiz. Und, ja ich finde auch, dass das nicht einmalig zum Gipfel
thematisiert werden sollte, sondern dauerhaft Thema sein soll. Und ich
glaube auch, dass wir bei entsprechender Recherche ziemlich viele gute
Texte finden würden. Mensch muss nicht für jeden Gipfel neue,
komplette Analysen und was weiß ich was alles erstellen. Mensch sollte
einfach mehr auf die Arbeit von anderen Gruppen und Einzelpersonen zurückgreifen,
weil das auch etwas ist, was ich mir unter Vernetzung und Globalisierung
vorstelle, Informationsaustausch und schauen, was andere schon gemacht
haben. Weil mensch sich da auch sicher näher kommt.
TATblatt: Was ist die globale Widerstandsbewegung gegen Kapitalismus und Unterdrückung?
Norbert: Ich denke, dass in den letzten zwei Jahren etwas
entstanden ist, was es in der Form früher nicht gegeben hat. Dass
auch viele Gruppen aus dem Trikont eingebunden werden, also PGA (Peoples
Global Action, Anm.) zum Beispiel oder die Campesin@s usw. Meine Kritik
an der globalen Widerstandsbewegung gegen Kapitalismus ist, dass irrsinnig
viel übers Internet läuft und dadurch vor allem Leute im Osten
Europas und in Trikontländern von Diskussionen und Informationen ausgeschlossen
sind.
Otto: Da wird auch sehr viel gehypt, beim globalen Widerstand
und, so wie ich das einschätze, gibt es sehr viel punktuelle Vernetzung
und Berührungspunkte und nur wenig lange andauernde Kontakte, wo auch
geschaut wird, dass wir voneinander lernen und die Verschiedenartigkeiten
akzeptieren.
TATblatt: Wenn es jetzt darum geht, die globalen Verhältnisse lokal festzumachen und wir auf Salzburg zurückkommen, wie ist da eigentlich die Stimmung innerhalb der Bevölkerung in Salzburg? Könnt ihr das beschreiben?
Mafalda: Also ich würde sagen, unter den Jugendlichen ist schon ein relativ großes Interesse da, was das WEF ist und so und was da ungefähr sein wird im Juli. Aber, ich glaube auch, dass beim Großteil der Bevölkerung eine ziemliche Angst vor der Demonstration herrscht, durch die ganze Medienhetze.
TATblatt: Sehen sich die Leute in Salzburg von der Politik des WEF und deren Auswirkungen betroffen?
Mafalda: Naja, das klingt jetzt lächerlich, aber
zum Beispiel die Salzburger Nachrichten haben im letzten Jahr berichtet,
dass das WEF so scheiße ist, weil es in der ganzen Stadt zu Staus
kommt. Den Leuten in Salzburg geht das Treffen schon ziemlich auf die Nerven,
die ganzen übertriebenen Sicherheitsstandards, und sie sind auch sicher
von der Politik betroffen, aber ich glaube nicht, dass die Wahrnehmung
dafür irgendwie geschärft ist.
Norbert: Ich glaube auch nicht, dass die die große
Verbindung sehen zwischen sich und dem Gipfel. Außer der direkten
halt, dass sie im Stau stehen, dass kein Bus fährt, aber so von der
Politik glaube ich nicht.
Otto: Die Salzburger Bevölkerung steht global gesehen
einfach auf der GewinnerInnenseite. Und wir, ich nehme uns nicht aus, profitieren
von Leid und Elend in anderen Teilen der Welt. Von breiten Schichten ist
der Egoismus da, das einfach gut zu finden, wie es jetzt läuft, weil
es uns selber gut geht. Die blau-schwarze Wende, die eigentlich keine ist,
mit Kürzungen im Sozialbereich, wird auch von einigen mit Missfallen
zur Kenntnis genommen. Aber es ist eher der Trend, den Wohlstand hier zu
sichern.
Mafalda: Naja, es gibt die Politik des WEF, die die so
genannte Bevölkerung negativ betrifft. Zum Beispiel diese ganze Standortoptimierungskacke.
Wenn für Investitionsprojekte der Konzerne Infrastruktur von den PolitikerInnen
zur Verfügung gestellt wird. Es ist oft so, dass sich die lokale Bevölkerung
gegen Straßen oder höhere Verkehrsbelastung zur Wehr setzt.
