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Wunderwelt der Technik
Folge 7: Das Rohr

Die Industriegesellschaft steckt in einer Identitätskrise. Vermeintliche Lösungen von Problemen haben sich als Grundlage neuer und weit größerer Übel herausgestellt. Verschmutzung, Zerstörung, Untergang. Der Kollaps droht noch bevor die Industriemenschheit erwachsen geworden wäre. Psychosexuell betrachtet steckt sie noch immer in der analen Phase, verbunden mit einer ausgeprägten oralen Fixierung. Was vorne reingestopft wird, muß hinten raus. Immer mehr. Ohne die Erfindung des Rohres, dieser verlängerten und erweiterten analen Öffnung wäre die Industriegesellschaft schon längst an Verstopfung zugrunde gegangen.

In den 80er Jahren erfand die Umweltbewegung eine neue Aktionsmethode, die höchste Aggressivität hervorrief: Die Verstopfung von Rohren von umweltverschmutzenden Fabriken. Das traf den Nerv der Gesellschaft. Seither hat die Anzahl an Rohren weiter zugenommen, weil Grundwasser nicht mehr trinkbar ist, immer mehr verrohrt werden muß, damit nicht die unmittelbare Umgebung verstunken wird, sondern die der Nachbargemeinde, und die Abgase besser verteilt werden können.

Triebfixiert steigt der Ressourcenverbrauch. Mehr Autos brauchen mehr Auspuffrohre. Mittlerweile kommt das durchschnittliche Protz-BMW-Kabrio schon längst nicht mehr mit einem Auspuff aus. Aggressive Umweltverpester und Verkehrsrüpel scheiden auch aggressiv aus. Es kann wohl ohne große Ausführungen diagnostiziert werden, daß bei solchen meist männlichen Exemplaren nicht nur schwere orale Versagungen in der Kindheit und Jugend durch "Qualmen aus allen Rohren" kompensiert werden, sondern daß auch durch besonders unappetitliche Beschimpfungen mit Analbezug, von Arschloch bis Scheißweiber, Defekte im Straßenverhalten psychisch unreif ausgeglichen werden.

Der Auspuff

Eines der ärgsten Symptome ist der Autoauspuff. Was hier rauskommt, tötet. Aber es gibt wirksame Gegenmittel. Eine Kartoffel von Mutter Natur in das Auspuffrohr gestopft, und schon erstickt der Motor in den eigenen Abgasen. Diese Methode ist bewährt und wurde beispielsweise im Widerstand gegen die Nazis praktiziert. Das Stottern des Motors wird gemeinhin als Motorschaden interpretiert, was zu einem Besuch in der Mechanikerwerkstätte führt, mit Folgekosten für nichts und wieder nichts.

Eine Abwandlung davon ist ein Plastikfeuerzeug in das Auspuffrohr zu schieben, und zwar soweit, bis das Feuerzeug in einer Ausbuchtung im Rohr liegen bleibt. Nach einiger Fahrzeit wird der Auspuff sehr heiß und das Feuerzeug explodiert. Es kann aber außer einem fürchterlichen Knall nichts passieren, auch kein Brand entstehen. Auch in diesem Fall wird das Auto einige Zeit außer Betrieb genommen. Beide Methoden haben den Vorteil, daß sie keine Sachbeschädigung im Sinne des Strafgesetzes sind. Allerdings sollte beachtet werden, daß sich ein fanatischer Autofahrer eine Kartoffel wahrscheinlich lieber in den Hintern als in den Auspuff stopfen läßt und entsprechend reagiert, falls er den oder die TäterIn erwischt.

Der Abfluß

Doch kehren wir zum Abflußrohr zurück. Umweltgruppen, wie Greenpeace, sind mit Abflußrohren bestens vertraut und chemiemäßig entsprechend vorsichtig. Bei gelungenen Aktionen ist der Erfolg phänomenal, nämlich der Stillstand einer Fabrik. Das Verstopfen von Abflußrohren ist in den Industrieländern etwas aus der Mode gekommen, weil relativ strenge Gesetze dafür gesorgt haben, daß die Giftigkeit der Abwässer stark nachgelassen hat und viele Kläranlagen gebaut wurden.

Aber trotzdem, manchmal steht jemand vor einem Rohr, durch das illegal toxische Brühe abgelassen wird, und kann nicht anders. Zunächst muß der Abfluß gestopt werden, und das geschieht am besten mit einem Sandsack, der ins Rohr hochgeschoben wird. Dem folgt gleich ein zweiter Sack mit einer Zement-Schotter-Mischung, und dann sollte der Abfluß blockiert sein. Als Abschluß wird zunächst der Sack an den Seiten am Rohr mit Zement abgedichtet, dann noch größere Steine ins Rohr zementiert. Bei größeren Rohren kann statt dem Sandsack auch ein Kübel mit Zement ins Rohr geschoben werden. Als Abschluß bieten sich ins Rohr zementierte Ziegel förmlich an.

Sehr große Rohre sind am besten dann zu verschließen, wenn sie zwischendurch trocken sind. Möglich ist es, Metallplatten ins Rohr zu nageln. Eine technische Verbesserung von Zementblockaden stellt die Einbindung von Draht für Zäune oder von Metallstangen dar.