Doch die Pläne, was wo gebaut wird und wie, wird u.a. zwischen Wirtschaftsbossen
und Politikern besprochen, die sich beim WEF treffen. Das transportieren
wir eigentlich zu wenig.
Otto: Naja die Infrastruktur wird vielleicht nicht gewollt,
aber es gibt einfach keinen organisierten Widerstand dagegen und im Endeffekt
wird sie noch gut geheißen.
Mafalda: Ja, aber beim Stadion vor Klessheim werden neue
Autozubringerstraßen gebaut, gegen die die lokale Bevölkerung
ist.
TATblatt: Jetzt zu den Auswirkungen der Proteste. Die wirken sich ja auch irgendwie auf die Bevölkerung aus. Wie ist das mit Repression und mit der Akzeptanz von repressiven Maßnahmen in Salzburg?
Norbert: Durch die schon angefangene Medienhetze oder
Medienkampagne gegen die Proteste wird in der Bevölkerung viel Akzeptanz
für Repressionen während der paar Tage, wo der Gipfel stattfindet,
geschaffen. In den Zeitungen ist gestanden, dass Zustände in Salzburg
drohen, wie es sie in Quebec oder Prag gegeben hat. Und das will in Salzburg
niemand, die Bevölkerung will nicht, dass ihre Geschäfte hingemacht
werden. Die Leute sehen es mehr oder weniger als nötiges Übel
an, dass die Stadt abgesperrt ist und überall Bullen sind. Ich glaube
nicht, dass es viel Solidarität geben wird mit Leuten, die ins Häfen
gehen, oder für Leute, die perlustriert werden und so Sachen.
Mafalda: Es gibt aber schon einen kleinen kritischen
Teil in der Bevölkerung, der auch bei den Chaostagen gesagt hat, dass
das Verhalten der Polizei falsch ist, vor allem auch nachher. Aber ich
glaube nicht, dass von denen irgendwie aktive Solidarität zu erwarten
ist, sonder höchstens ein: die sind so arm, oder so.
Otto: Die Chaostage ´97 waren de facto eine Außerkraftsetzung
von vielen Grundrechten. Das geht eigentlich relativ leicht, wenn die Mediaprint
mitspielt und alle anderen Zeitungen auch. Der Aufschrei der liberalen
Bevölkerung war nur marginal und vor allem auch im Nachhinein und
weniger im Vorfeld. Weil einfach Angst und Desinformation vorgeherrscht
haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in der Beziehung auch keine
Probleme geben wird, dass sie repressive Maßnahmen gegen eine kritische
Öffentlichkeit durchbringen. Es ist halt die Frage, wie weit sich
zum Beispiel Gewerkschaften oder so bei der Mobilisierung gegen den Gipfel
beteiligen werden und inwieweit man dadurch die gesellschaftliche Mitte
und weitere Schichten ansprechen kann mit Kritik an den Repressionen und
an den repressiven Maßnahmen. Die Repressionen nach dem Gipfel und
eventuell auch vor dem Gipfel wird vor allem eine ziemlich kleine Schicht
treffen und die wird, falls es überhaupt Leute mitkriegen, leicht
ausgrenzbar sein. Ein Randgruppenphänomen, mehr oder weniger.
TATblatt: Aber es doch so, dass breit angelegte Proteste stattfinden, in die sehr viele Gruppen und Leute involviert sind. Könnt ihr vielleicht beschreiben, wie in Salzburg aber auch insgesamt eine breitere Protestbewegung gegen das WEF auftritt?
Norbert: Wichtig ist, dass man betont, oder klarstellt,
was für ganz viele organisierte Leute aus Österreich kaum vorstellbar
ist, dass es in Salzburg nicht annähernd eine Infrastruktur gibt für
Leute, die etwas organisieren. Das heißt, es gibt innerhalb von Salzburg
kaum eine Vernetzung. Die Leute, die da jetzt zusammenarbeiten, haben sich
vorher zum Teil noch nie gesehen und können sich deshalb auch gegenseitig
kaum einschätzen, wie es mit Verlässlichkeit und so Sachen ausschaut
und, es lauft halt viel bundesweit ab.
Mafalda: Es ist so, die Plattform meldet gemeinsam mit
der KP die Demo an. Die Plattform gegen Rassismus und Sozialabbau ist mit
der Regierungsbildung gegründet worden, und das waren am Anfang vor
allem SP-Gruppen und Grüne, sogar mit Gewerkschaft. Ein bürgerliches
Bündnis, also die, die in Salzburg den bürgerlichen Widerstand
umfassen. Außerdem mobilisieren noch die K-Gruppen bundesweit und
auch international, Linkswende will auch kommen.
Otto: In Salzburg gibt es eine ziemlich kleine Basis
von Leuten als zum Beispiel in Wien, wo der Widerstand viel breiter ist.
Es ist total schwer einzuschätzen, weil zum Beispiel ATTAC-Salzburg,
das gerade dabei ist, sich zu konstituieren, auf keinen Fall irgendwie
auch nur in die Nähe von Gewaltbereitschaft gerückt werden wollen.
Das geht soweit, dass sie Probleme haben, den Gegengipfel Gegengipfel zu
nennen, weil das zu konfrontativ wäre.
TATblatt: Und die Anti-WEF-Koordination, die ist ja für die Proteste in Salzburg gegründet worden. Wie beschreibt ihr diesen Zusammenhang?
Otto: Also ich glaube, dass die Anti-WEF-Koordination
ohne die bundesweite Vernetzung nicht vorstellbar ist.
Norbert: Die Anti-WEF-Koordination ist ein loser Zusammenschluss
oder ein loses Bündnis von Gruppen und Einzelmenschen - hauptsächlich
aus autonomen Gruppen, die zum WEF-Gipfel zusammenarbeiten. Inwieweit das
nachher fürs nächste - oder für die nächsten Jahre
relevant ist, ist schwer einschätzbar. Es wird sich herausstellen,
was dann dieses Jahr so passieren wird. Da gibt es eben guidelines (Anm:
siehe TATblatt +167/68), mit denen sich alle identifizieren können.
Ich meine, es ist auch irgendwie so ein Gegenpol zum bürgerlichen
Protest, den es in Salzburg gibt, also zur Plattform und so Sachen.
TATblatt: Zum bürgerlichen Protest: Es gibt ja seit Februar 2000 diese Widerstandsbewegung gegen die Regierung in Österreich. Und im Aufruf der Anti-WEF-Koordination wird ja thematisiert, gegen die schwarz-blaue Regierung aufzutreten. Wie seht ihr da den Zusammenhang - jetzt auch im Bezug auf die Mobilisierung nach Salzburg?
Otto: Ich denke mir, dass klar ist, dass sich der Widerstand
zumindest von Seiten der Anti-WEF-Koordination, gegen jegliche Art von
Hierarchie und Unterdrückung richtet und damit gegen jede Regierung,
nicht nur gegen die Schwarz-Blaue. Klar, gegen die besonders. Ich bin mir
jetzt auch nicht ganz sicher, inwieweit das glücklich war, das zu
thematisieren, obwohl das sicher auch eine Rolle spielt, die Lage in Österreich,
der verschärfte Neoliberalismus, den die Regierung an den Tag legt
und auch die internationale Profilierung, die sich die Regierung sicher
auch durch den Gipfel erwarten kann. Aber ich denke mir, es ist sicher
verkürzt, einfach zu sagen, die Anti-WEF-Demo wird eine Anti-Schwarz-Blau-Demo
sein. Ich finde es sollte eigentlich nur ein Punkt unter vielen sein und
es sollte auch etwas sein, was den lokalen Kontext herstellt.
Mafalda: Ich kann mich für den Zusammenhang nicht
begeistern, weil das großteils zu wenig differenziert dargestellt
wird. Ich habe einfach voll das Problem, weil vor allem auch in Salzburg
jeder Scheiß gegen Schwarz-Blau ist, ja, mir geht das ganze schon
mehr auf die Nerven.
Norbert: Es wird viel zuwenig thematisiert, was diese
Regierung zu tun hat mit dem WEF, oder dass eben die Regierung und die
Regierung, die es vorher gegeben hat, die Auswirkungen die vom WEF ausgehen,
oder die Politik, die vom WEF ausgeht, einfach druchsetzt in Österreich.
Mafalda: Es würde das WEF auch geben, wenn die Regierung
nicht da wäre und das WEF hat auch schon unter Rot-Schwarzen Regierungen
hier getagt. Außer dem, dass sich die Regierung international profiliert,
sehe ich da einfach nicht so viel Zusammenhang. Die Rot-Schwarze Regierung
war auch nicht super sozialistisch oder sonst irgendwas, sondern hat genauso
neoliberale Themen in ihrem Programm integriert gehabt.