Sabotage an Forststraßen

Eine Abwandlung des Verstopfens von Abflußrohren von Fabriken ist die Unterspülung von Forststraßen durch Verstopfen der Regenablußrohre. Forststraßen in unebenem Gelände werden vor dem Unterspülen des Straßenbettes dadurch geschützt, indem bei natürlichen Wasserabläufen Rohre unter dem Straßenbett verlegt werden, die Regenbäche ableiten. Die Maßnahme gegen Straßenbau im Wald ist simpel: Durch Verstopfen der Abflußrohre kann das Wasser nicht mehr abrinnen, das Straßenbankett saugt sich mit Wasser an und beginnt zu rutschen, die Straße wird unpassierbar und in der Folge wird weder von JägerInnen im Allradauto herumgefahren, noch Holz geschlägert und abtransportiert. Eine mehr als einfache Methode ist es, Schrauben mit Haken in die Innenseite des Rohres zu schrauben, Maschendraht an den Haken zu befestigen und dann bei kleinen Rohren eine schwarze Plastikfolie oder sonst Zement, Sand, Steine und sonstiges Zeug in das Rohr zu stopfen. Eine Abwandlung davon ist statt Schrauben zwei Metallstangen im X, an denen der Draht befestigt wird, in das Rohr zu klemmen. Auch hier kann stattdessen Metall in das Rohr genagelt werden.

Weitere kleine Teufeleien sind aufgepumpte Autoschläuche, Fußbälle oder Ballons, sowie Kombinationen davon mit Draht, Steinen oder Zement. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Die Toilette

Doch kehren wir wieder zum Zustand der analfixierten Gesellschaft zurück. Die Psychologie lehrt uns seit Freud, daß in der analen Phase die Darmfunktionen von Kindern überbesetzt werden. Wer jemals auf einem Klo bei McDonalds war, weiß, daß dort offensichtlich nur steckengebliebene Überbesetzte verkehren, so wie die Toiletten mit Scheiße bemalt sind. Doch gerade das dürfte zu Widerstand animieren, denn McDonalds ist international auch jene Firma, deren Klos am öftesten und intensivsten für Gegenaktionen benützt werden, wie BekennerInnenschreiben in Dutzenden Ländern bezeugen.

Es geht hier, kulturphilosophisch gedeutet, möglicherweise darum, die Fäkalgesellschaft mit ihren eigenen Mitteln zu bekämpfen. Unter extrem grausamen, ekelhaften und ausbeuterischen Bedingungen produzierte Lebensmittel sollen nicht einfach ausgeschieden werden dürfen, nein, der/die KonsumentIn soll zur Strafe diese Produkte länger im Körper behalten müssen. Vordergründig wird diese Technik hauptsächlich dazu verwendet, McDonalds und Konsorten ökonomisch zu schädigen.

Die gemütliche Technik besteht darin, einen nassen Schwamm mit Fäden zusammenzubinden und trocknen zu lassen. Dann werden die Fäden zerschnitten, der Schwamm bleibt klein. Der/die FäkalbekämpferIn nähert sich also der Klomuschel und stopft den Schwamm rein, spült vielleicht nur ganz wenig nach. Binnen kurzem säuft sich der Schwamm mit Wasser an und dehnt sich aus, der Abfluß ist zu. Hygienisch gesehen bleibt der Auswurf der Nahrungsmittelindustrie dort, wo er hingehört, im Lokal.

Die zweite Technik funktioniert ähnlich. Ein Strumpf wird mit einer Mischung aus Schnellbinderzement und Sägespänen gefüllt. Ein Blick auf die Dicke eines Abflußrohres einer Klomuschel in einem Baumarkt oder Einrichtungshaus kann nicht schaden, um die Menge abzuschätzen. Dann nähert sich der oder die KämpferIn wiederum der Klomuschel und hinein damit. Der Strumpf verhindert, daß der Zement weggespült wird, die Sägespäne sind die Quellmasse.

Erwachsenwerden

Es ist somit gleichsam als Therapiemaßnahme anzusehen, wenn von sozial gereiften Menschen die Ausscheidungstätigkeit der Gesellschaft verringert wird. Solange Rohre als Ausscheidungsorgane mißbraucht werden, wird es gezielter Eingriffe bedürfen, um die Zurückgebliebenen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. Wer minderwertiges Essen nicht mehr aus dem Körper bekommt, obwohl alles dahin drängt, wird auch nichts mehr davon Nachfüllen. Und wer bis zu den Knien in Abwässern steht, wird weniger davon produzieren.

Literatur:
Wie schon in den meisten Folgen zuvor war Ecodefense von unschätzbarem Wert; außerdem:
Neil Stephenson: Zodiac - The Eco-Thiller, Atlantic Monthly Press Books
Ein Öko-Thriller, in dem radikal gegen verroh(r)te Umweltverschmutzer vorgegangen wird.
An Animal Liberation Primer
Das Heft für angehende ALF-AktivistInnen. Erhältlich als Kopie bei der
NA-ALFSG
Box 69597
5845 Younge St.
Willowdale
Ontario M2M 4K3
Canada
oder zum Herunterladen bei >>>www.animaliberation.net


Nachtrag zu Folge 1, Sperrtechnik

Von 10. bis 12. August findet in Twente in den Niederlanden auf dem Gelände der Universität "Hackers at Large 2001" statt. Dort wird gehackt und aufgesperrt, selbstverständlich nur im sportlichen Wettbewerb. Es wird auch Workshops für AnfängerInnen in Aufsperrtechnik geben.
Informationen findet Ihr unter >>>www.lockpicking.de bzw. auch >>>www.lockpicking.nl. Auf der Homepage www.lockpicking.de findet Ihr auch ein Anleitungsbuch zum Lockpicking in Deutsch.
 
 

aus TATblatt Nr. +169 vom 29. Juni 2001
 
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