Norbert: Die Schwarz-Blaue Regierung hat das ganze schon
ein bisschen verschärft. Und da der Schwerpunkt bei uns auf Rassismus
und Migration und so weiter liegt, ist es schon relevant, auf die Schwarz-Blaue
Regierung hinzuweisen, weil einfach die das ganz massiv vorantreibt. Was
nicht heißt, dass das die anderen Regierungen nicht auch gemacht
haben.
TATblatt: Kann über diese Thematisierung die Widerstandsbewegung in Österreich, die sich doch sehr auf den Nationalstaat bezieht, immer auch sehr auf Österreich bezogen agiert hat, eine andere Perspektive bekommen, ihre Sichtweise ein bisschen verändern?
Otto: Prinzipiell ja, aber in dem Fall haben wir zu wenig
inhaltliche Arbeit geleistet und von vielen Gruppen sind teils auch so
Geschichten gekommen, wie: wir sind gegen die wirtschaftliche Globalisierung,
weil wir nationale Identitäten wahren wollen. Dieses Kommentar hab
ich einmal bei einer ATTAC-Sitzung gehört. Es ist sicher ein Problem,
dass wir unseren radikalen Ansatz richtig rüberbringen und den nationalistischen
Widerstand, der nur auf Österreich bezogen ist und die österreichische
Identität bewahren will, ins rechte Licht rücken.
Norbert: Durch den Gipfel wird zumindest thematisiert,
dass das eine globale Bewegung ist, dass es nicht nur darum geht, was in
Österreich los ist und dass auf jeden Fall Leute, die über Anti-Regierungssachen
irgendwie zu politischen Sachen gekommen sind, durch das WEF-Zeug die Zusammenhänge
besser verstehen.
TATblatt: Vielleicht noch eine Abschlussfrage. Was bringen die Anti-WEF-Koordination und die Aktionen gegen das World Economic Forum für den Widerstand in Salzburg?
Norbert: Ich denke, dass dadurch auf jeden Fall die Vernetzung
in Salzburg aber auch in ganz Österreich vorangetrieben worden ist.
Dass sich Leute kennenlernen, dass Erfahrungen gesammelt werden, für
eventuelle zukünftige Kampagnen, und dass einfach ganz viele Leute
in Salzburg politisiert werden. Weil sie einfach mitkriegen, dass es Leute
gibt, die gegen Kapitalismus sind. Es wird zwar immer geschrieben, dass
sie gegen Globalisierung sind, was aber nicht so ist. Die Anti-WEF-Koordination
soll jedenfalls einen radikalen Anspruch darbieten.
Otto: Ich glaube, dass ziemlich viele Leute angesprochen
werden. Und in diesem Zusammenhang ist es total schade, dass das Konzert
nicht stattfinden hat können in Salzburg(1). Die mediale Hetze zeigt
die ersten Auswirkungen und es wird -gerade in Salzburg - wieder einmal
ein bisschen klarer, wo die einzelnen Leute und Institutionen stehen. Zum
Beispiel auch die ARGE-Nonntal, die eigentlich immer total links und alternativ
und das größte autonome Kulturgelände außerhalb Wiens
und so weiter war, dass sich da jetzt zeigt, dass einige Leute von denen
in der Lage sind, auf Grund von zwei Kronenzeitungsartikel ein Solikonzert
zu verhindern, auch wenn es offiziell nur um Formalismen gegangen ist.
Mafalda: Wegen der Politisierung jetzt nochmals, ich
glaube, dass vor allem jene Leute politisiert werden, die zum ersten mal
was in einer Kampagne machen und das sind eigentlich ziemlich viele. Viele
SalzburgerInnen sammeln Erfahrungen, wo mensch dann wahrscheinlich nachher
auch noch mal Aktionen machen kann, was es bis jetzt so nicht gegeben hat.
Otto: Da ist aber auch ein gewisses Risiko. Es gibt zwar
Leute, die sich engagiert und zum ersten mal politisch gearbeitet haben,
da es aber eine längerfristige Kampagne ist, bei der die Repression,
zumindest jetzt mal medial im Vorfeld, schon eher bedrohlich wirkt. Da
kann es schon sein, dass einigen Leute, die motiviert waren, was zu machen,
doch irgendwie die Luft ausgeht und sie wegen Repression Stress kriegen.
Es ist ziemlich zweischneidig.
TATblatt: Wollt ihr sonst noch irgendetwas sagen, was wir vergessen haben?
Otto: Wipe out WEF!
aus TATblatt Nr. +169 vom 27. Juni 2001
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